Anna [3]

Anna [3]

Anna, Name zahlreicher Fürstinnen, von denen als die merkwürdigsten anzuführen sind:

[England.] 1) A. Boleyn, zweite Gemahlin König Heinrichs VIII. von England, Tochter des Thomas Boleyn, später Grafen von Wiltshire und Ormond, geb. 1503 oder 1504, gest. 19. Mai 1536, wurde, nachdem sie als Begleiterin ihres Vaters einige Zeit am französischen Hof gelebt hatte, Hoffräulein der Königin Katharina von Aragonien, Gemahlin Heinrichs VIII. Letzterer wurde bald von leidenschaftlicher Liebe zu der mit vielen körperlichen Reizen ausgestatteten Hofdame ergriffen, suchte seine Ehe mit Katharina aufzulösen und vollzog, noch bevor der Erzbischof Cranmer diese für nichtig erklärt hatte, im Januar 1533 seine Vermählung mit A. Aber Heinrichs Liebe zu A. schwand bald dahin, zumal da sie ihm nur eine Tochter, Elisabeth, geboren hatte (1533). Sie wurde des wiederholten Ehebruchs und der Blutschande beschuldigt und in den Tower geworfen. Obwohl sie ihre un schuld beteuerte, wurde sie 15. Mai 1536 durch ein Gericht von 26 Peers schuldig gesprochen und 19. Mai enthauptet. Vgl. Benger, Memoirs of Anne Boleyn (Lond. 1821, 2 Bde.); Dixon, History of two queens: Catherine and Anne Boleyn (das. 1874, 4 Bde.); Friedmann, Anne Boleyn (das. 1334, 2 Bde.); Blaze de Bury, Un divorce royal. Anne de Boleyn (Par. 1890).

2) A. von Kleve, vierte Gemahlin Heinrichs VIII. von England, geb. 22. Sept. 1515, gest. 16. Juli 1557, war die Tochter des Herzogs Johann III. von Kleve. Auf den Rat Thomas Cromwells, der die Sache des Protestantismus zu stärken suchte, warb Heinrich, der sie nur durch ein von Holbein gemaltes anziehendes Porträt (im Louvre zu Paris) kannte, um ihre Hand. Der König reiste ihr, als sie 1539 nach England kam, bis Rochester entgegen, war aber bald enttäuscht, da sie weder äußern Liebreiz noch jene seine französische Bildung besaß, die Heinrich hochschätzte. Cromwell bewog ihn zwar 6. Jan. 1540, die Ehe wirklich zu vollziehen. aber bald darauf stürzte Heinrich ihn und ließ sich von A. scheiden, der ein Einkommen von jährlich 3000 Pfd. Sterl. bewilligt wurde. A. blieb in England und war 1553 bei der Krönung Marias anwesend. Sie wurde in der Westminsterabtei bestattet.

3) A. Stuart, Königin von Großbritannien und Irland, Tochter Jakobs II. von England aus dessen erster Ehe mit Anna Hyde, Tochter Lord Clarendons, geb. 6. Febr. 1665, gest. 12. Aug. 1714, wurde nach den Grundsätzen der anglikanischen Kirche erzogen und 1683 mit dem Prinzen Georg, jüngerm Sohn Friedrichs III. von Dänemark, vermählt. Als ihr Schwager Wilhelm von Oranien zur Eroberung des britischen Thrones 1688 in England landete, erklärte sie sich, von Lord Churchill, nachmals Herzog von Marlborough, beeinflußt, für jenen und gegen ihren Nater. Als König Wilhelms III. Nachfolgerin bestieg sie 19. März 1702 den Thron. Der Herzog von Marlborough spielte unter ihren Ratgebern die Hauptrolle, und seine schöne, aber leidenschaftliche und hochmütige Gattin war ihre nächste Vertraute. Auf Antrieb Marlboroughs hielt A. an dem Kriege gegen Frankreich fest; auch ward 1707 die Union Englands und Schottlands zu einem Reiche »Großbritannien« bewerkstelligt, und dabei wurden auch für Schottland die Bestimmungen des englischen Thronfolgegesetzes angenommen, denen zufolge die Krone, wenn A. ohne Erben stürbe, an die protestantische Linie der Nachkommenschaft des Hauses Stuart, mithin an die Kurfürstin Sophie von Hannover, Jakobs I. Enkelin, und ihre Erben fallen mußte. Schon seit 1707 hatten die persönlichen Beziehungen der Königin zu Lady Marlborough und ihrem Gemahl zu erkalten begonnen; im April 1710 kam es zu offenem Bruch; am 17. Jan. 1711 wurde die Herzogin entlassen, 31. Dez. ihr Gemahl seiner Ämter enthoben. Schon seit August 1710 war der Krieg gegen Frankreich nur schwach fortgeführt worden; 12. April 1713 ward er durch den Utrechter Frieden beendigt. Die spätern Regierungsjahre Annas vergingen unter verdrießlichen Händeln zwischen den kämpfenden Parteien. Dem Wunsche der Whigs, daß der Thronerbe nach England berufen werde, trat A. entgegen. Ob sie wie Lord Bolingbroke in ihrer letzten Lebenszeit an eine Änderung der Thronfolgeordnung zu gunsten des Prätendenten gedacht hat, ist umstritten; jedenfalls machte ihr Tod derartigen Plänen ein Ende. Ihr Privatleben war tadellos; als Königin war sie schwach und von ihren jeweiligen Ratgebern und Günstlingen abhängig. Vgl. Stanhope, History of England, comprising the reign of Queen Anne (4. Aufl., Lond. 1873, 2 Bde.); Wyon, History of Great Britain during the reign ot Queen Anne (das. 1875, 2 Bde.); Burton, Hist. of the reign of Queen Anne (Edinb. 1880, 3 Bde.).

