Luftelektrizität

Luftelektrizität

Luftelektrizität. An heitern, ruhigen, niederschlagsfreien Tagen erscheint die atmosphärische Luft positiv elektrisch geladen, ein Punkt in der Luft positiv elektrisch im Vergleich zum Erdboden, oder anders ausgedrückt: ein oberhalb der Erdoberfläche befindlicher Punkt besitzt ein höheres elektrisches Potential (höhere elektrische Spannung) als die Erdoberfläche selbst. Dieses Potential wird um so größer, je hoher sich der untersuchte Punkt über die Erdoberfläche erhebt, während keine Änderung in den beobachteten Werten eintritt, wenn man Punkte in derselben horizontalen Ebene untersucht. Es hat sich ergeben, daß die Erde selbst eine negative Ladung besitzt, und daß die in der Luft beobachtete positive elektrische Spannung als Influenzwirkung der Erde zu betrachten ist. Man kann die geschilderten Verhältnisse als die normalen ansehen und bezeichnet sie oft mit Schönwetterelektrizität, da der umgekehrte Zustand fast nur bei Fallen von Niederschlägen oder bei größern elektrischen Störungen, wie Gewittern, einzutreten pflegt. Unter normalen Verhältnissen befindet sich also über der negativ geladenen Erde ein elektrisches Feld, in dem die luftelektrischen Niveauflächen (Äquipotentialflächen, Flächen gleicher Spannung), d.h. diejenigen horizontalen Flächen, in denen alle Punkte gleiches elektrisches Potential (gleiche elektrische Spannung) haben, parallel der Erdoberfläche verlaufen.

Die Messungen, durch die man eine Übersicht über die luftelektrischen Erscheinungen zu gewinnen versucht hat, waren anfangs wesentlich nur solche qualitativer Art. Erst durch W. Thomson wurden genauere quantitative Messungen eingeführt, die auch die so notwendige Vergleichbarkeit der Beobachtungen untereinander ermöglichten. Die zu bestimmende Größe war von jetzt ab scharf definiert, es war das Potentialgefälle, d.h. die Änderung, die das Potential an einem Punkte der Atmosphäre nach oben zu für eine Vertikalzunahme von 1 m erfährt, ausgedrückt in Volt (gewöhnlich bezeichnet mit (dv)/(dn), in Volt/Meter).

Zur Beobachtung der L. bediente man sich zuerst meist metallischer Spitzen, die auf mehr oder weniger hohen Stangen (Wetterstangen) isoliert aufgestellt waren oder auch wohl durch Drachen hochgeführt wurden. Von diesen Spitzen aus führte ein seiner Zuleitungsdraht zu den Beobachtungsapparaten. Volta führte einen brauchbaren Meßapparat in Gestalt seines Strohhalmelektroskops ein und verwandte auf den Wetterstangen statt der metallischen Spitzen Flammen und glimmende Lunten, durch die das luftelektrische Potential eines Punktes der Luft viel schneller angegeben wird. Man gebraucht jetzt zur Messung des Potentialgefälles gewisse Vorrichtungen (Kollektoren), die sich zu dem Potential der sie unmittelbar umgebenden Luftschicht aufladen, und mißt die Potentialdifferenz (Spannungsunterschied) zwischen einem solchen Punkte der Luft und der Erde (deren Potential man gleich Null annimmt) oder zwischen zwei um eine bestimmte vertikale Strecke übereinander befindlichen Punkten mit Hilfe eines Elektroskops oder Elektrometers. Aus den so erhaltenen Zahlen und dem Abstande des untersuchten Punktes von der Erde oder von jenem zweiten Punkt ist das Potentialgefälle für 1 m ohne weiteres zu berechnen.

Die Wirkung der Kollektoren, wie z. B. der Flammen und glimmenden Lunten, besteht darin, daß die Partikelchen der aufsteigenden Verbrennungsgase die eine Art der von der Erde influenzierten Elektrizität wegführen, bis deren Dichtigkeit gleich Null ist, während die andre Art zurückbleibt. Sie geben dann das Potential derjenigen Luftschicht an, die direkt über den Flammenspitzen liegt. Statt der Flammen und Lunten, die nicht für jede Witterung und insbes. auch nicht für den permanenten Gebrauch geeignet sind, hat W. Thomson 1851 den Wasserkollektor eingeführt, der in einem isoliert aufgestellten Metallgefäß besteht, aus dem durch ein seitlich angeschraubtes Ausflußrohr Wasser ausfließen kann. Ein solches Gefäß wird auf das Potential desjenigen Punktes geladen, an dem der ausfließende Wasserstrahl sich zu seinen Tröpfchen zerteilt, es wirkt also genau in derselben Weise wie die Flamme. In letzter Zeit wendet man auch Kollektoren mit einer winzigen Menge einer radioaktiven Substanz an, welche die Luft ihrer unmittelbaren Umgebung stark leitend macht, wodurch eine Ausströmung der Elektrizität der einen Art ermöglicht wird.

