- Frankenreich
Frankenreich (Fränkisches Reich). In den ersten Jahrzehnten des 5. nachchristlichen Jahrhunderts verbreiteten sich die Salier (s. Franken, german. Stamm) über das Land an beiden Ufern der Schelde. Von dem sagenhaften Faramund abgesehen, wird als erster fränkischer König in der ersten Hälfte des 5. Jahrh. Chlogio (Chlodio oder Chlojo) erwähnt, der zwar 431 im Kampf mit dem Römer Aetius das salische Gebiet bis zur Somme ausdehnte, aber 445 die römische Oberhoheit wieder anerkennen mußte. Als Hilfstruppen des Aetius kämpften die Franken in der Schlacht auf den Mauriacensischen Feldern (451). Von Chlogio stammte der Überlieferung nach Merovech ab, der dem fränkischen Königsgeschlecht der Merowinger den Namen gegeben haben soll; wahrscheinlich teilten Chlogios Söhne dessen Reich, da es später unter den Franken mehrere Könige gab, die als Blutsverwandte galten, und von denen der zu Tournai residierende als der vornehmste galt. Dies war 455 (463)-481 Childerich I. (s.d. 1), der als Bundesgenosse der Römer gegen Westgoten und Sachsen kämpfte; zur katholischen Kirche stand er bereits in freundlichem Verhältnis.
Daß noch vor seinem Tode der älteste Text der Lex Salica (s. Salisches Gesetz) entstanden sei, ist nach der Abhandlung von Benno Hilliger (in der »Historischen Vierteljahrschrift«, 1903) wieder unwahrscheinlich geworden. Jedenfalls aber bildeten damals die freien Franken, die, in Dörfern zusammenlebend, vorzugsweise Ackerbau und Viehzucht trieben, noch den Kern der Bevölkerung, während die hörigen Leten (Liten), die nicht sehr zahlreiche römische Bevölkerung und die unfreien Knechte aller politischen Rechte entbehrten. Der erbliche König, dessen eigentümliches Abzeichen der Schmuck der lang herabwallenden, von keinem Schermesser berührten Locken ist, steht an der Spitze des Staates, ist aber bei wichtigen Dingen an die Zustimmung des Volkes, das alljährlich als Heerversammlung in Waffen zum Märzfeld zusammentritt, gebunden. Die Leitung und der Vorsitz der Gerichte, die nach Hundertschaften zusammentreten, wird durch einen vom Volk für jede Hundertschaft gewählten Beamten, den Thunginus oder Zentenarius, ausgeübt; die ausübende Gewalt und auch die Vollstreckung der gerichtlichen Urteile stehen dem König und seinen Beamten, den Grafen, zu.
Childerichs Nachfolger Chlodwig (481–511; s.d. 1) vernichtete 486 durch den Sieg über Syagrius bei Soissons den letzten Rest der Römerherrschaft in Gallien und erweiterte dadurch sein Gebiet bis zur Seine und allmählich weiter südlich bis zur Loire, worauf er seine Residenz von Tournai nach Soissons verlegte. 496 besiegte er die Alemannen, unterwarf sie seiner Herrschaft und entriß ihnen das Maingebiet, das mit Franken bevölkert wurde, worauf er mit einem Teil seines Volkes zum athanasianischen (katholischen) Christentum übertrat; hierdurch sicherte er sich die Unterstützung der katholischen Geistlichkeit gegen die arianischen Westgoten und Burgunder und bahnte die weltgeschichtlich wichtige Verbindung zwischen dem fränkischen Königtum und der römischen Kirche an. Im Bündnis mit den Burgundern unternahm Chlodwig 507 einen Zug gegen die Westgoten, schlug deren König Alarich bei Boullon (oder Vouillé) unweit Poitiers und erweiterte die Herrschaft der Franken bis zur Garonne. Schon vorher hatte er begonnen, durch List und Gewalt die noch von ihm unabhängigen Herrschaften der salischen Franken zu beseitigen; jetzt unterwarf er auch die Ripuarier, und als er 511 in Paris starb, waren alle Franken