- Atmosphäre [1]
Atmosphäre (Dunsthülle, Dunstkreis, Luftkreis), die einen Körper umgebende gasförmige Hülle, insbes. die Lufthülle, die unsre Erde umgibt und auf ihrer Bahn durch den Himmelsraum begleitet. Ob die übrigen Planeten sowie die Sonne und der Mond eine ähnliche A. besitzen wie die Erde, ist lange zweifelhaft geblieben; doch kann man annehmen, daß die meisten dieser Gestirne eine A. haben. Der Mond besitzt keine A. oder eine von ganz unbedeutender Dichte. Die A. der Erde ist ein Gasgemenge, das, wie alle Gase, das Bestreben hat, sich auszudehnen. Infolgedessen würden sich seine Teilchen durch den ganzen Weltraum verbreiten, wenn sie nicht durch die Anziehungskraft der Erde daran verhindert würden. Die A. hat, wie die Erde selbst, im großen und ganzen die Gestalt einer Kugel, die an den Polen abgeplattet ist. Diese Abplattung ist sowohl eine Folge der Erdrotation, an der die A. teilnimmt, als auch der verschiedenen Temperaturverteilung. Die Abplattung der A. ist wegen der leichtern Verschiebbarkeit ihrer Teilchen stärker als die der Erde, kann aber nicht durch eine bestimmte Zahl angegeben werden. Aus der Erscheinung der Dämmerung, die zuerst Alhazen, später Kepler, de la Hire, Lambert und Behrmann benutzt haben, die Höhe der A. abzuleiten, ergibt sich dieselbe, wenigstens soweit sie eine lichtreflektierende Kraft besitzt, zu 60–80 km. Die Anwendung der Elastizitätsgesetze auf die A. führt zu der Vorstellung von einer stetigen Abnahme der Dichtigkeit der Luft, die erst da aufhören wird, wo die Schwerkraft der Erde der Zentrifugalkraft das Gleichgewicht hält. Diese Betrachtungen, die zuerst von Halley, später von Mariotte, de Luc und Laplace durchgeführt sind, geben für die Höhe der A. ein viel größeres Resultat als das aus den Dämmerungserscheinungen abgeleitete. Aus der Annahme, daß die Dichtigkeit in den obern Schichten der A. nach demselben Gesetz abnimmt wie in den untern, folgt jedoch, daß, was von Luft über 80–90 km hinausgeht, ein verschwindend kleiner Bruchteil der übrigen A. ist, und daß man deshalb für gewöhnlich die Höhe der A. zu 80–90 km annehmen kann. Es beträgt der
Daß aber die A., wenn auch bei äußerst geringer Dichte, eine sehr viel größere Höhe besitzen muß, geht daraus hervor, daß die aus dem Weltraum stammenden Sternschnuppen, die sich erst in unsrer A. durch Reibung entzünden, in Höhen von mehr als 200 km beobachtet sind, so daß man auch dort noch das Vorhandensein von Luft voraussetzen muß. Ebenso deuten die Erscheinungen der leuchtenden Wolken darauf, daß die A. höher als 80 km sein muß, und wenn das Polarlicht einen Beweis für das Vorhandensein von Luft bietet, so deutet dasselbe auf eine Höhe der A. von 200 km. Auch aus den theoretischen Untersuchungen von Kerber, der die A. als ein optisches System brechender Medien betrachtet, ergibt sich die Höhe der A. über 200 km.