Zum Nachweis des Potentialgefälles, das diese Kollektoren angeben, dient ein Elektroskop nach Exner oder ein Quadrantenelektrometer. Ersteres ist wegen seiner großen Handlichkeit sehr geeignet für Beobachtungen auf Reisen, während letzteres mehr für eine feste Ausstellung und vor allem auch für kontinuierliche Beobachtungen und Registrierungen eingerichtet ist. Das Exnersche Elektroskop (Fig. 1) besteht aus einem ringförmigen metallischen Gehäuse a, dessen Vorder- und Rückwand durch Glasfenster abgeschlossen ist. Ein mit Klemme versehenes Metallstäbchen, das von oben durch eine sehr sorgfältige Hartgummi- oder Bernsteinisolierung in das Innere führt, trägt an einer Verlängerung, einem gut polierten Metallstreifen, zwei Blättchen b b aus Aluminium. Verbindet man nun die Klemme mit dem Kollektor, etwa einer auf einem Hartgummistock isoliert aufgestellten Flamme, und das metallene Gehäuse mit der Erde, so werden die Aluminiumblättchen mehr oder weniger stark ausschlagen.

Fig. 1. Exners Elektroskop, links mit zusammengeschobenen Backen, rechts mit freien Aluminiumblättchen.
Fig. 1. Exners Elektroskop, links mit zusammengeschobenen Backen, rechts mit freien Aluminiumblättchen.

Ihre Divergenz ist an einer Skala nn abzulesen, auf der sich eine empirische Teilung für den Bereich von etwa 50–250 Volt befindet. Zum Schutze der Blättchen beim Transport sind noch die Backen ff angebracht, die von außen bis nahe an die Blättchen herangeführt werden können.

Das Quadrantenelektrometer nach Thomson, das auch zur photographischen Registrierung des Potentialgefälles in einer von Mascart-Paris abgeänderten Form viel gebraucht wird, ist von Benndori-Wien als ein mechanisch registrierendes Instrument hergestellt worden. Der Kollektor ist mit der zwischen zwei Quadrantenpaaren schwebenden Nadel des Elektrometers verbunden, während die Quadrantenpaare durch eine konstante Batterie auf entgegengesetzt gleichem Potential gehalten werden (etwa ±50 bis 100 Volt). Mit der Elektrometernadel fest verbunden ist ein langer Zeiger, der in bestimmten Zwischenräumen (etwa jede Minute oder alle 2 oder auch alle 10 Minuten) durch ein Hebelwerk heruntergedrückt wird; hierdurch werden Marken auf einem durch Uhrwerk getriebenen Papierstreifen hervorgerufen, über den ein Blauband gelegt ist. Das Hebelwerk seinerseits wird durch einen Elektromagneten heruntergezogen, der mittels einer besondern Kontaktvorrichtung am Uhrwerk durch eine zweite Batterie geschlossen werden kann.

Die Potentialwerte nehmen mit wachsender Höhe zu, wenigstens soweit es sich um Messungen in der Nähe der Erdoberfläche handelt. Bei Bergkuppen ist diese Zunahme auf die Längeneinheit sehr viel beträchtlicher als in der Ebene, da sich die Niveauflächen bei allen Erhebungen über die Erde, also bei Bergen, Bäumen, Türmen, Häusern etc., zusammendrängen, wie aus Fig. 2 ersichtlich ist: derselbe Unterschied in den Potentialwerten verteilt sich bei a und b auf eine weit größere Strecke als direkt über dem Turm bei a' und b', die Zunahme über letzterm ist also auf die Längeneinheit weit größer als bei a und b. Umgekehrt rücken die Niveauflächen bei Einsenkungen weiter auseinander, es herrscht hier also kleineres Potentialgefälle. Jene Zusammendrängungen über herausragenden Punkten nehmen nun mit der Höhe wieder ab, so daß in einer bestimmten Entfernung über dem Beobachtungsort wieder ein normaler, horizontaler Verlauf der Niveauflächen eintritt.

Fig. 2. Schematische Darstellung der durch Unebenheiten der Erdoberfläche gestörten Niveauflächen der luftelektrischen Potentiale.
Fig. 2. Schematische Darstellung der durch Unebenheiten der Erdoberfläche gestörten Niveauflächen der luftelektrischen Potentiale.

Nahe der Erdoberfläche ist das Potentialgefälle ein lineares, d.h. die Spannungsabnahme ist an allen Punkten für dieselbe Längeneinheit annähernd die gleiche. So fand Exner-Wien für einen auf weitere Entfernung annähernd ebenen Beobachtungsort folgende Werte:

Tabelle

Trägt man sich diese Werte graphisch auf, so findet man in der Tat einen nahezu linearen Verlauf (Fig 3 A, S. 804). Aus demselben berechnet sich ein mittleres Potentialgefälle von etwa 68 Volt, Meter. Auf einem 1870 m hohen Berg fand Exner dagegen folgende Verhältnisse:

Tabelle

Auch hier findet sich, wie aus Fig. 3 B ersichtlich, ein linearer Verlauf, doch ist die Zunahme des Potentials für das Meter erheblich größer, das mittlere Potentialgefälle beträgt hier ungefähr 318 Volt/Meter. Hieraus folgt, daß die absoluten Werte des Potentialgefälles verschiedener Beobachtungsorte untereinander nicht ohne weiteres vergleichbar sind. Will man vergleichbare Werte haben, so müssen sie noch durch Vergleichsbeobachtungen auf die freie Ebene, d.h. auf normale Verhältnisse, reduziert werden.