seinem Zepter unterworfen. So war Chlodwig aus dem König einer kleinen germanischen Völkerschaft zum Gebieter eines mächtigen, größtenteils auf romanischem Boden begründeten Reiches geworden. Da seinen römischen Untertanen gegenüber der König von vornherein weit bedeutendere Rechte ausübte, als sie bisher germ anischen Königen zugestanden hatten, so erlangte er auch über die Franken volle Souveränität; namentlich die richterliche Gewalt ging seitdem ganz auf den König und die von ihm ernannten Grafen über. Nach fränkischem Erbrecht teilten sich Chlodwigs Söhne in das Reich: Theuderich I. nahm seine Residenz zu Metz, Chlodomer zu Orléans, Childebert I. zu Paris und Chlotar 1. zu Soissons; nach Chlodomers Tode (524) teilten Childebert und Chlotar das Reich von Orléans. Die Söhne Chlodwigs setzten dessen Eroberungspolitik fort. Theuderich eroberte 531 mit Hilfe der Sachsen das Thüringerreich, von dem er nur den nördlichsten Teil zwischen Harz und Unstrut seinen Verbündeten überließ, und starb 533. Währenddessen bekriegten Chlotar und Childebert die Burgunder und zerstörten ihr Reich, das 534 zwischen den Siegern und Theudebert I. (534–548), dem Sohn Theuderichs I., der sich mit Hilfe seiner Großen gegen die Nachstellungen seiner Oheime behauptete, geteilt wurde. Vom Oströmischen Reiche bedrängt, trat der Ostgotenkönig Vitiges 536 den Franken die Provence und einen Teil Rätiens ab; doch hatten Theudeberts Versuche, beim Zusammenbruch des Ostgotenreiches Oberitalien zu gewinnen, keinen Erfolg, da 544 ein fränkisch-alemannisches Heer von Narses vernichtet wurde. Als 555 mit Theudebald, Theudeberts Sohn, das Haus des Theuderich erlosch, trat Chlotar in diese Herrschaft ein. Er beerbte 558 auch den kinderlosen Childebert I. und vereinigte so noch einmal die ganze fränkische Monarchie, die, da auch die Bayern deren Oberhoheit anerkannten, alle deutschen Stämme außer den Sachsen und Friesen umfaßte.
Nach Chlotars Tode (561) wurde das Reich zwischen seinen vier Söhnen Guntram, Charibert I., Sigibert I. und Chilperich I. aufs neue geteilt. Charibert hinterließ schon 567 sein Reich den Brüdern. Seitdem sonderte sich das F. in drei Hauptmassen: Austrasien (Ostland), das Reich Sigiberts (ermordet 575) mit der Hauptstadt Reims und einer überwiegend germanischen Bevölkerung, Neustrien (das Land der Neufranken), das Reich Chilperichs (ermordet 584) mit der Hauptstadt Soissons, und Burgund, das Reich Guntrams (gest. 593) mit der Hauptstadt Orléans, beide letztere mit vorwiegend romanischen Bewohnern; Aquitanien und die Provence blieben besondere Gebiete, an denen gewöhnlich mehrere Könige zugleich Anteil hatten. Die innern Wirren, welche die nächsten Jahrzehnte der fränkischen Geschichte erfüllen, bieten ein abschreckendes Bild: das F. und insbesondere sein Königshaus erscheinen in die furchtbarste Zerrüttung versunken, an der die zügellose Kraft der germanischen Eroberer und die entnervte Weichlichkeit der unterworfenen Römer gleiche Schuld tragen. Blutige Gewalttat, hinterlistige Tücke, wilde Grausamkeit und schamlose Sinnlichkeit bilden den düstern Hintergrund, von dem sich die entsetzlichen Gestalten der Brunhilde (s.d. 2) und Fredegunde (s.d.) abheben. Erst als Fredegunde 597 gestorben, Theudebert von Austrasien 611 getötet, Brunhilde 613 hingerichtet worden war und in demselben Jahr 613 Chlotar II. (584–628), Chilperichs I. und Fredegundes Sohn, sich des ganzen Reiches bemächtigt hatte, nahmen die greuelvollen Kriege im Merowingergeschlecht ein Ende.