[Chemische Beschaffenheit.] Bis 1894 wußte man nur, daß die Luft aus Sauerstoff, Stickstoff und Kohlensäure bestehe, und erst 1895 fanden Rayleigh und Ramsay einen neuen Bestandteil: Argon, später entdeckte Ramsay noch das Helium, Krypton, Neon und Metargon. Letztere vier Stoffe sind aber nur in verschwindend kleinen Mengen vorhanden, so daß man sie vernachlässigen kann. Trockne Luft der A. besteht aus
Der Gehalt der Luft an Sauerstoff ist überall auf der Erdoberfläche und mindestens bis 6 km Höhe der gleiche; so fand man zu Tromsö 20,92 Proz., Dresden 20,90, Bonn 20,92, Cleveland (Nordamerika) 20,93, Pará (Südamerika) 20,89 Proz.; die extremsten Werte (auch Waldluft eingeschlossen) sind 21 und 20,86 Proz. für die Luft im Freien, während in Gebäuden der Gehalt bis etwa auf 20,65 Proz. sinken kann. Der Kohlensäuregehalt beträgt nur 0,03 Proz. im Mittel oder 30 Lit. in 100 cbm Luft; für Paris wurde gefunden ein Maximum im Dezember mit 30,4 L., Minimum im Juli mit 29,2 L., im Freien 28,4 L., in der Stadt 31 L. Die Luft über der Ostsee hat einen Gehalt von 29,2 L. (Extreme 34 und 22), am Kap Horn 25,6 L., auf dem Atlantischen Ozean 26,8 L. Der Gehalt an Kohlensäure ist bei Nacht etwas größer als am Tage, auf der Nordhalbkugel (28,2) größer als auf der Südhalbkugel (26,6), bei niedriger Temperatur größer als bei höherer, unten größer als in der Höhe (Pic du Midi in 2880 m 27,8 L., unten in 600 m 28,2 L.). Der Luft ist auch Ammoniak beigemischt, z. B. im Park von Montsouris bei Paris 2 mg in 100 cbm, fast ohne Unterschied der Jahreszeit, und auf dem Pic du Midi 1,35 mg. In Montsouris schwankte der Ammoniakgehalt des Regens 1881–90 zwischen 2,70 und 1,32 mg auf ein Liter Wasser; der Unterschied zwischen Stadt und Land ist hierbei sehr groß, denn Smith fand für den Regen in England in der Stadt 5,14 mg, auf dem Lande 0,97 mg. Das Ozon ist ungefähr in gleicher Menge wie Ammoniak in der A. vorhanden. An Verunreinigungen enthält die A. schweflige Säure, Schwelsäure u. salpetrige Säure (Industriegegenden), Wasserstoff (0,02 Volumprozente), Schwefelwasserstoff, Kohlenwasserstoffe, Wasserstoffsuperoxyd etc.; ein Teil dieser Gase stammt aus Fäulnisprozessen im Tier- und Pflanzenreich, aus der Atmung der organischen Welt, Verbrennungsprozessen etc.
[Durchsichtigkeit.] Die Durchsichtigkeit hängt ab von der Reinheit der Luft, d. h. von der Abwesenheit fremder Beimischungen (Rauch, Staub, Nebel), und von der optischen Gleichartigkeit der Luft; man kann daher die Durchsichtigkeit je nach der mechanischen und optischen Trübung der A. beurteilen. 1) Mechanische Trübung. Der durch den Wind vom Boden aufgejagte Staub wird durch die infolge Erwärmung aufsteigende Luft je nach der Schwere seiner Teilchen in verschieden große Höhen hinausgetragen. Auch Rauchteilchen, die außer durch die gewöhnlichen Heizzwecke durch Gras- und Waldbrände sowie durch das Moorbrennen erzeugt werden, ferner Salzstäubchen, die beim Wellenschlag emporgeschleudert werden, trüben die Schichten der A. je nach deren Höhe, so daß die mechanische Trübung auf Bergen geringer ist als unten. Hierdurch wird die Aussicht von Bergen in die Ebene hinab sehr vermindert, da man aus den weniger trüben Schichten in die stärker getrübten blickt; daher empfiehlt es sich, Aussichtspunkte dann zu besuchen, wenn Regen die A. ausgewaschen hat. Aitken fand mit seinem Staubzähler am Monte Mottorone bei Baveno in 1 ccm Luft:
