- Sternschnuppen
Sternschnuppen, die schwächern Meteore, die in jeder Nacht zahlreich, meist in Schwärmen, am Himmel aufleuchten, rasch eine meist geradlinige, mehr oder minder lange Bahn beschreiben und dann erlöschen, sind ebenso wie die Feuerkugeln (Meteore) kleine Weltkörper, die sich um die Sonne bewegen, wie die Planeten, und falls sie in die obern Schichten unsrer Atmosphäre eintreten, durch den Widerstand derselben erhitzt werden und zum Leuchten gelangen. Dabei fallen sie entweder auf die Erde oder verbrennen ganz oder treten in den meisten Fällen wieder aus unsrer Atmosphäre heraus und setzen ihre Bahn fort. Die Helligkeit der S. ist sehr verschieden, im Mittel gleich derjenigen von Fixsternen 3.–4. Größe. Die Farbe ist meist Weiß, ins Gelbe oder Blaue spielend. Durchschnittlich sieht man in der Stunde 5 S., jedoch nimmt diese Zahl im allgemeinen im Laufe der Nacht von den Abendstunden an zu, und zwar deshalb, weil um so mehr S. sichtbar werden, je höher über dem Horizont der Punkt des Himmels steht, nach dem hin die Bewegung der Erde gerichtet ist. Dieser Punkt, der sogen. Apex, liegt um 90° nach W. von der Sonne aus; er hat also seinen höchsten Stand um Sonnenaufgang. Die größte stündliche Zahl fällt auf die Zeit von früh 21/2-31/2 Uhr. Die stündliche Häufigkeit der S. ist auch nicht das ganze Jahr hindurch gleich, am kleinsten ist sie im Februar, am größten im August, abgesehen von den gleich zu erwähnenden großen Novemberschwärmen. Durch außerordentliche Häufigkeit der S. sind nämlich die Nächte um den 12. Nov. ausgezeichnet; insonderheit beobachtete man 12. Nov. 1799, 1833, 1866 und 1867 förmliche Sternschnuppenregen. Es erreichte dieses Phänomen, wie H. A. Newton bis 902 zurück verfolgte, alle 33 Jahre seinen Höhepunkt, 1899 und 1900 ist es aber ausgeblieben. Weniger dicht, aber gleichmäßiger wiederkehrend sind die Sternschnuppenregen in den Nächten um den 10. Aug. (Laurentiustag), deren schon in altenglischen Kirchenkalendern unter dem Namen der »feurigen Tränen des heil. Laurentius« gedacht wird. Außerdem sind auch die Nächte des 18.–20. April, 26.–30. Juni, 9.–12. Dez. u. a. durch größere Häufigkeit der S. ausgezeichnet. Bei den Sternschnuppenfällen in diesen Nächten scheinen die Mehrzahl der S. jedesmal von einem bestimmten Punkte des Himmels auszustrahlen, wie es sein muß, wenn diese Körper in größern Schwärmen Bahnen um die Sonne beschreiben. Dieser Ausstrahlungspunkt (Radiationspunkt oder Radiant) liegt für die Novembersternschnuppen im Sternbild des Löwen, für die Laurentius-S. im Perseus, weshalb man jene auch Leoniden, diese Perseïden nennt. Im allgemeinen unterscheidet man die in bestimmten Nächten in größerer Häufigkeit fallenden S. als periodische von den sporadischen, die unregelmäßig aus den verschiedensten Gegenden des Himmels kommen. Die Höhe, in der die S. aufleuchten und verlöschen, läßt sich aus korrespondierenden Beobachtungen von verschiedenen Punkten aus ermitteln. Sie ist sehr verschieden, jedoch werden keine S. in größern Höhen als 160 km sichtbar. Die Geschwindigkeiten, mit denen sich die S. bewegen, betragen 20 und mehr, selbst 150 km in der Sekunde. Die kosmische Natur dieser Erscheinungen ist seit dem glänzenden Sternschnuppenfall im November 1866 außer Zweifel gestellt; derselbe hat uns auch noch weitere Aufschlüsse über dieselben gegeben. Schon früher hat man einen Zusammenhang zwischen den Sternschnuppenschwärmen und den Kometen geahnt, aber erst 1866 wurde durch Schiaparelli nachgewiesen, daß manche Kometen, wenn auch nicht alle, zu den Erscheinungen der periodischen Sternschnuppenfälle beitragen. Insbesondere schloß Schiaparelli aus der großen Ähnlichkeit der Bahn des August- oder Laurentiusstroms mit derjenigen des Kometen 1862 III auf eine Identität beider Erscheinungen. In gleicher Weise hat sich die Identität des Novemberschwarms mit dem Kometen 1866 I, der eine Umlaufszeit von 33 Jahren hat, ergeben. Die besonders großen, oben erwähnten Sternschnuppenfälle, die alle 33 Jahre eintraten, entsprechen daher dem Durchgang der Erde durch die Hauptmasse der Auflösungsprodukte dieses Kometen. Das Ausbleiben dieses Phänomens in 1899 und 1900 muß wohl auf eine Ablenkung des Kometen aus seiner bisherigen Bahn durch die störenden Anziehungen von Jupiter und Saturn zurückgeführt werden. Danach würde das Auftreten einer besonders reichen Sternschnuppenhelle der Leoniden für die Zukunft überhaupt ausgeschlossen sein. Die Ansicht, daß die periodisch erscheinenden Sternschnuppenschwärme Teile von Kometen seien, die, durch die Anziehung der Erde aus ihrer Bahn abgelenkt, durch die obern Regionen unsrer Atmosphäre schießen und hier infolge ihrer raschen Bewegung durch die Luft ins Glühen geraten, hat jetzt allgemeine Annahme gefunden. Auch die glänzenden Sternschnuppenregen vom 27. Nov. 1872 und 1885 werden auf kleine kosmische Körper zurückgeführt, die der zerfallende Bielasche Komet längs seiner Bahn ausgestreut hat, und deshalb Bieliden genannt. Während aus den größern Feuerkugeln nicht selten Meteorsteine zur Erde niederfallen, ist bei den S. bis jetzt noch nichts Ähnliches nachgewiesen. Vgl. Schiaparelli, Entwurf einer astronomischen Theorie der S. (deutsch, Stett. 1871); Boguslawski, Die S. und ihre Beziehungen zu den Kometen (Berl. 1874).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.