[Frankreich.] 4) A. von Bretagne, Gemahlin Karl VIII. und nach dessen Tode Ludwigs XII. von Frankreich, Tochter Franz' II., letzten Herzogs von Bretagne, geb. 26. Jan. 1476 in Nantes, gest. 9. Jan. 1514, erbte 9. Sept. 1488 die Bretagne und ließ sich 1490 durch Prokuration dem römischen König Maximilian I. antrauen. Karl VIII. von Frankreich jedoch zwang die reiche Erbin, sich mit ihm zu vermählen (18. Nov. 1491). Ausgezeichnet durch Schönheit und Geist, regierte A. während des italienischen Feldzugs ihres Gemahls Frankreich und vermählte sich nach dessen frühem Tode (1498) 17. Jan. 1499 mit König Ludwig XII., der sich von seiner ersten Gemahlin, Johanna, scheiden ließ. Nach ihrem Tode wurde die Bretagne, deren Selbständigkeit sie eifersüchtig gewahrt hatte, für immer mit Frankreich vereinigt. Vgl. Leroux de Lincy, Vie de la reine Anne de Bretagne (Par. 1860–61, 4 Bde.).

5) A. Maria Mauritia, gewöhnlich A. von Österreich genannt, Königin von Frankreich, geb. 22. Sept. 1601, gest. 20. Jan. 1666, älteste Tochter Philipps III. von Spanien, wurde 1615 mit Ludwig XIII. vermählt, jedoch durch Richelieu ihrem Gemahl entfremdet. Später gestaltete sich das Verhältnis zwischen den Gatten freundlicher. A. gebar erst 5. Sept. 1638 einen Prinzen (Ludwig XIV.) und 21. Sept. 1640 den Herzog Philipp von Orléans und ward nach Ludwigs XIII. Tode, dessen letztem Willen zuwider, durch Parlamentsbeschluß vom 18. Mai 1643 zur unumschränkten Regentin für den fünfjährigen Prinzen erklärt. Sie schenkte ihr ganzes Vertrauen Mazarin, mit dem sie im geheimen vermählt war. Dagegen brach 1648 der Aufstand der Fronde aus, der zweimal (1651 und 1652) A. nötigte, Mazarin außer Landes zu schicken. Allein nach der Niederlage der Fronde kehrte der von A. treugeliebte Mazarin 1653 zurück und blieb bis an seinen Tod (1661) an der Spitze der Geschäfte. Danach zog sich A. in das von ihr gestiftete Kloster Val de Grâce zurück, wo sie sich frommen Übungen widmete. Vgl. Freere, Regency of Anne of Austria (Lond. 1866, 2 Bde.); Chéruel, Histoire de France pendant la minorité de Louis XIV (Par. 1879–80, 4 Bde.).

[Oströmisches Reich.] 6) A. Komnena, Tochter des oström. Kaisers Alexios I., geb. 1083, gest. nach 1143, erhielt eine ausgezeichnete Erziehung und erwarb eine umfassende Bildung. An Nikephoros Bryennios vermählt, machte sie nach dem Tod ihres Vaters (1118) einen vergeblichen Versuch, ihren Gemahl statt ihres Bruders Johannes auf den Thron zu bringen. Bald darauf zog sie sich mit ihrer Mutter in ein Kloster zurück und verfaßte hier die »Alexias«, eine die Zeit von 1069–1118 umfassende Geschichte ihres Vaters, die zu den hervorragendsten Leistungen der byzantinischen Geschichtschreibung gehört, wenn sie auch von Lobrednerei und Selbstgefälligkeit nicht frei ist (Bd. 1, hrsg. von Schopen, Bonn 1839; Bd. 2 von Reifferscheid, 1878). Eine Übersetzung davon findet sich in den von Schiller herausgegebenen »Historischen Memoiren«. Vgl. Oster, A. Komnena (Rastatt u. Tübing. 1868–71, 3 Tle.); Neumann, Griechische Geschichtschreiber etc. im 12. Jahrhundert (Leipz. 1888).

