Phosphor

Phosphor

Phosphor P, chemisch einfacher Körper, findet sich nicht im freien Zustand in der Natur, sehr verbreitet aber in Verbindung mit Sauerstoff und Metallen in der Form von Phosphorsäuresalzen, besonders als phosphorsaurer Kalk (Apatit, Phosphorit, Sombrerit), dann als phosphorsaure Magnesia mit Fluormagnesium (Wagnerit), als phosphorsaure Ammoniakmagnesia (Struvit), als phosphorsaure Tonerde (Wavellit, Kalait), mit Magnesium- und Ferrophosphat (Lazulit), als Bleiphosphat mit Chlorblei (Pyromorphit) oder mit Tonerde (Bleigummi), als Eisenphosphat (Vivianit, Phosphoreisensinter), auch mit andern Phosphaten (Eisenpecherz, Zwiselit, Triphyllin, Childrenit etc.), als Kupferphosphat (Lunnit, Tagilit), als Uranphosphat mit Kalk- und Kupferphosphat (Uranit, Kupferuranit), in vielen Arsensäuresalzen als teilweiser Ersatz der Arsensäure etc. Geringe Mengen von Phosphaten finden sich in den wichtigsten Gesteinsarten, durch deren Verwitterung sie in die Ackererde, in Quell-, Fluß- und Meerwasser gelangen. Die Pflanzen bedürfen des Phosphors als wichtigen Nahrungsmittels. Er begleitet in ihnen besonders die Eiweißkörper und findet sich daher am reichlichsten in Samen; in den Tieren finden sich Phosphorverbindungen im Blut, Fleisch, Gehirn (Lecithin), in Eiern, in der Milch, im Harn und in den festen Exkrementen; phosphorsaurer Kalk bildet die Hauptmasse der Knochen, und phosphorreiche Exkremente finden sich fossil als Guano und Koprolithen. Viele Eisenerze enthalten P., der in die Schlacken übergeführt und für die Landwirtschaft nutzbar gemacht wird

Zur Darstellung des Phosphors stellt man aus gebrannten Knochen mit 20–25 Proz. P. oder aus Mineralphosphaten durch Behandeln mit Schwefelsäure eine Lösung von saurem phosphorsaurem Kalk dar, verdampft, mischt den Rückstand mit Kohle und destilliert aus tönernen Retorten, die in einem dem belgischen Zinkosen ähnlichen Ofen liegen. Aus dem sauren phosphorsauren Kalk entsteht hierbei zuerst metaphosphorsaurer Kalk, der bei der Destillation 66 Proz. seines Phosphorgehalts abgibt und basisch phosphorsauren Kalk zurückläßt. Man erhält also theoretisch nur 2/3 des in den Knochen enthaltenen Phosphors, in der Praxis höchstens 1/3. Die entweichenden Phosphordämpfe werden durch kupferne Röhren in mit Wasser gefüllte Bottiche geleitet und hier bei 40° verdichtet. Der rohe P. wird unter Wasser mit chromsaurem Kali und Schwefelsäure behandelt, um niedrige Phosphoroxyde zu beseitigen, auch wohl aus eisernen Retorten destilliert, schließlich in Stangen oder Sektoren gegossen, auch gekörnt und unter Wasser in Blechbüchsen verpackt. Auf elektrochemischem Wege gewinnt man P. im elektrischen Ofen durch Erhitzen von phosphorsaurem Kalk mit Kohle unter Zusatz von Sand oder Kaolin als Flußmittel.

