Möbĭus

Möbĭus

Möbĭus, 1) August Ferdinand, Mathematiker und Astronom, geb. 17. Nov. 1790 in Schulpforta, gest. 26. Sept. 1868 in Leipzig, studierte in Leipzig und Göttingen, habilitierte sich 1815 in Leipzig und wurde dort 1816 außerordentlicher Professor und Observator, später Direktor der Sternwarte in der Pleißenburg, 1844 ordentlicher Professor. Er hat für die analytische Geometrie in den zuerst von ihm angewandten homogenen Koordinaten ein überaus wichtiges Hilfsmittel geschaffen und die Geometrie überhaupt durch Einführung neuer Begriffe und Methoden ganz wesentlich gefördert, so daß er neben Poncelet, Jak. Steiner und Plücker (s. d.) als einer der Begründer der neuern Geometrie zu betrachten ist. Sein geradezu klassisches Hauptwerk ist: »Der baryzentrische Kalkul« (Leipz. 1827), aber auch sein »Lehrbuch der Statik« (das. 1837, 2 Bde.) und »Die Elemente der Mechanik des Himmels, auf neuen Wegen ohne Hilfe höherer Rechnungsarten dargestellt« (das. 1843) sind durch Originalität und Eleganz der Darstellung ausgezeichnet. Gemeinverständlich sind: »Die Hauptsätze der Astronomie etc.« (Leipz. 1836; 10. Aufl. von Wislicenus in der »Sammlung Göschen«, Leipz. 1905). Seine »Gesammelten Werke« gaben Baltzer, F. Klein und Scheibner heraus (Leipz. 1885–87, 4 Bde.). Vgl. Bruhns, Die Astronomen der Sternwarte auf der Pleißenburg zu Leipzig (im Dekanatsprogramm der philosophischen Fakultät für 1877/78).

2) Theodor, Forscher auf dem Gebiete der altnordischen Sprache und Literatur, Sohn des vorigen, geb. 22. Juni 1821 in Leipzig, gest. daselbst 25. April 1890, machte hier und in Berlin seine Universitätsstudien, habilitierte sich 1852 in Leipzig für das Skandinavische, wurde 1859 zum außerordentlichen Professor ernannt und folgte 1865 einem Ruf als ordentlicher Professor der nordischen Philologie an die Universität in Kiel, wo er bis 1888 wirkte. Er schrieb: »Über die ältere isländische Saga« (Leipz. 1852); »Catalogus librorum islandicorum et norvegicorum aetatis mediae« (das. 1856), der nebst der in deutscher Sprache abgefaßten Fortsetzung: »Verzeichnis der auf dem Gebiete der altnordischen Sprache und Literatur von 1855–79 erschienenen Schriften« (das. 1880), ein unentbehrliches bibliographisches Hilfsmittel bildet; »Analecta Norroena« (das. 1859, 2. Ausg. 1877); »Über die altnordische Philologie im skandinavischen Norden« (das. 1864); »Altnordisches Glossar« (das. 1866); »Dänische Formenlehre« (Kiel 1871); »Über die altnordische Sprache« (Halle 1872). Von seinen Ausgaben altnordischer Denkmäler sind besonders hervorzuheben: »Edda Sæmundar« (Leipz. 1860); »Fornsögur« (mit Gudbr. Vigfusson, das. 1860); »Háttatal Snorra Sturlusonar« (Halle 1879–1881) und »Kormaks Saga« (das. 1886). Vgl. den Nekrolog von K. Maurer und H. Gering in der »Zeitschrift für deutsche Philologie«, Bd. 23 (Halle 1891).