[Rußland.] 7) A. Iwanowna, Kaiserin von Rußland, zweite Tochter des Zaren Iwan Alexejewitsch, des ältern Halbbruders Peters d. Gr., geb. 25. Jan. 1693 in Moskau, gest. 28. Okt. 1740, ward 13. Okt. 1710 mit dem Herzog Friedrich Wilhelm von Kurland vermählt, der schon 1711 starb. Als mit dem Tode Peters II. (19. Jan. 1730) die männliche Linie des Hauses Romanow erlosch, ward sie auf Betreiben der Fürsten Dolgorukij und Galizyn zur Thronerbin erklärt. Sie mußte versprechen, nichts ohne Mitwirken des aus den vornehmsten Mitgliedern des russischen Adels bestehenden Reichsrats unternehmen zu wollen. Trotzdem erklärte sie sich nach ihrer Thronbesteigung als Selbstherrscherin, von der Geistlichkeit, dem kleinen Adel und den Garden unterstützt. In ihrem Namen herrschte der Günstling Biron, die Widerspenstigen tötend oder nach Sibirien verbannend. Bei ihrem Tod ernannte sie den Enkel ihrer ältesten Schwester Katharina, Iwan, zum Nachfolger und Biron zum Regenten während dessen Minderjährigkeit. Vgl. Korssakow, Anna I. (russ., Kasan 1880).

8) A. Petrowna, zweite Tochter Peters d. Gr. und Katharinas I., geb. 1708, gest. 1728, Gemahlin des Herzogs Friedrich Karl von Holstein-Gottorp, mußte nach dem Tode der Kaiserin Katharina I., die mit Übergehung ihrer Töchter Elisabeth und Anna den Sohn des Zarewitsch Alexei, Peter (II.), zum Nachfolger ernannt hatte, Rußland verlassen und starb nach der Geburt ihres Sohnes, der 1762 als Peter III. den russischen Thron bestieg.

9) A. Leopoldowna (fälschlich A. Karlowna), eigentlich Elisabeth Katharina Christine, Großfürstin und Regentin von Rußland, Tochter des Herzogs Karl Leopold von Mecklenburg und der Katharina Iwanowna, Nichte von A. 7, geb. 18. Dez. 1718 in Rostock, gest. 18. März 1746, erhielt 1732 bei ihrem Übertritt zur griech. Kirche den Namen A. und wurde 1739 an den Prinzen Anton Ulrich von Braunschweig-Lüneburg-Bevern (s. Anton 3) vermählt. Sie gebar ihm 1740 den Prinzen Iwan, der von der Kaiserin Anna (s. unter 7) unter Birons Regentschaft zu ihrem Nachfolger ernannt wurde. Biron wurde jedoch 19. Nov. 1740 durch den Feldmarschall Münnich im Einverständnis mit der Mutter des jungen Kaisers gestürzt, und A. erklärte sich nun zur Großfürstin und Regentin. Sie ernannte den Feldmarschall Münnich zum Premierminister, der aber 13. März 1741 seine Stelle niederlegte, und unterhielt ein Liebesverhältnis mit dem sächsischen Diplomaten Lynar, der die Freundin Annas, Julie v. Mengden, heiraten sollte. Es bildete sich eine Verschwörung, die der Tochter Peters d. Gr., Elisabeth, den russischen Thron verschaffen wollte. In der Nacht vom 5. zum 6. Dez. 1741 wurde A. mit Anton Ulrich von Braunschweig und ihren Kindern: dem ehemaligen Kaiser Iwan und der Prinzessin Katharina, nach Riga gebracht und schließlich in Cholmogory an der Dwina gefangen gehalten, wo sie 18. März 1746 starb, nachdem sie ihrem Gemahl noch drei Kinder geboren hatte. Iwan wurde 1756 nach Schlüsselburg gebracht und daselbst 1764 ermordet. Vgl. Brückner, Die Familie Braunschweig in Rußland (Petersb. 1876).

[Sachsen.] 10) Gemahlin des Kurfürsten August I. von Sachsen, Tochter Christians III. von Dänemark, geb. 25. Nov. 1532, gest. 1. Okt. 1585,2. Aug. 1548 mit August vermählt, als eifrige Lutheranerin 1574 eine Haupturheber in des Sturzes der Calvinisten, schaltete im Einverständnis mit dem Gatten als kluge Wirtschafterin. Sie schrieb ein »Erzneibüchlein« und stiftete die Hofapotheke in Dresden (1581). Wiewohl sehr sparsam, sorgte sie doch eifrig für die Armen und Kranken, daher sie im Volksmunde »Mutter Anna« hieß. Sie gebar in 37jähriger Ehe 15 Kinder, von denen aber nur ein Sohn und drei Töchter die Eltern überlebten. Vgl. v. Weber, A., Kurfürstin zu Sachsen (Leipz. 1865).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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