- Kegelschnitte
Kegelschnitte (Sectiones conicae), die Kurven, die sich als Schnitte einer Ebene mit der Fläche eines geraden Kreiskegels (s. Kegel) ergeben. Die sogen. eigentlichen oder nicht ausgearteten K. erhält man, wenn die Ebene nicht durch die Spitze des Kegels geht; ist dann die Ebene zu keiner Erzeugenden des Kegels parallel und trifft sie von den beiden in der Spitze zusammenhängenden Hälften des Kegels bloß die eine (Fig. 1), so liegen alle Punkte des Schnittes im Endlichen, und man hat eine Ellipse (s. d.), von welcher der Kreis (s. d.) ein besonderer Fall ist; trifft die Ebene dagegen beide Hälften des Kegels (Fig. 2 u. 3), so besteht die Kurve aus zwei ins Unendliche verlaufenden Ästen und ist eine Hyperbel (s. d.); den Übergang zwischen diesen beiden Kurvenarten bildet der Fall, daß die Ebene zu einer Erzeugenden des Kegels parallel ist (Fig. 4), sie hat dann mit der einen Hälfte des Kegels keinen im Endlichen liegenden Punkt gemein und die Kurve besteht aus einem ins Unendliche verlaufenden Ast, sie ist eine Parabel (s. d.). Geht die Ebene durch die Kegelspitze, so erhält man einen ausgearteten Kegelschnitt, der entweder aus zwei Erzeugenden des Kegels oder aus einer (doppelt zählenden) Erzeugenden oder bloß aus einem Punkte (der Kegelspitze) besteht. In den Figuren 1, 3 u. 4 sind die Stücke, in die der Kegel durch die Ebenen zerlegt wird, auseinandergerückt, um die Schnittflächen besser sichtbar zu machen. In Fig. 2 sind zwei parallele ebene Schnitte dargestellt, durch die der Kegel in drei Stücke zerfällt (Fig. 3), und von denen der durch die Spitze gehende ein Geradenpaar, der andre eine Hyperbel liefert. Von allgemeinen Eigenschaften der K. sind folgende zu erwähnen: 1) Ein nicht ausgearteter Kegelschnitt wird von jeder Geraden höchstens in zwei Punkten getroffen; wird er bloß in einem Punkte getroffen, so heißt die Gerade Tangente und der betreffende Punkt ihr Berührungspunkt.
Von jedem Punkte der Ebene lassen sich höchstens zwei Tangenten an den Kegelschnitt ziehen. 2) Der Potenzsatz (von Newton aufgestellt, aber schon dem Archimedes bekannt): zieht man durch einen beliebigen Punkt O, der nicht auf dem Kegelschnitt liegt, zwei Gerade, von denen die eine diesen in den Punkten A, B trifft, die andre in C, D, so ist der Bruch OA.OB/OC.OD nur von den Richtungen der Geraden A B und C D, nicht aber von der Lage des Punktes O abhängig, d. h. ist O' ein andrer Punkt u. zieht man durch O' parallel zu AB u. CD gerade Linien, die den Kegelschnitt der Reihe nach in A', B' u. C', D' treffen, so ist:
3) Der Pascalsche Satz: »Ist ein Sechseck einem Kegelschnitt eingeschrieben, so liegen die Schnittpunkte gegenüberliegender Seiten in einer geraden Linie«. Als »eingeschriebenes Sechseck« bezeichnet man hier den aus sechs Geradenstücken bestehenden geschlossenen Linienzug, der sechs auf dem Kegelschnitt liegende Punkte in irgend einer Reihenfolge verbindet, wie in Fig. 5 der Linienzug A B C D E F A; gegenüberliegende Seiten des Sechsecks sind die 1. und 4., 2. und 5., 3. und 6., so daß also in der Figur M, N und P die drei Punkte sind, die auf einer Geraden (m) liegen. Die Gerade m heißt die Pascalsche Gerade des Sechsecks A B C D E F, die ganze Figur nennt man auch mystisches Sechseck (Hexagramm). Der Satz zeigt, daß ein Kegelschnitt durch fünf seiner Punkte, von denen keine drei in gerader Linie liegen, bestimmt ist, denn sind A B C D E gegeben, und zieht man durch E eine beliebige gerade Linie f, so findet man deren zweiten Schnittpunkt F mit dem Kegelschnitte so: man sucht die Schnittpunkte: M von A B und D E, N von B C und f, P von C D und M N, dann ist F der Schnittpunkt von A P und f. 4) Die Gleichung eines Kegelschnitts hat für ein beliebiges rechtwinkliges Koordinatensystem (s. Koordinaten) stets die Form:
ax2+2bxy+cy2+2dx+2ey+f = 0.