Beobachtungen im Ballon haben ergeben, daß in größern Höhen über der Erdoberfläche der Verlauf des Potentialgefälles nicht mehr ein linearer ist, sondern mit der Höhe abnimmt. Bei 3000 m beträgt es nur noch etwa 10–20 Volt, Meter, in fast 6000 m nur noch ungefähr 8 Volt. Meter. Diese Angaben beziehen sich jedoch nur auf die Verhältnisse bei klarem, wolkenlosem Himmel; bei Anwesenheit von Wolken sind die Erscheinungen sehr verschiedenartig, da die Wolken sowohl als elektrisch neutrale, wie auch als positiv oder negativ elektrische Gebilde auftreten können.

Fig. 3. Potential an der Erdoberfläche (für Beobachtungen auf einer Ebene und einem Berg). A Ebene, B Berg.
Fig. 3. Potential an der Erdoberfläche (für Beobachtungen auf einer Ebene und einem Berg). A Ebene, B Berg.

Das bisher über die normale L. Gesagte scheint allgemein für die ganze Erde zu gelten. Freilich ist die Anzahl der Orte, von denen Beobachtungen vorliegen, noch recht spärlich, und von den großen Gebieten der Ozeane sind erst ganz vereinzelte Messungen vorhanden. Für unsre Breiten ergibt sich ein Mittelwert von etwa 80 Volt/Meter für den Sommer und von 400–500 Volt, Meter für den Winter. Das Potentialgefälle ist an ein und demselben Ort mehrfachen Schwankungen unterworfen. Sehr deutlich tritt eine jährliche Periode hervor. Das Maximum der L. fällt in die kälteste Jahreszeit (Dezember, Januar, Februar auf der nördlichen, August auf der südlichen Halbkugel), das Minimum in die wärmsten Monate (Juni, Juli, August auf der nördlichen, Dezember, Januar, Februar auf der südlichen Halbkugel). Batavia zeigt zwei Maxima, das eine im April, das andre im November, und dementsprechend auch zwei Minima, von denen das Hauptminimum in den September fällt, ein sekundäres in den Februar.

Die Amplitüden des jährlichen Ganges, d.h. die Unterschiede zwischen den größten und kleinsten Werten, sind an den einzelnen Orten sehr verschieden. Für Potsdam ergibt sich eine Schwankung von 1: 2,3, für Kremsmünster von 1: 2,2. Eine sehr geringe Schwankung zeigt bemerkenswerterweise die Station auf dem Sonnenblick, in 3106 m Höhe, wo das Verhältnis 1: 1,18 wird. Auch findet sich hier eine sehr deutliche Verspätung der Eintrittszeiten der Extreme gegen die niedriger gelegenen Stationen.

In der täglichen Periode finden sich Orte mit einer einfachen und solche mit einer doppelten täglichen Periode. Zu erstern gehören meist hochgelegene Orte, wie z. B. fast alle Bergstationen. Das Minimum pflegt hier in den frühesten Morgenstunden (gegen 4 Uhr vormittags) einzutreten, das Maximum in der Zeit von 2–4 Uhr nachmittags. Dabei ist die Amplitüde gewöhnlich eine sehr geringe.

Fig. 4. Monatskurven des luftelektrischen Potentialgefälles in Potsdam 1904.
Fig. 4. Monatskurven des luftelektrischen Potentialgefälles in Potsdam 1904.

Auch in den Polargegenden, wie z. B. in Kap Thordsen, fand sich eine ausgesprochen einfache tägliche Welle.

Die doppelte tägliche Periode zeigt sich mehr bei den Stationen, die in der Ebene liegen. Die Maxima stellen sich hier zur Zeit des Sonnenaufgangs und -Untergangs ein; ein Hauptminimum fällt auf 4 Uhr morgens, ein sekundäres auf die ersten Nachmittagsstunden. Bemerkenswert ist die sehr konstante Lage des Minimums um 4 Uhr früh, das sich sowohl in der einfachen als in der doppelten Periode zeigt.

Auch die täglichen Gänge sind an verschiedenen Orten von sehr verschiedener Amplitüde. Worauf diese Verschiedenheiten wie auch diejenigen bezüglich der Extreme zurückzuführen sind, ist mit Sicherheit noch nicht zu sagen. Daß die Sonne eine größere Rolle dabei spielt, erscheint zweifellos, unentschieden ist aber noch, ob die Wirkung eine direkte oder eine mehr indirekte ist. Nach Chauveau-Paris besteht die eigentliche, wahre tägliche Periode nur in einer einfachen Welle, die ihr Minimum gegen 4 Uhr morgens, ihr Maximum am Tage hat, zu einer Zeit, die noch nicht genau bestimmt ist. Die in den Beobachtungen hervortretenden zweiten Maxima und Minima sind nach seiner Ansicht nur dem Erdboden und der Umgebung des Aufstellungsortes des Instruments zuzuschreiben. Auch Exner-Wien hält die einfache tägliche Periode für die normale und schreibt die doppelte Periode einer Mittagsdepression zu, die besonders kräftig im Sommer und in heißen, trocknen Gegenden aufzutreten pflegt, und die durch eine mehrere hundert Meter hohe Staubschicht hervorgerufen wird, welche sich in den ersten Nachmittagsstunden mit der aufsteigenden Luftströmung bildet. Eine unverkennbare Analogie ist im täglichen Gange des Luftdrucks und den luftelektrischen Erscheinungen vorhanden. Manches deutet darauf hin, daß die die tägliche Periode bedingenden Kräfte in den untersten Luftschichten, vielleicht den ersten 300–500 m, zu suchen sind. Vielleicht aber machen sich bei Bestimmung der täglichen Periode auch lokale Einflüsse des Beobachtungsorts geltend, d.h. die mehr oder weniger nahe Ausstellung des Instruments am Erdboden und die Nachbarschaft von Häusern, Bäumen u. dgl.

