Schwefel

Schwefel

Schwefel (lat. Sulfur, hierzu Tafel »Schwefelgewinnung« mit Text) S, chemisch einfacher Körper, findet sich im freien Zustand in rhombischen Kristallen, auch in kugeligen und stalaktitischen Aggregaten, als Überzug, derb, eingesprengt (s. Tafel »Mineralien und Gesteine«, Fig. 11), pulverförmig, oft durch Ton, Bitumen, Selen oder Schwefelarsen verunreinigt, in Lagern und Nestern in Ton, Gips und Mergel, im Flöz- und tertiären Gebirge, mitunter in der Nähe von Kreide und Muschelkalk, selten in Lagern und Gängen im kristallinischen Schiefer- und Übergangsgebirge und im Granit, auch auf und in Stein- und Braunkohlenflözen. Ablagerungen von S. bilden sich noch jetzt durch Verdichtung von Schwefeldämpfen und Zersetzung von Schwefelverbindungen, die in vulkanischen Gebieten aus der Erde hervordringen. In den Solfataren wird S. aus Schwefelwasserstoff durch Einwirkung von Luft oder Schwefliger Säure abgeschieden; auch aus schwefelwasserstoffhaltigen Quellen (Schwefelwässern) bilden sich Ablagerungen von S. Gewisse Bakterien, namentlich Beggiatoen nehmen am Grunde von Gewässern aus Gips durch Zellulosegärung entwickelten Schwefelwasserstoff auf, oxydieren ihn zum Teil zu Schwefelsäure, speichern aber auch S. in ihren Zellen auf (10–25 Proz. ihres Gewichts), und auf diese Weise können Ablagerungen von S. entstehen. In pyritreichen Braunkohlen- und Alaunschieferlagern bilden sich durch den Verwitterungsprozeß Eisenvitriol, schwefelsaure Tonerde und S., der sich in Klüften absetzt. Sehr bedeutend sind die Schwefellager in der Molasse Siziliens, besonders in der Provinz Caltanissetta; ausgebeutet werden ferner sehr bedeutende Lager in Frankreich in den miocänen, Braunkohlen führenden Ablagerungen des Braunkohlenbeckens der Basses Alpes bei Biabaux, in der Sierra Gador bei Almeria in Südspanien, in Utah, Nevada, Louisiana, Japan (Absatz von Solfataren mit erheblichen Mengen von Tellur) und in Transkaspien bei Kirkh-Choulba; erwähnenswert ist auch das Vorkommen in der Romagna, bei Civitavecchia, bei Radobay in Kroatien, in den Karpathen, in Oberschlesien, Polen, auf Korfu, im Kaukasus und in Daghestan, bei Mosul in Mesopotamien, bei Bohar, am Roten Meer, in Tunis, China, am Clear- und Borax Lake in Kalifornien und am Popocatepetl in Mexiko, Alaska, auf Saba, an der Küste von Venezuela, in Peru, Chile, auf Neuseeland etc. Häufiger findet sich S. in Verbindung mit Metallen in Form von Kiesen, Glanzen, Blenden, die zum Teil wichtige Erze bilden. Schweflige Säure und Schwefelwasserstoff entströmen tätigen Vulkanen. Letzteres Gas findet sich auch unter den Fäulnisprodukten, und ersteres entweicht aus den Schornsteinen von Feuerungen, in denen schwefelkieshaltige Stein- oder Braunkohlen verbrannt werden. Steinkohle enthält im Durchschnitt 1 Proz. S. in Form von Schwefelkies (vgl. Schweflige Säure). Am verbreitetsten sind Schwefelsäuresalze, namentlich schwelfelsaurer Kalk (Gips, Anhydrit), schwefelsaurer Baryt (Schwerspat), schwefelsaure Magnesia (Kieserit) und schwefelsaures Alkali (im Polyhalit, Schömt, Kainit, Langbeinit etc.). Schwefelsaure Magnesia und schwefelsaures Natron finden sich auch im Quell-, Fluß- und namentlich im Meerwasser. Schwefelverbindungen sind auch im Pflanzen- und Tierreich weit verbreitet. Alle Eiweißkörper, Wolle, Haare, Hufe und ähnliche Gebilde enthalten S., ebenso gewisse ätherische Öle (Senföl, Knoblauchöl). – Über Gewinnung des Schwefels s. beifolgende Tafel.