Inzwischen halte sich immer mehr eine Aristokratie erhoben, die aus den von den Königen mit Lehnsgütern beschenkten Beamten und Heerführern erwachsen war. Zu den wichtigsten Beamten gehörten die Inhaber der vier großen Hofämter: der Seneschall, der Marschall, der Schatzmeister oder Kämmerer und der Schenk. Juristischer Beirat des Königs im Hofgericht, dessen Befugnis immer ausgedehnter geworden, war der Pfalzgraf; von großem Einfluß auf die Regierungsgeschäfte war auch der Referendarius, d. h. der Vorsteher der Kanzlei und Siegelbewahrer, der im Rat und Gericht Stimme hatte. In den Provinzen gab es Grafen und (für mehrere Grafschaftsbezirke) Herzoge oder, wie sie in Burgund und der Provence hießen, Patricii: Beamte, zugleich mit richterlichen, administrativen, finanziellen und militärischen Befugnissen ausgestattet; außerdem die Domestici oder Verwalter der königlichen Domänen. Auch die Bischöfe waren auf den Reichsversammlungen und im Rate der Könige von bedeutendem Einfluß. Vor allem schwang sich der Majordomus (Hausmeier, maire du palais) zum höchsten Beamten auf. Ursprünglich bloß Aufseher über die königliche Dienerschaft oder Verwalter kleinerer königlicher Gutsbezirke, übte er schon um 600 den besondern Königsschutz aus, in den sich einzelne Personen oder kirchliche Institute zu begeben pflegten; ihm war wahrscheinlich die Erziehung der jungen Leute anvertraut, die sich für den Dienst des Königs und der hohen Ämter am Hofe vorbereiteten; er nahm eine Vertrauensstellung am Hof ein, die ihm immer mehr staatliche Befugnisse verschaffte, unter anderm das Recht der Regentschaft während der Minderjährigkeit der Könige, die Aussicht und Verwaltung des Kron gutes, die Erhebung der königlichen Einkünfte u. a. m. Anfangs ein Vertreter der königlichen Interessen, trat der Majordomus (in jedem der drei Teilreiche gab es einen) später an die Spitze der Aristokratie im Kampfe gegen das Königtum, und in der zweiten Hälfte des 7. Jahrh. unterwarf er die Großen und die Könige gleichmäßig seiner Herrschaft.