Auch in den einzelnen Monaten ändert sich der tägliche Gang des Potentialgefälles nicht unerheblich, wie aus Fig. 4 hervorgeht, in der die täglichen Gänge des Potentialgefälles in Potsdam im Monatsmittel nach den Registrierungen an normalen (trocknen, wolkenlosen) Tagen wiedergegeben werden. In den Wintermonaten sieht man schon die Annäherung an eine einfache Periode, in den Sommermonaten eine stark ausgeprägte doppelte Periode. Eine eigentümliche, völlig unbestimmte Form zeigt die Kurve für März.

Fig. 5 gibt eine Reproduktion mehrerer, mit einem mechanisch registrierenden Benndorfschen Quadranten-Elektrometer erhaltenen Kurven des Potentialgefälles. Die einzelnen Registrierpunkte liegen dabei nur 2 Minuten auseinander. Man ersieht aus den beiden Kurven A und B sofort auch den deutlichen Unterschied von Winter- und Sommertypus: die Amplitüde bei letzterm ist erheblich größer, auch nähert sich die Periode einer einfachen Welle, während sie beim Sommertypus (B) eine ausgesprochen doppelte ist.

Störungen im elektrischen Felde machen sich in den Registrierungen durch unregelmäßige, oft sehr rasche und starke Schwankungen um die Ruhelage, also von wechselndem positiven und negativen Vorzeichen, bemerkbar. Die stärksten Schwankungen pflegen bei nahe vorüberziehenden Gewittern oder auch Niederschlägen von gewitterartigem Charakter einzutreten. Beim Heranziehen derselben nimmt das normale positive Gefälle gewöhnlich in hohem Maße zu, springt dann aber meist nach der negativen Seite um, wenn die Regenwolke dem Beobachtungsort nahe gekommen ist, und bleibt auch noch eine Zeitlang negativ, wenn die Wolke schon vorbeigezogen ist. Zwischendurch finden freilich auch manchmal Zeichenwechsel statt, besonders wenn elektrische Entladungen erfolgen. In diesem Fall tritt stets ein sehr plötzlicher und heftiger Übergang von einem zum andern Vorzeichen ein. Dabei ist charakteristisch, daß das neue Vorzeichen hinterher eine Weile bestehen bleibt, um bei einem neuen Blitze sich abermals umzukehren. Nach Elster und Geitel kann man daraus schließen, daß sich die Wolke jetzt entgegengesetzt geladen hat, nachdem die eine Art Elektrizität durch den Blitz zur Entladung gekommen war. In welcher Weise die so auftretenden Elektrizitäten entstehen, bedarf noch weiterer Aufklärung. Immerhin erscheint es fraglos zu sein, daß die Niederschläge selbst eine wesentliche Rolle dabei spielen, und zwar insofern, als sie durch ihre Bildung eine Scheidung der beiden Elektrizitäten hervorrufen.

Fig. 5. Reproduktion von drei Registrierkurven: A Wintertypus, B Sommertypus, C Störungstag.
Fig. 5. Reproduktion von drei Registrierkurven: A Wintertypus, B Sommertypus, C Störungstag.

Mit dem Herunterfallen der Niederschläge wird also auch stets freie Elektrizität zur Erde gelangen, und zwar ist die Eigenelektrizität bald positiver, bald negativer Art, sie stimmt dabei durchaus nicht immer mit dem Vorzeichen des Potentialgefälles überein. Nach Gerdien-Göttingen lassen sich bezüglich ihrer elektrischen Eigenschaften drei Hauptgruppen der Niederschläge unterscheiden. Diese können als Landregen, Böenregen und Gewitterregen bezeichnet werden, wobei unter Landregen auch schwache, lange andauernde Schneefälle, unter Böenregen auch Graupel- und Hagelböen, unter Gewitterregen alle mit sinnlich wahrnehmbaren Entladungen verbundenen Niederschläge verstanden sind. Bei Landregen zeigt sich meist ein negatives Potentialgefälle, das bis zu 1–2000 Volt/Meter anwachsen kann; starke positive Felder treten selten auf. Die Niederschlagselektrizität selbst zeigt dabei wechselndes Vorzeichen, freilich wohl häufiger das negative als das positive. Bei Böenregen ist das Potentialgefälle periodisch wechselnd, es erreicht Werte bis zu 4–6000 Volt/Meter. Bei den meisten bisher beobachteten Böen zeigte sich beim Heranziehen zunächst starkes positives Gefälle; ob dies aber eine allgemeine Eigenschaft ist, konnte noch nicht entschieden werden. Die Eigenelektrizität der Niederschläge wechselt in ähnlicher Weise wie das Potentialgefälle. Gewitterregen zeigen häufig Feldstärken von über 10,000 Volt/Meter, die Änderungen erfolgen dabei sowohl in Stärke als in Vorzeichen oft in außerordentlich rascher Weise. Gewitter wirken manchmal auch noch auf sehr große Entfernungen, bis zu 40–50 km. Schneefälle sind gewöhnlich von rapiden und starken Schwankungen begleitet. Oft, wenn auch nicht immer, wird dabei auch eine Zunahme des positiven Potentialgefälles beobachtet, doch findet sie nicht in regelmäßiger Weise statt.