S. bildet durchsichtige oder durchscheinende, harzglänzende, rhombische Kristalle, ist gelb, bei 100° etwas dunkler, bei -50° fast farblos, geschmacklos, bei gewöhnlicher Temperatur geruchlos, gerieben von schwachem Geruch, sehr spröde, Härte 1,5–2,5, spezifisches Gewicht des rhombischen 2,06, des monoklinischen 1,96, Atomgew. 32,06; er leitet Wärme und Elektrizität schlecht, wird beim Reiben stark elektrisch und ist daher schwer pulverisierbar, weil sich die Partikelchen fest aneinander hängen. Er ist unlöslich in Wasser, sehr wenig löslich in Alkohol, Äther, Fetten und ätherischen Ölen, reichlicher in Benzol, Steinöl und Terpentinöl, sehr leicht in Schwefelkohlenstoff und Chlorschwefel. S. verflüchtigt sich schon vor dem Schmelzen, und selbst bei gewöhnlicher Temperatur besitzt er eine merkliche Tension; auch mit Wasserdämpfen ist er flüchtig. Aus diesen Lösungen kristallisiert bei gewöhnlicher Temperatur rhombischer, bei höherer monoklinischer S. Rhombischer S. schmilzt bei 114,5°, monokliner bei 119,25° zu einer dünnflüssigen gelben Flüssigkeit aus der sich beim Erstarren lange, braune, biegsame, monoklinische Kristalle bilden. Während rhombischer S. sich bei 100° in monoklinische Kristalle verwandelt, gehen letztere bei gewöhnlicher Temperatur, besonders bei Berührung mit einem rhombischen Kristallsplitter, in die rhombische Modifikation über. Bei 96,5° können beide Modifikationen nebeneinander bestehen, jede Abweichung von dieser Temperatur führt zur Umlagerung der Moleküle in einem oder dem andern Sinne. Geschmolzener S. wird bei stärkerm Erhitzen dunkler und dickflüssig und ist zwischen 200 und 250° dunkel rotbraun und höchst zähflüssig; bei noch stärkerm Erhitzen wird er wieder dünnflüssiger, aber nicht heller, siedet bei 444,5° und gibt orangeroten Dampf. Dieser hat das spez. Gew. 6,6, und ein Dampfmolekül besteht aus 8 Atomen S. Bei stärkerm Erhitzen dehnt sich der Schwefeldampf sehr stark aus, wird hell und seine Dichte beträgt zwischen 860 und 1040° konstant 2,23, entsprechend dem Molekulargewicht 64, so daß also das Dampfmolekül S8 sich in 4 Moleküle S2 gespalten hat. Dunkler, zähflüssiger S. erstarrt bei schnellem Abkühlen in Wasser zu einer bernsteingelben (meist durch Spuren von Verunreinigung braunen), weichen, durchscheinenden Masse vom spez. Gew. 1,91, die allmählich, schneller beim Kneten, in gelben S. übergeht. Dieser S. ist nur zum Teil in Schwefelkohlenstoff löslich, ein Teil desselben bleibt als hellbraunes Pulver ungelöst zurück. Auch die Schwefelblumen und der Stangenschwefel enthalten neben löslichem S. eine hellgelbe, unlösliche Modifikation, und wird eine Lösung von S. in Schwefelkohlenstoff dem Licht ausgesetzt, so scheidet sich ebenfalls unlöslicher S. in Pulverform ab. Der in Schwefelkohlenstoff unlösliche S. ist beträchtlich löslich in Chloroform, Äther und Alkohol und wird bei anhaltendem Erwärmen auf 100° auch in Schwefelkohlenstoff löslich. S. hat große Verwandtschaft zu den meisten übrigen Elementen; beim Erhitzen an der Luft entzündet er sich bei 261° (248°) und verbrennt mit blauer, wenig leuchtender Flamme zu Schwefeldioxyd (Schwefliger Säure), das sich durch stechenden, erstickenden Geruch bemerkbar macht. Bei Gegenwart von Sauerstoffüberträgern, wie Platinmohr oder Eisenoxyd, bildet sich Schwefeltrioxyd. Feinverteilter S. oxydiert sich an der Luft auch bei gewöhnlicher Temperatur; Salpetersäure oxydiert ihn schnell zu Schwefelsäure; mit den meisten Metallen gibt er, zuweilen unter Feuererscheinung, Schwefelmetalle; mit Chlor, Brom, Jod, Phosphor verbindet er sich bei gewöhnlicher, mit Kohlenstoff, Wasserstoff bei höherer Temperatur; mit alkalischen Basen geschmolzen oder mit deren Lösungen gekocht, gibt er Schwefellebern, aus deren Lösungen durch starke Säuren der S. in sehr sein verteiltem Zustand als hellgelbes amorphes Pulver (Schwefelmilch, Lac sulfuris) gefällt wird. S. ist zweiwertig, gegenüber dem Sauerstoff sechswertig (SO3) und in organischen Schwefelbasen vierwertig. Verbindungen mit zweiwertigem S. nennt man Thioverbindungen, solche mit sechswertigem Sulfoverbindungen und solche mit vierwertigem Sulfinverbindungen. S. bildet mit Sauerstoff fünf Oxyde: Schwefeldioxyd (gewöhnlich Schweflige Säure genannt) SO2, Schwefeltrioxyd (Schwefelsäureanhydrid) SO3, Schwefelsesquioxyd S2O3, das beim Lösen von S. in Schwefeltrioxyd entsteht, Schwefelhexoxyd S2O6, das durch Polymerisation aus Trioxyd entsteht, und Schwefelheptoxyd oder -Peroxyd S2O7, das bei Einwirkung dunkler elektrischer Entladungen mit starker Spannung auf ein Gemisch von Schwefliger Säure und Sauerstoff entsteht. Mit Sauerstoff und Wasserstoff bildet er folgende Säuren: Hydro- oder Unterschweflige Säure H2S2O4, Schweflige Säure HS2O3, Schwefelsäure H2SO4, Dithionige oder Thioschwefelsäure (bisher Unterschweflige Säure genannt) H2S2O3, Dithionsäure oder Unterschwefelsäure H2S2O6, Trithionsäure H2S3O6, Tetrathionsäure H2S4O6, Pentathionsäure H2S5O6, Überschwefelsäure HSO4 und Carosche Säure (Sulfomonopersäure H2S2O9).