wo a, b... f unveränderliche Größen sind; für b2 < ac hat man eine Ellipse, b2 = ac eine Parabel, für b2 > ac eine Hyperbel.
5) Zu jedem Kegelschnitt gehört eine Gerade, seine Hauptachse, die ihn in zwei symmetrische Hälften zerlegt. Auf dieser liegen zwei merkwürdige Punkte, die Brennpunkte, zu deren jedem eine auf der Hauptachse senkrechte Gerade gehört, die Leitlinie (Direktrix) heißt. Ist A X (Fig. 6) die Hauptachse, F ein Brennpunkt und f die zu F gehörige Leitlinie, so steht für jeden Punkt P des Kegelschnitts seine Entfernung P L von der Leitlinie zur Entfernung PF von dem Brennpunkt in dem Verhältnis 1:ε wo die positive Zahl ε für alle Punkte des Kegelschnitts denselben Wert besitzt und die numerische Exzentrizität heißt, es ist also immer: P F = ε. P L.
Benutzt man als Anfangspunkt eines rechtwinkligen Koordinatensystems den auf der Hauptachse zwischen F und der Leitlinie liegenden Punkt A (den Scheitel) des Kegelschnitts (A F = ε. A S) und als Abszissenachse die Hauptachse, so besteht zwischen den Koordinaten A M = x, M P = y von P die Gleichung (Scheitelgleichung des Kegelschnitts):
y2 = 2px+(ε2-1)x2,
wo p = A F (1+ε) (der Parameter des Kegelschnitts) die Länge der Geraden ist, die in F auf der Hauptachse senkrecht steht und bis zur Kurve reicht. Je nachdem ε < 1, ε = 1 oder ε > 1 ist, hat man eine Ellipse (s. d.), Parabel (s. d.) oder Hyperbel (s. d.), für ε = 0 insbes. einen Kreis. Setzt man y = 0, so wird entweder x = 0 oder x = 2 p: (1-ε2), der Kegelschnitt trifft also die Hauptachse noch in einem zweiten Punkte (dem zweiten Scheitel); die Mitte zwischen beiden Scheiteln heißt der Mittelpunkt des Kegelschnitts; der zweite Brennpunkt und die zu ihm gehörige Leitlinie liegen in bezug auf den Mittelpunkt symmetrisch. Bei der Parabel, wo ε = 1 ist, fallen der zweite Scheitel, der Mittelpunkt, der zweite Brennpunkt und die zweite Leitlinie ins Unendliche. 6) Die Entfernung F P eines Punktes P der Kurve vom Brennpunkt heißt der Leitstrahl (Brennstrahl)oder radius vector von P; bezeichnet man den Winkel X F P mit φ, so ist r = p: (1-εcosφ) die Gleichung des Kegelschnitts in Polarkoordinaten. Zieht man in P die Tangente PT an den Kegelschnitt, errichtet auf dieser in P die Senkrechte (die Normale), welche die Hauptachse in N trifft, und setzt man den Winkel F P N = ψ, so ist stets P N. cos ψ: = dem Parameter p. Der zu P gehörige Krümmungshalbmesser des Kegelschnitts hat die Größe ρ = P N: cos2ψ.