Die elektrische Wirkung von Nebel und Dunst ist sehr verschieden, wahrscheinlich je nach den meteorologischen Bedingungen, unter denen die Entstehung des Nebels erfolgt. Man kann zwei Haupttypen unterscheiden, von denen die eine von hohem, die andre von auffallend niedrigem Potentialgefälle begleitet wird. Zu der ersten Klasse gehören die dichten Winternebel, zur letzten die Bodennebel, die an den letzten Herbst- und ersten Wintertagen aufzutreten pflegen. Starke, rasche Schwankungen des Potentialgefälles können in beiden Fällen auftreten. Es gibt aber auch noch gewisse Arten von Nebel, bei denen fast gar keine Wirkung auf die elektrischen Apparate des Potentialgefälles bemerkbar ist. Auch nach der Art der Bewölkung ist der Verlauf des Potentialgefälles verschieden. Nach Zölß-Kremsmünster ist an Tagen mit einer dichten, gleichmäßigen Decke von Schichtwolken das Potentialgefälle oft sehr unregelmäßig und häufig negativ. Tage mit dunkeln Regenwolken, aus denen aber kein Niederschlag fällt, ergeben meist eine einfache tägliche Periode, doch sind die absoluten Werte sehr niedrige. Cumulus- und Cirrusbewölkung ändert an dem normalen Verhalten sehr wenig, weder an der täglichen Periode, noch an den absoluten Werten. Im allgemeinen ist das Potentialgefälle an bewölkten Tagen niedriger als an normalen. Diese Erniedrigung ist um so größer, je geringer die Höhe der Wolke über dem Erdboden ist. Bei Wolkenhöhen von etwa 1500 m ab macht sich ein erniedrigender Einfluß der Bewölkung kaum noch bemerkbar.

Wind scheint auf das Potentialgefälle nur dann eine Wirkung auszuüben, wenn er eine bestimmte, größere Stärke erreicht hat. Heftige, über trockne Gegenden oder Schnee- und Eisflächen streichende Winde haben fast immer eine starke Verminderung des normalen Gefälles im Gefolge, die bis zum Übergang zur negativen Elektrizität führen kann. Es scheint, als wenn diese Wirkung auf eine negative Eigenelektrisierung der Luft zurückzuführen ist.

Stellt man einen elektrisch geladenen Körper isoliert in der freien Luft auf, so verliert er allmählich seine Ladung trotz der Isolation. Man erklärte das allmähliche Entweichen der Elektrizität, die Zerstreuung, durch eine nicht zu vermeidende Ableitung über die Isolatorstützen, wobei kleinste Partikelchen von Staub, Rauch u. dgl., die stets in mehr oder weniger großer Zahl in der Luft enthalten sind, als Leiter dienen. Nach Linß ist aber die Luft selbst als Leiter zu betrachten, und er nimmt an, daß auch die Erde einen steten Verlust an ihrer elektrischen Ladung erleidet, sie würde sich in ungefähr 100 Minuten völlig entladen, wenn nicht ein stetiger Zufluß von neuer Elektrizität stattfände. Da die Ladung der Erde anscheinend stets konstant bleibt, so muß also auf irgend eine Weise in 100 Minuten ebensoviel negative Elektrizität wieder zugeführt werden, wie die Gesamtladung der Erde beträgt. Linß zog auch Schlüsse auf eine jährliche Periode; er konnte feststellen, daß sie im allgemeinen gerade entgegengesetzt derjenigen des Potentialgefälles sei.

Nach Elster und Geitel ist die atmosphärische Luft nicht als elektrisch neutral anzusehen, sie enthält vielmehr auch unter normalen Verhältnissen positiv und negativ geladene Teilchen, die sogen. Ionen (s. Ionentheorie, Bd. 9, S. 905). Da diese kleinsten Teilchen, einzelne freie Atome oder Atomkomplexe, mit einer elektrischen Ladung behaftet sind, so folgen sie den von einem elektrischen Körper ausgeübten Kräften in ganz bestimmter Weise, und zwar ist unter Einwirkung gleicher elektrischer Kräfte die Geschwindigkeit eines negativen Ions erheblich größer als die eines positiven. Untersuchungen über die Entstehung derartiger Ionen in der atmosphärischen Luft zeigten, daß namentlich Röntgenstrahlen und die von radioaktiven Substanzen ausgehenden Strahlen die Luft zu ionisieren vermögen. Ebenso bildet ultraviolettes Licht, also Licht von sehr kurzer Wellenlänge, Ionen. Da solches ultraviolette Licht in starkem Maße von leuchtendem Wasserstoffgas ausgesandt wird, und da sich auf der Sonne enorme Mengen von Wasserstoffgas haben nachweisen lassen, so liegt der Gedanke nahe, daß durch die ultravioletten Strahlen des Sonnenlichts eine kräftige Ionisierung besonders der höhern Luftschichten hervorgerufen wird. Die so erzeugten Ionen könnten nur durch die allgemeine Zirkulation der Atmosphäre auch zur Erde geführt werden.