Bereits unter dem Sohne Chlotars II., Dagobert I. (628–638), trat das Haus hervor, welches das Amt des Majordomus zur höchsten Macht erhob. Arnulf, 612–627 Bischof von Metz (gest. 641), und Pippin der ältere (Pippin von Landen), Majordomus von Austrasien, waren die Ahnherren dieses karolingischen Hauses, das rein germanischer Abkunft und dessen Wiege das Gebiet zwischen Maas, Mosel, Rhein und Roer war. Arnulfs Sohn Ansegisel, der seit 630 mit Begga, einer Tochter Pippins, vermählt war, wurde 632, als Dagobert von den Großen Austrasiens gezwungen ward, seinen unmündigen Sohn Sigibert III. (632–656) zum König dieses Landes zu erheben, Vormund des letztern und schützte die Ostgrenze des Reiches gegen die unruhigen Slawen. Nach Pippins Tode (639) ward sein Sohn Grimoald 642 Majordomus von Austrasien. Als 656 Sigibert III. starb, versuchte Grimoald das Haus der Merowinger zu stürzen und die Krone an sein eignes Haus zu bringen, wurde aber durch Chlodwig II. von Neustrien, dem er ausgeliefert ward, hingerichtet. Dessen einjähriger Sohn Chlotar III. (656–670) beherrschte nun unter seiner Mutter Balthilde durch seinen Majordomus Ebroin das gesamte Reich, bis er 660 Austrasien seinem Bruder Childerich II. (660 bis 673) abtreten mußte. Dieser, seit 669 auch König von Neustrien und Burgund, wurde 673 wegen der drückenden Herrschaft sein es Majordomus Wulfoald meuchlings ermordet. Nun brach eine allgemeine Anarchie in den drei Reichen aus, bis sich in Austrasien Pippin der Mittlere (Pippin von Herstal), Ansegisels Sohn, erhob, 687 in der Schlacht von Tertri (bei St.-Quentin) Berthar, den Majordomus von Neustrien und Burgund, besiegte und nach Ermordung Berthars (688) als alleiniger Majordomus des gesamten fränkischen Reiches anerkannt wurde. Er stellte die Einheit und Festigkeit des Reiches wieder her, indem er 697 die Friesen zur Abtretung Westfrieslands zwang, 709–712 die Alemannen von neuem unterwarf und die Verbreitung des Christentums (s. Willibrord) förderte. Nach Pippins Tode (714) suchte seine Gemahlin Plechtrudis seinen Sohn Karl Martell von der Herrschaft fern zu halten uno diese für ihren Enkel Theudoald in Besitz zu nehmen. Doch wurde Karl in Austrasien zum Majordomus erhoben, unterwarf durch den Sieg bei Vincy 12. März 717 auch Neustrien, nötigte Plechtrudis zur Entsagung und erkannte, nachdem der von ihm 717 zum König von Austrasien ernannte Chlotar IV. 719 gestorben, den König Chilperich II. von Neustrien als alleinigen König (gest. 720) an; als dessen Sohn Theuderich IV. 737 starb, ließ er den Königsthron ganz unbesetzt. Karl rettete das fränkische Reich und die abendländisch-christliche Zivilisation vor Vernichtung durch die Araber durch seinen Sieg bei Tours und Poitiers (732), bezwang die Friesen (722), Bayern (728) und Alemannen (730), eröffnete 724 die Kriege gegen die Sachsen und lieh Bonifatius bei der Organisation der christlichen Kirche in Ostfranken seinen Schutz: so kann er als Schöpfer der karolingischen Monarchie angesehen werden. Bei seinem Tode (22. Okt. 741) teilte er diese unter seine beiden Söhne Karlmann und Pippin den jüngern (Pippin den Kurzen oder Kleinen, 741–768).
Nachdem die Brüder eine Empörung ihres Stiefbruders Grifo und einen Aufstand in Bayern gemeinschaftlich unterdrückt und das Herzogtum in Alemannien aufgehoben hatten, ging Karlmann, der bei der Teilung Austrasien und den Osten erhalten, 747 in ein Kloster. Pippin fügte zur tatsächlichen Herrschaft seines Hauses auch die äußere Würde hinzu. Auf einer Reichsversammlung zu Soissons im November 751 wurde Childerich III., der letzte Merowinger, der seit 743 als Schattenkönig den Thron innegehabt, seines ungeschornen Haupthaares beraubt, in ein Kloster geschickt und hierauf Pippin mit Zustimmung des Papstes zum König erhoben u. gesalbt; Stephan III. krönte ihn 754. Aus Dankbarkeit kam der neue König 755 und 756 dem päpstlichen Stuhl gegen den Langobarden Aistulf zu Hilfe und schenkte ihm das den Langobarden entrissene griechische Exarchat. Noch bei Lebzeiten teilte er sein Reich unter seine Söhne, so daß Karl Austrasien und Westaquitanien, Karlmann