Man findet daher den zu P gehörigen Krümmungsmittelpunkt R, der auf der Normalen von P liegt, wenn man auf P N in N die Senkrechte errichtet, die den verlängerten Leitstrahl P F in Q trifft und dann auf P Q in Q die Senkrechte errichtet, welche die Normale in R schneidet. 7) Jede Gerade, die zwei Punkte des Kegelschnitts verbindet, heißt eine Sehne, die Mitte zwischen diesen beiden Punkten heißt die Mitte der Sehne (Sehnenmitte). Der Ort der Mitten aller zu einer Geraden parallelen Sehnen ist eine Gerade, die man Durchmesser des Kegelschnitts nennt.
Bei Ellipse und Hyperbel gehen alle Durchmesser durch einen Punkt, den Mittelpunkt, und jedem Durchmesser ist ein andrer, sein konjugierter, zugeordnet, derart, daß von zwei konjugierten Durchmessern jeder die dem andern parallelen Sehnen halbiert; der zur Hauptachse konjugierte Durchmesser, die Nebenachse, steht auf der Hauptachse senkrecht, und es ist dies das einzige Paar von zueinander senkrechten konjugierten Durchmessern, nur beim Kreise steht jeder Durchmesser auf seinem konjugierten senkrecht. Bei der Parabel, wo der Mittelpunkt ins Unendliche fällt, sind alle Durchmesser parallel. 8) Jedem Punkte der Ebene ist eine Gerade zugeordnet, die man seine Polarev bezug auf den Kegelschnitt nennt, und umgekehrt ist jede Gerade die Polare eines bestimmten Punktes, der ihr Polin bezug auf den Kegelschnitt heißt. Zieht man durch einen Punkt U eine Gerade, die den Kegelschnitt in zwei Punkten V und W trifft, so schneiden die in V und W an den Kegelschnitt gezogenen Tangenten einander stets auf der Polaren von U, ebenso erhält man einen Punkt der Polaren von U, wenn man auf der Geraden U V W zu U, V, W den vierten harmonischen Punkt (s. Harmonische Teilung) sucht, der zu U konjugiert ist. Die Polare eines Punktes auf dem Kegelschnitt ist die zu dem Punkte gehörige Tangente. Die Polaren aller Punkte einer Geraden gehen durch den Pol dieser Geraden und die Pole aller durch einen Punkt gehenden Geraden liegen auf dem Pole dieser Geraden.
Geschichte. Schon die alten Griechen haben sich mit den Kegelschnitten in ausgedehntem Maße beschäftigt; ihr Wissen über diese Kurven hat Apollonios von Perge (s. Apollonios 2) in einem berühmten Werke zusammengefaßt; vgl. Zeuthen, Die Lehre von den Kegelschnitten im Altertum (deutsch, Kopenh. 1886). Erst Desargues und Pascal sind über das, was die Alten schon wußten, hinausgekommen. Um dieselbe Zeit wurde durch die von Descartes 1637 angegebene Koordinatenmethode ein neuer Weg zur Untersuchung der K. eröffnet, den zuerst Wallis in dem »Tractatus le sectionibus conicis nova methodo expositis« (1655) ausgiebig benutzt. Seitdem bildet die Lehre von den Kegelschnitten den Hauptinhalt der zahllosen Lehrbücher der analytischen Geometrie, unter denen am ausführlichsten das von Salmon-Fiedler ist (»Analytische Geometrie der K.«, 2 Tle., 6. Aufl., Leipz. 1898 u. 1903). Endlich hat die neuere synthetische oder projektive Geometrie (Poncelet, Möbius, Steiner, Chasles, v. Staudt) die K. wieder rein geometrisch behandeln gelehrt. Vgl. Geometrie.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.