In Städten ist die Zahl der Staubteilchen sehr groß, im Winter (Heizung) bis zu 500,000. Im Durchschnitt kann man in 1 cbm Stadtluft 5 mg Staub annehmen, d. h. eine 1 m dicke Schicht über dem Weichbilde Berlins würde über 300 kg Staub enthalten. Bei gleicher Luftfeuchtigkeit ist das Produkt aus der Stäubchenzahl und der Weite der Fernsicht eine nahezu konstante Zahl. Mit zunehmender Feuchtigkeit nimmt die Durchsichtigkeit ab, wahrscheinlich, weil die Teilchen durch den sich an sie ansetzenden Wasserdampf vergrößert werden. Bei 400 Teilchen in 1 ccm beträgt die Grenze der Fernsicht etwa 400 km, bei 5000 aber kaum 25 km. 2) Die optische Trübung wird bewirkt durch Mischung verschieden warmer und verschieden feuchter Luft, wie bei Wetterumschlägen, ferner durch das Spiel auf und ab steigender seiner Luftströmchen oder Luftfäden, wie es an heißen, sonnigen Tagen beobachtet wird, und durch Reflex des Lichtes an den Luftmolekülen (s. nächsten Abschnitt). Im ersten Fall nähert sich die Luft der Kondensationsgrenze und bildet undurchsichtigere Schichten; im zweiten Fall tritt fortwährende Ablenkung der Lichtstrahlen ein (Flimmern der Luft); im dritten erscheint die Luft selbst beleuchtet und verschleiert die Ferne. Da das Licht polarisiert ist, gestattet ein Nicolsches Prisma (s. d.) eine klare Fernsicht. Gemessen wird die Durchsichtigkeit der A. entweder mittels des Diaphanometers (s. d.) oder durch direkte Beobachtung irdischer Gegenstände, deren Entfernung man kennt. Vgl. Melander, Sur la condensation de la vapeur d'eau dans l'atmosphère (Helsingf. 1897).
[Himmelsfärbung.] Die älteste Theorie über die blaue Farbe des Himmels gab Leonardo da Vinci in seinem »Trattato della pittura«; seitdem sind viele andre, namentlich von Newton, Muncke, Nichols, Clausius, Brücke etc., aufgestellt, die aber niemals alle Erscheinungen befriedigend erklären können. Dies vermag die jetzt allseitig anerkannte Theorie von Lord Rayleigh (1871). Treffen Sonnenstrahlen, die sich in Wellenbewegung fortpflanzen, auf kleinste Teilchen, die in der A. Trübung hervorrufen, so werden diese Teilchen zum Selbstschwingen angeregt und bilden so Erzeugungsmittelpunkte neuer Wellen. Die mathematische Berechnung ergibt, daß das von den Teilchen ausgehende oder, wie man auch sagen kann, reflektierte Licht hinsichtlich seiner Intensität der vierten Potenz der Wellenlänge des auf das Teilchen treffenden Lichtes umgekehrt proportional ist, d. h. das reflektierte Licht ist um so intensiver, je kleiner die Wellenlänge des ursprünglichen Lichtes ist, oder das kurzwellige blaue Licht wird stärker reflektiert als das langwellige rote. In dem vom Himmel reflektierten Licht ist
Es muß daher die blaue Farbe überwiegen. Die Theorie von Rayleigh ist gültig für Teilchen, die kleiner als 0,00035 mm, d. h. kleiner als die kleinste in Betracht kommende Wellenlänge, sind. Teile, die eine Wellenlänge mehrfach übertreffen, reflektieren nach den gewöhnlichen Reflexionsgesetzen, weißes Licht also auch wieder weiß; je trüber daher die A. ist, um so mehr herrscht die weiße Farbe vor. Später (1899) hat Rayleigh gezeigt, daß man an die Stelle fremder Teilchen die Luftmoleküle selbst setzen kann, welche die Reflexion bewirken; die Luft an sich ist aber nicht blau (s. Cyanometer). – Über Luftdruck, Luftelektrizität, Luftfeuchtigkeit, Lufttemperatur und Wind s. die betreffenden Artikel.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.