Gewöhnlicher P. ist farblos, meist etwas gelblich, durchscheinend, wachsglänzend, vom spez. Gew. 1,83, Atomgewicht 31,0; er ist bei niedriger Temperatur spröde, bei mittlerer schneid- und knetbar, schmilzt bei 44,3°, siedet bei 290°, bildet farblosen Dampf, verflüchtigt sich langsam schon bei gewöhnlicher Temperatur und kann mit Wasserdämpfen destilliert werden. Er ist unlöslich in Wasser, wenig löslich in Alkohol und Äther, fetten und flüchtigen Ölen, leicht in Schwefelkohlenstoff, Chlorschwefel und flüssigem Schwefelphosphor und kann aus diesen Lösungen, durch Sublimation, auch beim Aufbewahren im Dunkeln in einem zugeschmolzenen luftleeren Rohr in farblosen, diamantglänzenden Kristallen erhalten werden. An feuchter Luft oxydiert sich P. über 0° langsam zu Phosphoriger Säure, dabei leuchtet er im Dunkeln (Phosphoreszenz), es entwickeln sich leichte Nebel und knoblauchartiger Geruch; zugleich entstehen Ozon, Wasserstoffsuperoxyd und salpetrigsaures Ammoniak. Eine Spur von Terpentinöldampf, auch Ätherdampf, Schwefelwasserstoff etc. in der Luft verhindern das Leuchten und die langsame Oxydation. Die bei dieser langsamen Oxydation entwickelte Wärme reicht hin, gehäuft liegenden P. zu schmelzen. Bei 60° entzündet sich P. an der Luft und verbrennt mit weißer, leuchtender Flamme zu Phosphorsäureanhydrid. Deshalb muß P. stets unter Wasser aufbewahrt werden. P. entzündet sich um so leichter, je seiner verteilt er ist; nach dem Verdunsten einer Lösung von P. in Schwefelkohlenstoff auf Filtrierpapier entzündet sich dieses sofort. Auch durch Salpetersäure, Chromsäure etc. wird P. zu Phosphoriger Säure, dann zu Phosphorsäure oxydiert. Er verbindet sich direkt mit Schwefel, Chlor, Brom, Jod (zum Teil unter Feuererscheinung) und vielen Metallen. Aus vielen Metallsalzlösungen fällt P. Metall oder Phosphormetall unter Bildung von Phosphorsäure, und beim Kochen mit alkalischen Laugen entstehen Unterphosphorigsäuresalz und Phosphorwasserstoff. Dem Kern der Wasserstoffflamme erteilt P. eine smaragdgrüne Färbung. Das Molekulargewicht des weißen Phosphors ist P4, sein Dampf ist noch bei sehr hoher Temperatur beständig. Man kennt aber noch zwei andre Modifikationen, roten und schwarzen P. Beim Aufbewahren des Phosphors unter Wasser überzieht er sich mit einer weißen, allmählich abspringenden Rinde, die aus gewöhnlichem P. besteht; bei Einwirkung des Sonnenlichts, beim Erhitzen in sauerstofffreier Luft auf 240–250°, schneller in geschlossenen luftleeren Gefäßen bei 300° verwandelt sich der gewöhnliche P. in amorphen oder roten P. Zu dessen Darstellung erhitzt man gewöhnlichen P in einem geschlossenen eisernen Kessel, durch dessen Deckel ein langes, enges, an beiden Seiten offenes Rohr geht, auf 240°. Nach dem Entweichen der Luft wird das Rohr geschlossen. Das Produkt muß zerrieben und mit Natronlauge gekocht werden, um noch vorhandenen weißen P. zu entfernen. Der amorphe P. ist in kompakten Stücken rotbraun, auf der Bruchfläche eisenschwarz, spröde, unvollkommen metallglänzend, undurchsichtig, geruch- und geschmacklos, nicht giftig, vom spez. Gew. 2,1; er verändert sich nicht an der Luft, leuchtet also auch nicht, entzündet sich nicht durch Reiben, ist unlöslich in allen Lösungsmitteln, schmilzt nicht beim Erhitzen, ist aber bei 100° merklich flüchtig und kann bei vorsichtigem Erhitzen sublimiert werden. Er entzündet sich bei 200° und verwandelt sich in einer Atmosphäre von Kohlensäure bei 260° wieder in gewöhnlichen P. Der rote P. erscheint viel indifferenter als der letztere, wenn er auch wegen größerer Zerteilbarkeit von Salpetersäure leichter oxydiert wird. Mit Chlor verbindet er sich erst beim Erwärmen; mit chromsaurem Kali zusammengerieben, entzündet er sich; mit chlorsaurem Kali verpufft er leicht und heftig. Erhitzt man roten P. im geschlossenen Rohr anhaltend auf 360°, so entsteht schwarzer P. in stark metallglänzenden Kristallen vom spez. Gew. 2,34. Um gewöhnlichen P. sein zu zerteilen, schmelzt man ihn in einem verkorkten Fläschchen unter Wasser durch vorsichtiges Erwärmen und schüttelt dann heftig bis zum vollständigen Erkalten. Am Licht oberflächlich rot und undurchsichtig gewordener P. wird durch Erhitzen mit Wasser und etwas Salpetersäure oder mit alkoholischer Kalihydratlösung wieder farblos und durchscheinend. P. ist drei- und fünfwertig und bildet mit Sauerstoff Phosphorsuboxyd P4O, Phosphorhexoxyd P4O6, Unterphosphorige Säure H3PO2, Unterphosphorsäure P4H2O6, Phosphorige Säure H3PO3, Phosphorsäureanhydrid P2O5, Phosphorsäure H3PO4.

Der gewöhnliche P. ist höchst giftig. Beim Menschen kann eine Dosis von 0,05 g tödlich wirken. Schleunige ärztliche Hilfe ist unbedingt nötig (vgl. Phosphorvergiftung). Verwundungen durch brennenden P. sind gefährlich und heilen schwer. P. dient namentlich zur Darstellung von Zündhölzern (in neuerer Zeit mehr und mehr der rote, vgl. Zündhölzchen), ferner als Ratten- und Mäusegift, zu Brandgeschossen, zur Herstellung der Glühlampen und zur Bereitung gewisser Teerfarben, der Phosphorbronze und Phosphorsäure, des Jodäthyls, Jodmethyls und der Jodwasserstoffsäure, mit chlorsaurem Kali gemischt als explosive Armstrongsche Mischung, als Arzneimittel bei Rachitis, Osteomalazie, Leukämie, Kropf, äußerlich als Reizmittel. Bei längerm Aufenthalt in mit Phosphordämpfen gefüllten Räumen entsteht chronische Phosphorvergiftung (s. d.). – Der P. wurde 1669 von Brand in Hamburg und zum zweitenmal 1678 von Kunckel entdeckt und zuerst aus Harn dargestellt; den Namen P. (griech., »Lichtträger«) erhielt er von seiner Eigenschaft, im Dunkeln zu leuchten. Marggraf entdeckte 1757 die Phosphorsäure, und Gahn wies 1769 nach, daß die Knochen aus phosphorsaurem Kalk bestehen, und seitdem wurde die Darstellung des Phosphors in größerm Maßstab möglich. Schrötter entdeckte 1845 den amorphen P. Der P. wird hauptsächlich in Frankreich und England dargestellt. Die jährliche Produktion beträgt etwa 3000 Ton. – Cantons P., s. Phosphoreszenz, S. 815, und Calciumsulfurate.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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