Pandschab

Pandschab

Pandschab (»fünf Ströme«, daher Fünfstromland genannt, engl. Schreibung Punjab), Provinz des britisch-ind. Reiches, zwischen 27°40´-34° nördl. Br. und 69°40´-79° östl. L., grenzt im W. an Belutschistan und die bis 1901 teilweise zu P. gehörig gewesene Nordwestliche Grenzprovinz (s. d.), im N. an diese, Kaschmir und Tibet, im übrigen an die Vereinigten Provinzen, Radschputana und Sind und umfaßt 252,743 qkm, wozu noch 36 Tributärstaaten mit 94,983 qkm kommen, so daß das ganze Gebiet 347,726 qkm umfaßt (s. Karte »Ostindien«).

Die Nordostgrenze begleitet der Himalaja; an seinem Fuß ziehen sich niedrige Bergrücken hin, wie die Siwalik u.a. In die Südostecke treten Ausläufer der Arawali hinein. Die Westgrenze wird zum Teil durch die östliche Suleimankette, zum Teil durch den Indus gebildet; im N. tritt die an Steinsalz außerordentlich reiche Salt Range zwischen Indus und Dschelam ziemlich isoliert hervor. Der bei weitem größte Teil des P. besteht aber aus ungeheuern Ebenen, wovon die östlichen zwar guten Boden, aber nur wenig Regen und keine Flüsse haben, während die westlichen aus dürren Weiden bestehen, die von fünf Flüssen durchzogen werden (daher der Name P.), in deren breiten Tälern allein Ackerbau möglich ist. Die Flüsse des P. gehören teils zum Gebiete des Ganges, wie die die Ostgrenze bildenden Tons und Dschamna, teils zu dem des Indus, wie Satledsch (zum Teil Südgrenze), Bias, Ravi, Tschenab und Dschelam, die, zum kurzen Pandschnat vereinigt, sich bei Mitankot in den Indus ergießen. Das Klima bewegt sich in größern Extremen als im übrigen Indien. Regen fällt nur in den Gebirgsgegenden reichlich, in den Ebenen sehr wenig, wo die Kulturen fast ganz von der freilich hochentwickelten künstlichen Bewässerung (s. unten) abhängig sind. Die Vegetation ist bloß in den Bergen ansehnlich; sonst finden sich nur niedrige Mimosen, Dschangeln und Grassteppen. Die Fauna ist die gewöhnliche Indiens, von Mineralien ist nur Salz zu nennen, wovon 1903 allein über die Landgrenzen für 3,141,928 Rupien ausgeführt wurde.