Zur genauern Messung der luftelektrischen Zerstreuung wurde von Elster und Geitel ein Apparat konstruiert, der weite Verwendung gefunden hat. Er besteht in einem sogen. Zerstreuungskörper z (Fig. 6), einem geschwärzten Messingzylinder von 10 cm Höhe und 5 cm Durchmesser, der mit dem Stiel s derart auf ein Aluminiumblatt-Elektroskop e aufgesetzt ist, daß bei Durchgang des Stieles durch die obere Elektroskopöffnung o keine Berührung stattfindet. Da der metallische Blättchenträger t in der Bernsteinisolation i befestigt ist, so ist damit auch der Zerstreuungskörper z isoliert aufgestellt. Gegen äußere atmosphärische Einflüsse sowie zum Schutz gegen die Influenzwirkung des Erdfeldes dient ein Schutzdach aus ebenfalls geschwärztem Messingblech d, das den Zerstreuungskörper umschließt und den Zutritt der Luft nur von unten gestattet. Dadurch, daß man die Isolationsstelle in das Innere des fast ganz geschlossenen Elektroskops verlegt hat (das überdies noch durch metallisches Natrium auszutrocknen ist, das in das Röhrchen r eingeführt wird), und durch die Anwendung von Bernstein als Isolationsmittel konnte erreicht werden, daß der Isolationsverlust über die Stütze ein ganz verschwindend kleiner wurde, der in den meisten Fällen vernachlässigt werden kann.

Fig. 6. Zerstreuungsapparat nach Elster u. Geitel.
Fig. 6. Zerstreuungsapparat nach Elster u. Geitel.

Ladet man nun den Zerstreuungskörper bis zu einer gewissen Höhe (bis etwa 200 Volt, gewöhnlich mit Hilfe einer beigegebenen Zambonischen Trockensäule), so wird das Elektroskop einen dementsprechenden Ausschlag der Blättchen zeigen. Nach Verlauf einer bestimmten Zeit, meist genau 15 Minuten, liest man wieder ab und wird nun einen Spannungsabfall am Elektroskop konstatieren können, der mehr oder weniger beträchtlich ist, je nach der Zahl und Beweglichkeit der in der Luft enthaltenen positiven oder negativen Ionen. Wird der Körper positiv geladen, so wird seine Ladung durch die negativen Ionen zerstreut oder, besser ausgedrückt, neutralisiert, wird er negativ geladen, so durch die positiven Ionen. Auf solche Weise kann man also wenigstens relative Werte für die luftelektrische Zerstreuung erhalten.

Ein andrer Apparat, der auch für derartige Messungen bestimmt ist, wurde später von Ebert in München angegeben (Fig. 7). Bei ihm wird atmosphärische Luft durch ein von einem Uhrwerk getriebenen Aspirator a an einem Metallzylinder c vorbeigesaugt, der konaxial in einem weitern Metallrohr m steckt und direkt auf einem Aluminiumblatt-Elektroskop e sitzt (wie beim Apparat von Elster und Geitel). Auch bei diesem Apparat beobachtet man den Spannungsverlust, den der Zerstreuungskörper c in einer gewissen Zeit erleidet (hier ebenfalls meist 15 Minuten). Da die in dieser Zeit vorbeigesaugte Luft leicht zu bestimmen ist, so kann man aus dem Spannungsverlust und gewissen Konstanten des Apparats auf die Elektrizitätsmenge schließen, die in Form von Ionenladungen in 1 cbm Luft enthalten war. Der Ebertsche Apparat ist also mehr zu quantitativen Messungen geeignet als der Elster und Geitelsche. Allein auch der letztere hat seine außerordentlich große Bedeutung für die Erweiterung unserer Kenntnisse auf luftelektrischem Gebiete. So konnten die beiden Erfinder mit Hilfe ihres Zerstreuungsapparats in der unzweideutigsten Weise dartun, daß es sich bei den Entladungen elektrisch geladener, isoliert aufgestellter Körper nicht um eine Fortführung der Ladung durch Staub oder Wasserdampf handle, sondern daß man die Ursache in freien Ionen der Luft zu suchen habe. Ebenso haben die Messungen mit dem Zerstreuungsapparat ergeben, daß der mittlere Elektrizitätsverlust in der Ebene in einer Minute etwa 1,3 Proz. der Anfangsladung beträgt, und zwar hier für positive und negative Ladung nahezu gleichgroß ist. Auf Bergen erhielt man höhere Zerstreuungswerte, und dabei erfolgte die Zerstreuung einer negativen Ladung ganz wesentlich rascher. So war z. B. auf dem Montblanc, in einer Höhe von 4810 m, die Zerstreuung für negative Ladung die 401ache von der einer positiven. Auf Bergspitzen müssen demnach die positiven Ionen in sehr großer Überzahl vorhanden sein, und dies erklärt sich aus der sehr viel größern Dichte, welche die negative Erdladung nach den Gesetzen der Elektrostatik an derart hervorragenden Stellen besitzen muß.

