- Schwefelwasserstoff
Schwefelwasserstoff (Wasserstoffsulfid, Hydrothionsäure, hepatische Luft) H2S entströmt in vulkanischen Gegenden dem Boden und findet sich gelöst in den Schwefelwässern (s. Mineralwässer). Er entsteht, wenn man Schwefeldampf und Wasserstoff oder Wasserdampf über glühende poröse Körper leitet, wenn Schwefel und Wasserstoff im Entstehungszustand zusammentreffen, wenn man Wasserstoff in siedenden Schwefel leitet, bei Einwirkung von Wasser auf Schwefel bei hoher Temperatur, beim Erhitzen von Paraffin mit Schwefel, beim Zersetzen von Schwefelmetallen mit Säuren, bei trockener Destillation schwefelhaltiger Substanzen, z. B. der Schwefelkies führenden Steinkohlen (daher im Leuchtgas). Endlich: ritt S. ganz allgemein auf bei der Fäulnis schwefelhaltiger organischer Stoffe, z. B. der Eiweißkörper (faule Eier), sowie auch bei Fäulnis derartiger nicht schwefelhaltiger Stoffe in Gegenwart von Schwefelsäuresalzen (besonders Gips), die zu Schwefelmetallen reduziert und durch andre Fäulnisprodukte unter Entwickelung von S. zersetzt werden. Zur Darstellung von S. übergießt man Schwefeleisen mit verdünnter Schwefelsäure und benutzt dazu Apparate, die genaue Regulierung der Gasentwickelung gestatten (s. Gase, S. 367 u. 368). Auch durch Erwärmen von Schwefelantimon (Grauspießglanz) mit Salzsäure und Zersetzung von Sodarückständen mit Salzsäure wird S. dargestellt. Er bildet ein farbloses Gas, riecht höchst widerlich nach faulen Eiern (1/5000 mg ist noch durch den Geruch wahrnehmbar), schmeckt herb, widerlich, wird bei -70° und unter einem Druck von 15–16 Atmosphären bei 11° zu einer farblosen, stark lichtbrechenden Flüssigkeit vom spez. Gew. 0,86 verdichtet, die bei -86° erstarrt und bei -61,6° siedet. Sein spezifisches Gewicht ist 1,19,1 Volumen Wasser löst bei 0°4,37, bei 10°3,58 Volumen (Schwefelwasserstoffwasser). S. reagiert schwach sauer, ist höchst entzündlich (schon durch eine glimmende Kohle) und verbrennt mit blauer Flamme zu Schwefliger Säure und Wasser; bei gehemmtem Luftzutritt verbrennt nur der Wasserstoff und der Schwefel scheidet sich aus; mit Luft gemischt explodiert er bei Annäherung einer Flamme. S. ist sehr giftig, erzeugt Bewußtlosigkeit und führt Erstickung herbei (Luft mit 0,06 Volumprozent S. tötet Vögel, mit 0,12 Volumprozent S. einen Hund). Bei plötzlichem Einatmen von viel S. stürzen die Befallenen oft plötzlich zu Boden und sterben, wenn sie nicht schnell in reine Luft gebracht und mit kaltem Wasser begossen werden. Bei Vergiftungen mit S. hält man ein mit Essig befeuchtetes und mit einigen Körnchen Chlorkalk bestreutes Tuch vor die Nase. Pflanzen werden durch S. ebenfalls geschädigt und besonders, wenn sie mit eisenhaltiger Flugasche bestreut sind, da sich dann Schwefeleisen und ätzend wirken der Eisenvitriol bildet. In einem Gemenge von S. und Luft bildet sich bei Gegenwart eines porösen Körpers und bei 40–50° Schwefelsäure. In wässeriger Lösung zersetzt sich S. an der Luft in Schwefel und Wasser (Licht befördert die Zersetzung. sie wird verlangsamt durch eine Schicht Petroleum oder durch Zusatz von 2 Volumprozent Glyzerin), über 400° zerfällt er in Schwefel und Wasserstoff, und mit Schwefliger Säure zersetzt er sich in Schwefel und Wasser: 2H2S+SO2 = 2H2O+3S. Chlor, Brom, Jod bilden Haloidwasserstoffsäuren und Schwefel, und wenn sie im Überschuß vorhanden sind, verbinden sie sich mit dem Schwefel. Er bildet mit mehreren Metallen Schwefelmetalle (Anlaufen von Silber, Kupfer), gibt mit Metalloxyden Schwefelmetall und Wasser, und aus Metallsalzlösungen fällt er Schwefelmetalle, wenn letztere durch die frei werdende Säure nicht zersetzt werden (mit Bleizuckerlösung getränktes und getrocknetes Papier wird durch sehr geringe Mengen S. gebräunt, resp. geschwärzt). Die in Wasser löslichen Hydroxyde geben mit S. Hydrosulfide. Durch konzentrierte Schwefelsäure und Salpetersäure wird S. zersetzt. Mit rauchender Salpetersäure explodiert er. In Räumen, die viel S. enthalten, beseitigt man das Gas durch Verbrennen von Schwefel, Einspritzen von wässeriger Schwefliger Säure, Chlorwasser oder Lösungen von Chlorkalk, übermangansaurem Kali, Eisenvitriol, Manganchlorür etc. Man benutzt S. zur Reinigung der Schwefelsäure und Salzsäure von Arsen und Metallen, zur Gewinnung von Kupfer, das aus Laugen als Schwefelkupfer gefällt wird, zur Darstellung von Zinnober, Antimonzinnober und Schwefelammonium, zum Überziehen der Zündhölzerköpfchen mit einer metallisch schimmernden Haut von Schwefelblei, als Antichlor, in der chemischen Analyse zur Nachweisung der Metalle und in der Form von Mineralwässern als Arzneimittel gegen mancherlei chronische Krankheiten. Das bei gewissen Industriezweigen reichlich auftretende Schwefelwasserstoffgas wird häufig verbrannt, um die hierbei entstehende Schweflige Säure zur Fabrikation von Schwefelsäure zu verwerten; auch verbrennt man nur die Hälfte des Schwefelwasserstoffs und zersetzt die andre Hälfte mit der bei der Verbrennung entstandenen Schwefligen Säure, so daß man den gesamten Schwefel gewinnt. Vgl. Stifft, Die physiologische und therapeutische Wirkung des Schwefelwasserstoffgases (Berl. 1886).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.