das übrige erhielt. Einen Streit zwischen den Brüdern nach Pippins Tode (768) verhinderte Karlmanns früher Tod (771), dessen unmündige Kinder von der Thronfolge ausgeschlossen wurden. Als Karlmanns Witwe mit ihnen zu ihrem Vater, dem Langobardenkönig Desiderius, floh und dieser die Rechte seiner Enkel vertrat, wurde er selbst seines Reiches beraubt (774). Karl der Große (768–814; s. Karl 2) erhob das F. zum Weltreich, das die germanischen Stämme des Festlandes zu einer Monarchie zusammenschmolz und die abendländische Christenheit unter einem Oberhaupt vereinigte. Er unterwarf seit 772 in langem, blutigem Ringen die Sachsen seiner Herrschaft und dem Christentum, ordnete durch Auflösung des Herzog tums Bayern (788) diesen Stamm seinem Reiche gänzlich unter, kämpfte mit Erfolg gegen die Dänen, Avaren und Araber und dehnte die Grenzen seines Reiches bis zum Ebro, zur Eider, zur Raab und zum Tiber aus; indem er sich darauf 25. Dez. 800 in Rom vom Papst Leo III. die römische Kaiserkrone aufsetzen ließ, gab er seiner Herrschaft das universale christliche Gepräge und überlieferte die Idee des römischen Weltreichs den spätern Jahrhunderten. Gleichzeitig baute er die von seinen Vorgängern übernommene Verfassung genial aus: dem König stellte sie eine Reichsversammlung zur Seite und schuf in den Grafen und Bischöfen ein Beamtentum, das die monarchische Gewalt in allen Teilen zur Geltung brachte. Karl hob Handel und Verkehr und legte den Grund zu einer nationalen Bildung und Gesittung, die sich auf den Trümmern der antiken Kultur aufbaute.
Diese großartige Schöpfung hatte jedoch keinen langen Bestand. Karls Sohn Ludwig der Fromme war seiner schwierigen Aufgabe in keiner Weise gewachsen; die Einheit des Reiches war daher nicht aufrecht zu erhalten, und die nationalen Verschiedenheiten traten in ihre Rechte ein. Die schon 817 von Ludwig festgestellte Thronfolgeordnung, gemäß der sein ältester Sohn, Lothar, die Kaiserwürde und den größten Teil des Reiches, der zweite, Pippin, Aquitanien, der dritte, Ludwig, Bayern erhalten, die beiden letztern aber Lothar untergeordnet werden sollten, wurde von dem Kaiser selbst zugunsten seines Sohnes aus zweiter Ehe, Karls des Kahlen, um gestoßen. Dadurch entstand zwischen Ludwig und seinen Söhnen ein Zwist, der das Reich im Innern zerrüttete, den Normannen und Arabern Gelegenheit zu furchtbaren Angriffen auf seine Grenzen gab. Als Ludwig mitten im Streit mit seinen Söhnen (von denen Pippin 838 gestorben war) 840 starb, versuchte Lothar mit der Kaiserkrone auch die Alleinherrschaft zu gewinnen, stieß aber allenthalben auf Widerstand. Der Streit zwischen den Brüdern wurde erst 843 durch den Teilungsvertrag von Verdun beendigt, wodurch das F. in drei Reiche: Ostfranken, Italien (mit Burgund und Lothringen) und Westfranken, zerfiel. Die älteste italienische Linie der Karolinger erlosch zuerst, nachdem sie sich 855 beim Tode Lothars I. wieder in drei Linien geteilt hatte: Burgund kam 863 nach Karls Tode an einheimische Könige, Lothringen ward nach Lothars II. Tode (869) im Vertrage von Mersen (870) zwischen Ost- und Westfranken geteilt; in Italien erloschen die Karolinger 875 mit Kai ser Ludwig II., und nur vorübergehend erlangten die karolingischen Herrscher von Ost- oder Westfranken die Kaiserkrone und die Herrschaft in Italien. Die ostfränkische Linie bestand bis 911. Ihr Gebiet erweiterte sich 870 um den größern, deutschen Teil Lothringens und um faßte nun alle germanisch gebliebenen, deutsch reden den Stämme des Frankenreichs; ihr zweiter König, Karl der Dicke, vereinigte 884–887 noch einmal das ganze fränkische Reich wenigstens dem Namen nach unter seinem Zepter. Sie erlosch mit Ludwig dem Kind, nach dessen Tode aus dem ostfränkischen Reich durch die sächsischen Kaiser das Deutsche Reich gebildet wurde (s. Deutschland, S. 801). Das Gebiet der westfränkischen Linie, das Land westlich von Rhone, Maas und Schelde bis an die Pyrenäen und das Meer, behauptete schließlich allein den Namen des Frankenreichs oder Frankreichs (s.d.) und blieb am längsten unter der Herrschaft der Karolinger (bis 987).