Die Bevölkerung betrug 1901: 20,330,339 (10,942,705 männlich, 9,387,634 weiblich) im unmittelbaren britischen Gebiet und 4,424,398 (2,409,809 männlich, 2,014,589 weiblich) in den Tributärstaaten. Im erstern waren 10,825,698 Mohammedaner, 7,874,413 Hindu, 1,517,019 Sikh (99 Proz. sämtlicher Sikh Indiens), 65,811 Christen, 42,745 Dschain, in den Tributärstaaten 2,470,056 Hindu, 1,357,647 Mohammedaner, 585,877 Sikh, 7238 Dschain, 780 Christen. Verschiedene Nationen und Rassen gibt es im P., mehr als irgendwo sonst in Indien, da über die westliche Grenze alle Einwanderer und Eroberer zuerst einbrachen. Allein 5,022,839 gehörten 1901 zu dem Stamm der Dschat (s. d.). Die Sprache ist im O. des Indus Hindi (s. d.) in der Pandschabi (als heilige Sprache der Sikh Gurmukhi) genannten Mundart (Grammatik von Leach, Bombay 1838; Wörterbuch von Starkey, Kalkutta 1850); sie wurde 1891 vun 15,748,469 Bewohnern gesprochen; dann Hindustani (4,157,968), jenseit des Indus wird im N. Paschtu (1,057,853), die Sprache der Afghanen, ferner Dschatki (1,899,922) in der Südwestecke des P., Pasari (1,523,073) östlich vom Kangratal, im S. Belutschi (35,550), im Nordhimalaja Kashmiri (28,415), englisch von Beamten, Soldaten u.a. (33,774) gesprochen. Die Schrift ist persisch. Das Schulwesen hat unter englischer Herrschaft erhebliche Fortschritte gemacht, doch waren 1901 noch immer 11,284,440 männliche und 10,314,276 weibliche Personen Analphabeten. Die 1882 gegründete Pandschab-Universität wurde 1903 von 1331 Hörern besucht. Daneben bestehen 10 Colleges, 283 Sekundär- und 1787 Elementarschulen, sämtlich von der Regierung unterhalten, und 5860 Privatschulen, ferner 6 Seminare etc., zusammen (1894) 9326 Schulen (1373 für Mädchen) mit 261,425 Schülern. Es bestehen 29 wissenschaftliche Gesellschaften, und es erscheinen 179 Zeitungen in verschiedenen Dialekten. Der Ackerbau ist mit der Verdichtung des Kanalnetzes, der Anlage von Brunnen etc. zur Bewässerung in schneller Zunahme begriffen; der Sirhind-Kanal (Kosten fast 40 Mill. Rupien) hat allein über 700 km Haupt- und 4335 km Verteilungsstrecken. 1893 wurden 2,826,415 Hektar künstlich bewässert. Angebaut waren 1903: 22,705,117 Acres (4,11 Proz. des ganzen Areals), noch anbaufähig 22,808,970 Arres und 8,294,846 Acres gänzlich unfruchtbar, während über 86,749,771 Acres freilich eine Schätzung überhaupt fehlt. Mit Wald waren 3,515,204 Acres bedeckt, wovon 147,270 unter Staatsreserve. Hauptfrucht ist Weizen (fast ein Drittel der Gesamtproduktion ganz Indiens); 1903 waren bestellt mit Weizen 6,413,796, mit Reis 605,895, mit Hülsenfrüchten und anderm Getreide 8,760,997, mit Ölsaaten 809,190 Acres. Außerdem baut man Baumwolle, Zuckerrohr, Indigo, Tabak, Tee (9984 Acres im Distrikt Kangra). Am fruchtbarsten sind die Ebenen östlich von Lahor, die nur ein Viertel des Gesamtareals, aber die Hälfte der Kulturen und nahezu die Hälfte der Bevölkerung enthalten. Der Viehbestand betrug 1894: 269,672 Pferde, 541,207 Maulesel und Esel, 10,631,506 Rinder, 2,661,956 Büffel, 6,798,354 Schafe und Ziegen und 218,329 Kamele. Die Industrie ist außer zwei Baumwollfabriken (in Dehli) mit 21,642 Spindeln und 154 Webstühlen, einer Wollzeugfabrik, Zuckermühle und Seidenhaspelanstalt ausschließlich Hausindustrie, am bedeutendsten ist darunter die Baumwollindustrie (1,329,674 Arbeiter); außerdem werden Arbeiten in Holz, Eisen, Leder, Gold- und Silberborten, Seide und Schals in Nachbildung der berühmten Kaschmirschals hergestellt, ferner ausgezeichnete Goldschmiedewaren. In neuester Zeit sind große Bierbrauereien im äußern Himalaja errichtet worden. Der Handel konzentriert sich in Lahor, Amritsar, Multan, Ambala und Dehli. Eingeführt werden über die Landgrenzen Bauholz, Ghibutter, Farbstoffe, Ziegenhaare, Rohseide, Früchte, Pelzwerk, Federn, Schals; ausgeführt Indigo, Getreide, Metalle, Salz, Gewürze, Tee, Tabak, Baumwollenzeuge, Leder. Der Handel mit Europa nimmt seinen Weg über Karatschi und Bombay; eingeführt werden namentlich Tuch, Metallwaren und andre Fabrikate. Eisenbahnen durchziehen das P. in einer Länge von 3328 km in allen Richtungen. Dampfer befahren den Indus sowie den Satledsch zur Regenzeit bis Firozpur, die Gesamtlänge der schiffbaren Flußstrecken beträgt 4296 km, die de: fahrbaren Straßen (1903) 36,150 km, darunter nur 3200 km Chausseen. Die Verwaltung der Provinz wird geleitet von einem Leutnant-Gouverneur ohne eine Gesetzgebende Versammlung. Eingeteilt wird die Provinz in neun Divisionen: Dehli, Hissar, Ambala, Dschalandhar, Amritsar, Lahor, Rawalpindi, Multan und Deradschat. Die Polizeimannschaft besteht aus 716 Offizieren und 19,147 Mann. Das Militär, ein Teil der Bengalarmee, ist stationiert in 36 Städten, Kantonnements und militärischen Stationen und zählt 33,967 Mann (15,554 Europäer, 18,313 Inder) mit 96 Geschützen. Außerdem bestehen Freiwilligenkorps in Lahor und Simla, zusammen 2120 Mann. Die Herrscher von Patiála, Baháwalpur, Dschind, Nabha, Kapúrthala, Faridkot und Maler Kotla stellen zusammen 844 Reiter, 2911 Mann zu Fuß, 347 Transportmannschaften, 1257 Mann Kameltruppen etc. Die Eingebornenstaaten zerfallen in drei Gruppen: 10 Staaten der östlichen Ebenen, Baháwalpur auf den westlichen Ebenen und 25 Bergstaaten. Die wichtigsten unter den Staaten der ersten Gruppe sind Patiala (1901: 1,596,692 Einw.), Dschind (282,003), Nabha (297,949), Kapúrthala (314,351); Baháwalpur hat 720,877 Einw.; von den Bergstaaten sind die bedeutendsten Mandi (174,045), Nahan (135,687), Tschamba (127,834), Faridkot (124,912), der kleinste, Dadhi, hat nur 170 Einw. Mohammedaner sind die Fürsten von Baháwalpur, Máler Kotla, Partaudi, Loharu und Dudschana, Sikh die von Patiála, Dschind, Nabha, Kapúrthala und Faridkot, die übrigen Hindu, mei st Radschputen. – In das P., bei den alten Indern Pantschanada, drangen fremde Eroberer von W. her immer zuerst ein, so Alexander d. Gr., die Skythen, Afghanen, Tataren, Mongolen. Dann stand das P. seit 1500 unter der Herrschaft der Sikh, die seit 1606 in fortwährenden Kämpfen mit dem Großmogul, den Persern und den Afghanen fast vernichtet wurden, bis die Engländer 1846 die Sikh vollständig besiegten. Im P. besitzt England das natürliche Ausfalltor gegen Afghanistan und Kaschmir sowie ein festes Bollwerk gegen Angriffe von Russisch-Asien her. Hasan Abdal, östlich von Attok, ist durch starke Werke an beiden Ufern des Indus gesichert worden. Vgl. den jährlich in Lahor erscheinenden »Punjab administrative Report«; Griffin, The Rajas of the Punjaub, history, etc. (2. Aufl., Lond. 1873); Latif, History of the Panjab (das. 1876); Thorburn, Punjab in peace and war (das. 1904); Emil Schmidt im 2. Bande von Helmolts »Weltgeschichte« (Leipz. 1902).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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