Weiterhin fanden Elster und Geitel, daß die Zerstreuung in der freien Luft um so geringer wird, je trüber und undurchsichtiger die Luft ist. Besonders im Nebel ist die Zerstreuung ganz außerordentlich gering; die Ursache hierfür liegt darin, daß die Ionen in feuchter (sowie auch staubhaltiger) Luft eine Vergrößerung der Masse und Oberfläche erfahren, die ihre Geschwindigkeit im elektrischen Felde der Erde in mehr oder weniger erheblichem Maße verringert.

Fig. 7. Jonenaspirationsapparat von Ebert.
Fig. 7. Jonenaspirationsapparat von Ebert.

Dadurch wird also die Entladungsgeschwindigkeit des Zerstreuungskörpers eine kleinere. Die mit dem Ebertschen Aspirationsapparat erhaltenen Werte ergeben für unsre Gegenden, daß die atmosphärische Luft in 1 cbm infolge von Ionenladungen eine Elektrizitätsmenge besitzt, die etwa die halbe elektrostatische Einheit beträgt. Bei Messungen im Ballon haben sich bis zu etwa 6000 m Höhe nahezu dieselben Werte wie an der Erde gefunden, jedenfalls war eine merkliche Zunahme mit der Höhe nicht zu konstatieren. – Auch die Elektrizität der Niederschläge und der Gewitter scheint durch die Annahme einer Ionenwirkung leichter erklärt werden zu können. Nach Wilson werden auch die Luftionen in mit Wasserdampf gesättigter Luft zu Kondensationskernen, und zwar die negativen Ionen eher als die positiven. Bei den erstern ist erforderlich, daß die anfänglich gesättigte, völlig staubfreie Luft auf vier Drittel ihres anfänglichen Volumens ausgedehnt wird, um eine Kondensation auf ihnen hervorzurufen, bei den negativen Ionen genügt dagegen schon eine Ausdehnung auf fünf Viertel des Anfangsvolumens. In einer aufsteigenden Wolke wird also zunächst ein Gemisch entstehen, in dem negativ geladene Tropfen und Luft mit freien positiven Ionen enthalten sind. Sobald nun die negativen Tröpfchen aus der Wolke herausfallen (also zunächst negative Niederschlagselektrizität zur Erde führen), kann letztere nach außen hin elektrisch wirken. Wie Conrad gezeigt hat, vermag dann z. B. ein Cumulus von nur 1 km Radius und bei 3 km Mittelpunktsabstand von der Erdoberfläche an dieser schon ein Potentialgefälle von ca. 11,000 Volt, Meter durch seine Eigenladung hervorzurufen, also einen Wert, wie er in der Tat bei Gewittern an der Erde beobachtet wird. Geht die Abkühlung der Luft weiter, so werden auch die positiven Ionen zu Kondensationskernen, und nun fallen also auch Tropfen zur Erde, die positive Elektrizität mit sich führen. Auf diese Weise erklärt es sich ganz natürlich, daß die Niederschlagselektrizität sehr oft von verschiedenem Vorzeichen ist.

Fig. 8. Täglicher Gang der Zerstreuung nach Registrierungen von Lüdeling. Mg = Mittag, Mn = Mitternacht.
Fig. 8. Täglicher Gang der Zerstreuung nach Registrierungen von Lüdeling. Mg = Mittag, Mn = Mitternacht.

Die luftelektrische Zerstreuung zeigt eine regelmäßige jährliche sowie tägliche Periode. Die jährliche Periode zeigt ein Maximum der Zerstreuung in den Sommer- und ein Minimum in den Wintermonaten. Der Gang ist also im allgemeinen ein umgekehrter wie beim Potentialgefälle.