Literatur: Moeller, Histoire du moyen-âge depuis la chute de l'empire romain jusqu'á la fin de l'époque franque 476–950 (Löwen 1898); Richter, Annalen des fränkischen Reiches im Zeitalter der Merowinger (Halle 1873); Thierry, Recits des temps mérovingiens (neue Ausg., Par. 1882, 2 Bde.); Bornhak, Geschichte der Franken unter den Merowingern (Greifsw. 1863); Arnold, Fränkische Zeit (Gotha 1882); Gérard, Histoire des Francs d'Austrasie (Brüssel 1864, 2 Bde.); Löbell, Gregor von Tours und seine Zeit (2. Aufl., Leipz. 1869); Pertz, Geschichte der merowingischen Hausmeier (Hannov. 1819); Lehuëron, Histoire des institutions mérovingiennes (Par. 1841); Pron, La gaule mérovingienne (das. 1897); W. Schultze, Das merovingische F. (Deutsche Geschichte von der Urzeit bis zu den Karolingern, Bd. 2; Stuttg. 1896); Seignobos, L 'empire tr anc (in der »Revue des Cours et conférences«, 2. Serie, Bd. 6); Marignan, Etudes sur la civil isation française; Bd. 1: La société mérovingienne; Bd. 2: Le culte des saints sous les Mérovingiens (Par. 1899); Lehuëron, Histoire des institutions carlovingiennes (das. 1843); Gfrörer, Geschichte der oft- und westfränkischen Karolinger (Freiburg 1848, 2 Bde.); Warnkönig und Gérard, Histoire des Carolingiens (Brüssel 1862, 2 Bde.); Kaufmann, Deutsche Geschichte bis auf Karl d. Gr. (Leipz. 1880–81, 2 Bde.); Favé, L'empire des Francs (Par. 1888); Monod, La renaissance carolingienne (in den »Séances et travaux de l'Académie des sciences morales et politiques«, neue Folge, Bd. 52); Dahn, Die Könige der Germanen, Bd. 7–9 (Leipz. 1894–1902); »Jahrbücher des fränkischen Reiches« (hrsg von Breysig, Hahn, Ölsner, Abel und Simson); Dümmler, Geschichte des ostfränkischen Reiches (2. Aufl., Leipz. 1887–88, 3 Bde.); Waitz, Das alte Recht der salischen Franken (Kiel 1846); Derselbe, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 2–4 (3. Aufl., Berl. 1882–1885); »Chronographia regum francorum« (hrsg. von Moraneillé, Par. 1891–93, 2 Bde.); Böhmer-Mühlbacher, Regesta imperii I: Die Regesten des Kaiserreichs unter den Karolingern 751–918 (2. Aufl., Innsbruck 1899ff.). Vgl. auch die Geschichtskarten »Deutschland I« u. »Frankreich«; zur Kulturgeschichte die Tafeln »Kostüme I«, Fig. 10, »Kult ur der Metallzeit IV« und »Rüstungen I«, Fia. 1.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.