Tierreich

Tierreich

Tierreich, die Gesamtheit der Tiere. Das T. läßt sich in seinen niedersten einzelligen Wesen von denen des Pflanzenreichs nicht trennen, falls man nicht, wie es einige Forscher tun, diese niedersten Lebewesen von zweifelhafter Stellung zu einem besondern Reiche, dem der Protisten, vereinigt und so für Tier- und Pflanzenreich eine bessere, allerdings künstliche Abgrenzung ermöglicht (vgl. Protozoen und Tier). Das T. selbst zerfällt in mehrere große Abteilungen (Typen, Klassen, Stämme), über deren Anzahl und Umfang man jedoch in Fachkreisen von jeher der verschiedensten Ansicht gewesen ist. Die erste Einteilung rührt von Aristoteles her, der Tiere mit und ohne Blut unterschied, die den heutigen Wirbeltieren und Wirbellosen (Vertebraten und In- oder Evertebraten) entsprechen würden, und von denen jede wieder in vier Klassen zerfiel, die zum Teil auch jetzt noch als gut begrenzt angesehen werden, nämlich: lebendig gebärende Vierfüßer (mit Einschluß der Wale), Vögel, Eier legende Vierfüßer, Fische; Weichtiere (die heutigen Tintenschnecken), Weichschaltiere (Krebse), Kerstiere, Schaltiere (Schnecken, Muscheln, Echinodermen). Erst gegen Ende des 18. Jahrh. wurde nach 2000jährigem Bestehen diese Klassifikation durch Linnés System von sechs Klassen (Säugetiere, Vögel, Amphibien, Fische, Insekten und Würmer) ersetzt. Die noch zu wenig bekannten niedern Tierformen erfahren hierbei wenig Berücksichtigung, und so bildete namentlich die Wurmgruppe ein buntes Allerlei von Tieren, die sonst nicht unterzubringen waren. Bereits nach wenigen Jahrzehnten (1812) erlangte daher Cuviers neue Einteilung der Tiere nach ihrer Gesamtorganisation allgemeinen Beifall; sie brachte vier große Typen oder Kreise, nämlich die Wirbel-, Weich-, Glieder- und Strahltiere, die ganz unabhängig voneinander nach vier verschiedenen Bauplänen gebildet sein sollten. Indessen auch hier vereinigte der unterste Kreis ganz heterogene Elemente in sich (Stachelhäuter, Cölenteraten, Eingeweidewürmer, Rädertiere und Infusorien), die zum großen Teil gar nicht strahlig gebaut sind. Es wurde daher nach und nach, besonders durch Siebold und R. Leuckart, die Anzahl der »Kreise« von vier auf sieben erhöht, indem man die Glieder- und Strahltiere besser sonderte. Mit dem Vordringen darwinistischer Prinzipien trat der dem Typus zugrunde liegende Begriff mehr zurück und man pflegt in der modernen Zoologie von Tierstämmen zu sprechen, die, aus gemeinsamer Wurzel hervorgegangen, in ihrer Gesamtheit den Baum des Tierreichs darstellen. Als solche Stämme faßt man in der Ordnung von unten nach oben auf: die Protozoen (auch häufig allen andern, den vielzelligen Tieren als Metazoen gegenübergestellt), die Cölenteraten (Schwämme, Korallen, Polypen, Quallen etc.), die Würmer, die Stachelhäuter (Seesterne, Seeigel etc.), die Gliederfüßer oder Arthropoden (Krebse, Insekten etc.), die Weichtiere (Muscheln, Schnecken etc.), die Molluskoiden (Armfüßer und Moostierchen), die Manteltiere (Tunikaten) und die Wirbeltiere. Doch verhehlt man sich dabei nicht, daß manche isolierte Gruppe, die man heute noch einem der genannten Stämme zurechnet, bei genauerer Erforschung ihres Baues vielleicht einen besondern Stamm bilden muß, und sucht auf der andern Seite nach den lebenden oder ausgestorbenen Bindegliedern zwischen den Stämmen. Dieser Auffassung zufolge lassen sich also die Tiere in ihrer natürlichen (d. h. auf Blutsverwandtschaft oder auf Abstammung voneinander beruhenden) Anordnung nicht in eine einfache Reihe, die vom niedersten zum höchsten Tiere reichen würde, bringen, sondern sie bilden die Äste, Zweige und Zweiglein eines mächtigen Baumes, dessen Krone die noch lebenden Tiere ausmachen, während die Zweige näher der Wurzel von der Ausdehnung des Baumes in frühern Zeiträumen berichten. Wie sich die genannten Stämme im einzelnen verhalten, ist in den betreffenden Artikeln nachzulesen.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Tierreich — Tierreich, die Gesamtheit der Tiere (s.d.) …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Tierreich — Tierwelt; (Zool.): Fauna. * * * Tierreich,das:⇨Tierwelt TierreichTierwelt,Fauna …   Das Wörterbuch der Synonyme

  • Tierreich — gyvūnija statusas T sritis ekologija ir aplinkotyra apibrėžtis Žemės, tam tikros teritorijos arba gyvenamosios terpės (buveinės) gyvūnų rūšių visuma. Kitaip nei fauna, apima ne tik ją sudarančių gyvūnų rūšinę sudėtį, bet ir individų gausą,… …   Ekologijos terminų aiškinamasis žodynas

  • Tierreich — das Tierreich (Aufbaustufe) Gesamtheit aller Tiere Synonyme: Tierwelt, Fauna Beispiel: Er beschäftigt sich mit der Erforschung des Pflanzen und Tierreichs …   Extremes Deutsch

  • Tierreich — Verschiedene Tiere Tiere sind nach dem herkömmlichen Verständnis Lebewesen, die ihre Energie nicht durch Photosynthese gewinnen und Sauerstoff zur Atmung benötigen. An Stelle einer Photosynthese ernähren sich Tiere von anderen tierischen und/oder …   Deutsch Wikipedia

  • Tierreich — Tier|reich 〈n. 11; unz.〉 Gesamtheit der Tiere * * * tier|reich <Adj.>: viele Tiere, eine Vielfalt von Tieren, Tierarten aufweisend: eine e Gegend, Wildnis. * * * Tier|reich, das <o. Pl.>: Bereich, Gesamtheit der Tiere in ihrer… …   Universal-Lexikon

  • Tierreich — Tier·reich das; nur Sg; alle Tiere (Tierarten), die es auf der Erde gibt ↔ Pflanzenreich …   Langenscheidt Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache

  • Tierreich — Tier|reich …   Die deutsche Rechtschreibung

  • holarktisches Florenreich und Tierreich, n — holarktinė sritis statusas T sritis ekologija ir aplinkotyra apibrėžtis Viena sausumos zoogeografinių sričių, apimanti 2 geografiškai izoliuotas sritis: Nearktiką (Šiaurės Ameriką iki Meksikos kalnyno pietinės ribos) ir Palearktiką (Europą,… …   Ekologijos terminų aiškinamasis žodynas

  • Tarnung im Tierreich — Rotkehlanolis (A. carolinensis) Tarnung, in der Verhaltensbiologie auch als Krypsis bezeichnet, ist bei Tieren der Vorgang oder Zustand, der darauf abzielt, irreführende Signale an ein anderes Lebewesen zu senden. Es ist der simpelste und… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”