- Mensūr
Mensūr (lat., »Maß«), in der Musik 1) das Verhältnis der Weite einer Orgelpfeife zu ihrer Länge, wobei man eine weite (z. B. Hohlflöte), mittlere (Prinzipal-) und enge (Gamben-) M. unterscheidet Die M. differiert etwa zwischen 1: 10 und 1: 24. Weite M. gibt einen weichen, enge einen scharfen, streichenden Ton. Überhaupt heißen M. bei Musikinstrumenten allerlei Maßverhältnisse, z. B. bei Flöten die Vestimmung der Stellen für die Tonlöcher, bei Saiteninstrumenten die Länge der Saiten etc. – 2) Ein heute veralteter, aber historisch sehr wichtiger Begriff, die Bestimmung der verschiedenen Geltung der Notenwerte je nach den Taktvorzeichen in der sogen. Mensuralmusik (s. d.). Man unterschied die dreiteilige oder vollkommene M. (mensura perfecta, im Hinblick auf die göttliche Trinität) von der zweiteiligen oder unvollkommenen (mensura imperfecta). Bei perfekter M. galt eine Note drei der nächst kleinern Wertgattung, bei imperfekter nur zwei. Die dreiteilige Geltung der Brevis wurde durch einen Kreis ◯, die zweiteilige durch einen Halbkreis (angedeutet, welch letzterer sich noch bis heute als Zeichen des 4/4-Taktes erhalten hat. Die dreiteilige Geltung der Semibrevis bestimmt ein Punkt im Kreis oder Halbkreis. Auch wurde die verschiedene Farbe der Note (Color) zur Andeutung imperfekter M. angewandt (rote, später weiße statt der schwarzen, zuletzt geschwärzte Noten statt der hohlen).
In der Technik ist M. ein zylinder- oder krugförmiges Glasgefäß, an der Außenseite mit einer Einteilungsskala nach Kubikzentimetern, für Wasser und gleich schwere Flüssigkeiten auch für das Gewicht in Grammen bei 15°.
In der Fechtkunst ist M. der Fechterabstand zwischen den Gegnern. Bei fester M. darf der Standpunkt nicht verlassen werden (Schlägermensur), bei freier M. ist Vor- und Zurückgehen gestattet (Säbel und Degen). In der Studentensprache bedeutet M. den vereinbarten Zweikampf entweder infolge einer gestellten persönlichen Forderung (»Kontrahage«), oder die Ausfechtung einer Bestimmungsmensur (s. d.), zu der die Mitglieder aller Verbindungen mit unbedingter Satisfaktion verpflichtet sind. Die heutige Studentenmensur, in erster Linie eine Kraft- und Mutprobe, ist von einem eigentlichen Duell wohl zu unterscheiden. Die gewöhnliche Forderung und die »Bestimmung« lautet auf 15 Minuten Fechtzeit; ist in dieser Zeit keine »Abfuhr«, d. h. eine Verletzung, vorgekommen, die den einen Fechter (Paukanten) kampfunfähig macht, so ist die M. »ex«. Bei Kontrahage bis zur »Abfuhr« wird die Fechtzeit auf 30 Minuten ausgedehnt. Bei jeder M. sind den Fechtern Pausen gestattet, die aber eine gewisse Dauer je nach dem »Paukkomment« nicht überschreiten dürfen. Lebensgefährliche Verletzungen sind durch den »Paukwichs« so gut wie ausgeschlossen, der Hals, Arm, Achselhöhle, Augen und Unterkörper deckt, dem feindlichen Schläger also nur Kopf und Gesicht frei läßt. Auf der Mehrzahl der Hochschulen ist der Korbschläger Kommentwaffe, auf einigen der Glockenschläger. Auf Korb wird gefochten in Aschaffenburg, Basel, Bern, Bonn, Brünn, Dorpat, Erlangen, Freiburg, Gießen, Göttingen, Graz, Hannover, Heidelberg, Innsbruck, Jena, Karlsruhe, Kiel, Leoben, Marburg, München, Münster, Prag, Riga, Rostock, St. Petersburg, Straßburg, Tübingen, Wien, Würzburg, Zürich; auf Glocke in Berlin, Breslau, Dresden, Freiberg, Greifswald, Halle, Königsberg, Leipzig, Tharandt. Die Auslage, die in vergangenen Jahrzehnten sehr verschieden war, ist jetzt überall die gleiche, ja selbst der Anhieb (Hochquart) ist bei S. C. (Verband der Korps) und L. C. (Verband der Landsmannschaften) vorgeschrieben. Der »Unparteiische« entscheidet in allen strittigen Fällen, überwacht den Hergang der M. und verkündet zum Schluß das Resultat. Die »Sekundanten« stehen zur Linken ihrer Paukanten mit gesenktem »Sekundierprügel«, um nötigenfalls sofort »einspringen« zu können, während die »Testanten« die Arme der Fechter in den Pausen stützen. Der »Paukdoktor« sorgt für ärztliche Behandlung der »Schmisse«. Studentenmensuren unterscheiden sich von dem gewöhnlichen Zweikampf (s. d.) dadurch, daß sie 1) meist Bestimmungsmensuren (s. d.) sind, also nicht auf einer Herausforderung beruhen; 2) daß sie meist mit Schlägern, also nicht mit tödlichen Waffen, ausgefochten werden. Das deutsche Reichsgericht und die ihm folgende Rechtsprechung der untern Gerichte wendet aber ständig auch gegen Mensuren die auf den Zweikampf gesetzten Strafen an, trotz der zahlreichen Gegnerschaft aus den Reihen der Strafrechtspraktiker und -Theoretiker. Vgl. »Offizieller Paukkomment für die deutschen Universitäten« (Leipz. 1890); Schmied und Kufahl, Fechtbüchlein (das. 1894); Berger, Das sogen. amerikanische Duell und die Schlägermensur (das. 1892); Kufahl u. Schmied-Kowarzik, Duellbuch (das. 1896); Blüthgen, Die studentischen Schlägermensuren in zivil- und strafrechtlicher Beleuchtung (Berl. 1905).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.