Für den täglichen Gang der Zerstreuung ergeben Beobachtungsreihen in Innsbruck und Kremsmünster, die sich über 24 Stunden erstrecken, eine doppelte Periode: das Herbstmaximum tritt bald nach Mittag ein, ein sekundäres gegen 3 Uhr morgens; die beiden nahezu gleich tiefen Minima fallen auf etwa 7 Uhr vormittags und 7 Uhr nachmittags. Mit seinem registrierenden Instrument erhielt Lüdeling für Potsdam Werte, die für normale (wolkenlose) Tage einen täglichen Gang ergeben, der in Fig. 8 graphisch dargestellt ist. Man ersieht daraus, daß er im wesentlichen in einer doppelten Welle besteht, mit einem Hauptmaximum in den ersten Nachmittagsstunden und einem Hauptminimum gegen 10–11 Uhr abends. Ein sekundäres Maximum tritt in der Zeit von 5–7, ein sekundäres Minimum gegen 8–9 Uhr morgens ein. In Fig. 9 findet sich ferner der tägliche Gang des Potentialgefälles von ebendenselben Tagen. Diese Kurve nimmt einen fast genau entgegengesetzten Verlauf wie die Zerstreuungskurve. Nach der Ionentheorie war eine derartige Beziehung auch von vornherein anzunehmen: je größer der Ionengehalt der Luft, je höher ihre Leistungsfähigkeit ist, um so kleinere Spannungsunterschiede (Potentialgefälle) wird man zu erwarten haben, und umgekehrt. Auch mit dem Luftdruck scheint die Zerstreuung in bestimmtem Zusammenhang zu stehen. In Fig. 9 gibt die dritte Kurve die Luftdruckänderungen wieder, und zwar sind diese umgekehrt gezeichnet, um den parallelen Verlauf mit der Zerstreuungskurve noch besser hervortreten zu lassen. Man sieht, daß der Parallelismus dieser beiden Kurven in der Tat ein sehr frappanter ist, so daß wohl kaum noch das Bestehen eines engern Zusammenhanges der beiden Erscheinungen bezweifelt werden kann. Ein solcher würde auch leicht erklärlich sein. So haben besonders Elster und Geitel nachgewiesen, daß die aus dem Erdboden dringende Luft stark ionisiert ist, wohl infolge von radioaktiven Substanzen (insbes. von Radium), die überall in geringen Mengen in der Erde enthalten zu sein scheinen. Diese stark ionisierte Bodenluft soll nun nach Ebert beim Durchgang durch die Erdkapillaren an deren Wände vorwiegend negative Ladungen abgeben, während Luft mit einem Überschuß von positiven Ionen aus dem Erdboden heraustritt und durch Winde und aufsteigende Luftströme nach oben geführt wird, in die höhern Schichten der Atmosphäre. Auf diese Weise erklärt Ebert die negative Eigenladung der Erde sowie die Erscheinung des permanenten Erdfeldes mit nach oben gerichtetem positiven Gefälle, das nur durch Niederschläge oder abnorme elektrische Verteilungen gestört wird. In der Tat würde dabei auch der obenerwähnte Parallelismus der Luftdruckänderungen zum täglichen Gang der Zerstreuung verständlich sein. Fällt das Barometer, so kann Bodenluft in größern Mengen austreten, die luftelektrische Zerstreuung wird zunehmen, steigt das Barometer, so tritt das Umgekehrte ein, die Zerstreuung nimmt ab. Natürlich darf man nicht aal ein genaues zeitliches Zusammenfallen der Phasen der beiden Kurven rechnen, es werden selbstredend leicht systematische Zeitunterschiede zwischen den beiderseitigen Extremen vorkommen können, wie auch aus Fig. 8 hervorzugehen scheint. Danach treten, wie ja auch a priori zu erwarten, erst die Luftdruckänderungen ein, als die Ursache, und nach einigen Stunden folgen die entsprechenden Variationen in der Zerstreuung, als die Wirkung. Daß diese Erklärung der negativen Eigenladung der Erde Richtiges trifft, und daß die Bodenluft wirklich den geschilderten großen Anteil an den Erscheinungen der L. besitzt, hat gewiß eine große Wahrscheinlichkeit für sich. Aber ebenso gewiß ist die Ursache der L. nicht einzig und allein innerhalb der Erde zu suchen. Schon der auffallende Parallelismus im jährlichen Gange der Zerstreuung und dem der Sonnenstrahlung in allen ihren verschiedenen Wirkungen läßt auf einen direkten oder indirekten Zusammenhang der beiden Erscheinungen schließen. Diese Vermutung drängt sich überall auf, und es ist wohl zweifellos, daß neben der Bodenluft auch die Sonnenstrahlen eine große Rolle bei den luftelektrischen Vorgängen spielen. Während die Tätigkeit der erstern mehr in die untern Schichten der Atmosphäre fallen wird, dürfte das Sonnenlicht durch seine ultravioletten Strahlen mehr in den höchsten Luftschichten ionisierend wirken. Im einzelnen vermag man jedoch noch nicht volle Rechenschaft über alle beobachteten Tatsachen zu geben, vieles ist noch auf nicht genügend begründete Annahmen basiert. Dem geplanten internationalen Zusammenwirken wird es aber hoffentlich bald gelingen, auch das Dunkel mehr und mehr zu lichten, das zurzeit noch über vielen Erscheinungen der L. liegt.

Vgl. W. Thomson, Reprint of papers on electrostatics and magnetism (Lond. 1884, 2 Bde.); Palmieri, Lois et origines de l'électricité atmosphérique (1886); Sohncke, Der Ursprung der Gewitterelektrizität und der gewöhnlichen Elektrizität der Atmosphäre (Jena 1885); F. Exner, Über die Ursache und Gesetze der atmosphärischen Elektrizität (Wien 1886), Über transportable Apparate zur Beobachtung der atmosphärischen Elektrizität (das. 1887) und über die Abhängigkeit der atmosphärischen Elektrizität vom Wassergehalt der Luft (das. 1887); Geitel, Über die Anwendung der Lehre von den Gasionen auf die Erscheinungen der atmosphärischen Elektrizität (Braunschw. 1901) und Elektrizitätszerstreuung und Radioaktivität (im »Jahrbuch der Elektrizitätszerstreuung und Radioaktivität«, Leipz. 1904).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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