Man benutzt S. zur Darstellung von Schwefliger Säure, Schwefelsäure. Schwefelkohlenstoff, schwefligsauren und unterschwefligsauren Salzen, Schwefelleber, Schwefelchlorür, Zinnober, Musivgold und andern Schwefelmetallen, Ultramarin etc., ferner zum Vulkanisieren des Kautschuks und der Guttapercha, zur Darstellung von Zündhölzern, Schießpulver und Feuerwerkskörpern, zu Abgüssen und Kitten, besonders in Mischung mit Eisenoxyd oder Glaspulver (Zeïodelit, eine Masse, die auch mit gefärbt und zu Stockknöpfen, Briefbeschwerern etc. benutzt wird), in Form von Schwefelblumen zum Einpudern des Weinstocks gegen Traubenkrankheit, zum Schwefeln des Hopfens und Weins, zum Bleichen von Wolle, Stroh, Federn, auch als Arzneimittel. Er erzeugt in mäßigen Dosen breiige Stuhlentleerungen, in sehr großen Dosen aber Übelkeit, Wadenkrämpfe, Harnbeschwerden etc. Man gibt ihn als ab führendes Mittel, und er ist ein Bestandteil des Kurellaschen Brustpulvers. Auch gegen Bleichsucht wird S. angewandt. Außerlich benutzt man S. bei Hautkrankheiten, bei Akne, Seborrhöe, Prurigo etc. in Form von Pasten, Salben, Waschwässern. S. ist seit den ältesten Zeiten bekannt. Den Alchimisten galt er als Prinzip der Brennbarkeit und als Träger der Veränderlichkeit der Metalle durch das Feuer. Bis 1838 war die europäische Industrie fast ganz von dem sizilischen S. abhängig, und noch 1875 lieferte Sizilien 360 Mill. kg S., während die gesamte europäische Produktion nur 380 Mill. kg betrug. Die Produktion betrug 1899 in

Tabelle

Dazu kommt der in Großbritannien aus Sodarückständen regenerierte S. im Betrag von 31,000 Ton. Deutschland führte 1905 ein 399,887 dz u. 11,983 dz aus. Der sizilische S. ist neuerdings zum großen Teil besonders dadurch entbehrlich geworden, daß die für die Schwefelsäurefabrikation bestimmte Schweflige Säure, zu deren Darstellung der sizilische S. nicht hinreichen würde, gegenwärtig fast ausschließlich durch Rösten von Schwefelmetallen gewonnen wird. Vgl. Brunfaut, De l'exploitation des soufresen Italie et dans le midi de la France (2. Aufl., Par. 1874); Parodi, Soll' estrazione dello solfo in Sicilia (Flor. 1873); Bütschli, Untersuchungen über Mikrostrukturen des erstarrten Schwefels (Leipz. 1900).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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