3) Karl, Zoolog, geb. 7. Febr. 1825 in Eilenburg, studierte in Berlin, wurde 1853 Lehrer am Johanneum in Hamburg, 1868 Professor der Zoologie in Kiel und 1887 Direktor des Museums für Naturkunde in Berlin. 1905 legte er die Geschäfte als Verwaltungsdirektor des Museums nieder. In Kiel widmete er sich dem Studium der Seetiere. Er bereiste 1868 und 1869 die deutschen, französischen und englischen Küsten zum Studium der künstlichen Austernzucht und machte über diese und über die Miesmuschelzucht sehr beachtenswerte Vorschläge (»Über Austern- und Miesmuschelzucht«, Berl. 1870). 1871 und 1872 war er Mitglied der Kommission zur wissenschaftlichen Untersuchung der deutschen Meere, befuhr auf der Pommerania die Ost- und Nordsee und bearbeitete für die »Jahresberichte« der genannten Kommission (Berl. 1873 u. 1875) mehrere Klassen der wirbellosen Tiere. 1874–75 begleitete er die zur Beobachtung des Venusdurchgangs ausgeschickte Expedition nach Mauritius und den Seychellen, um die Fauna der Korallenrisse zu studieren. In Berlin reorganisierte er das Zoologische Museum und schuf neben der wissenschaftlichen eine Schausammlung für das Publikum. Für die »Wissenschaftlichen Ergebnisse der deutschen Tiefsee-Expedition (Valdivia)« bearbeitete er die Pantopoden (1902) und für die »Anleitung zu wissenschaftlichen Beobachtungen auf Reisen« (Berl. 1888) die wirbellosen Seetiere. Er schrieb: »Die Nester der geselligen Wespen« (Hamb. 1856); »Die echten Perlen« (das. 1857); »Neue Seesterne des Hamburger und Kieler Museums« (das. 1859); »Bau, Mechanismus und Entwickelung der Nesselkapseln« (das. 1866); »Die Fauna der Kieler Bucht« (mit H. A. Meyer, Leipz. 1865–73, 2 Bde.); »Die Auster und die Austernwirtschaft« (Berl. 1877); »Der Bau des Eozoon canadense« (Kassel 1878); »Beiträge zur Meeresfauna der Insel Mauritius und der Seychellen« (mit Richters und v. Martens, Berl. 1880); »Die Fische der Ostsee« (mit Heincke, das. 1883); »Die Bildung, Geltung und Bezeichnung der Artbegriffe« (Jena 1886); »Bruchstücke einer Rhizopodenfauna der Kieler Bucht« (Berl. 1889); »Das Flaschentierchen Folliculina ampulla« (Hamb. 1887); »Über die Grundlagen der ästhetischen Beurteilung der Säugetiere« (Berl. 1900). Auch gab er heraus: »Die Tierwelt Ostafrikas und der Nachbargebiete« (in »Deutsch-Ostafrika«, Bd. 3 u. 4, Berl. 1895–98).

4) Paul, Mediziner, geb. 24. Jan. 1853 in Leipzig, studierte seit 1871 daselbst, in Jena und Marburg, war 1883–93 Privatdozent in Leipzig und praktiziert seitdem daselbst als Nervenarzt. M. lieferte zahlreiche Arbeiten aus dem Gebiete der Neurologie, über das Pathologische bei großen Männern, über die geistigen Geschlechtsunterschiede und die relative Berechtigung der Phrenologie. Er schrieb: »Die Nervosität« (Leipz. 1882, 3. Aufl. 1905); »J. J. Rousseaus Krankheitsgeschichte« (das. 1889); »Allgemeine Diagnostik der Nervenkrankheiten« (2. Aufl., das. 1894); »Abriß der Lehre von den Nervenkrankheiten« (das. 1893); »Neurologische Beiträge« (das. 1894–98, 5 Hefte); »Die Migräne« (2. Aufl., Wien 1903), »Die Basedowsche Krankheit« und »Der umschriebene Gesichtsschwund« (das. 1895 u. 1896, in Nothnagels »Spezieller Pathologie und Therapie«); »Über die Behandlung von Nervenkranken und die Errichtung von Nervenheilstätten« (2. Aufl., Berl. 1896); »Über das Pathologische bei Goethe« (Leipz. 1898); »Über die Tabes« (Berl. 1897); »Über Schopenhauer« (Leipz. 1899); »Über die Anlage zur Mathematik« (das. 1900); »Über Kunst und Künstler« (das. 1901); »Stachyologie, weitere vermischte Aufsätze« (das. 1901); »Über das Pathologische bei Nietzsche« (Halle 1902); »Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes« (7. Aufl., das. 1905); »Beiträge zur Lehre von den Geschlechtsunterschieden« (das. 1903–04, 8 Hefte); »Über den Kopfschmerz« (das. 1902). Von seinen ausgewählten »Werken« erschienen bisher 7 Bände (Leipz. 1903–06). Auch ist M. seit 1885 Mitherausgeber von »Schmidts Jahrbüchern der gesamten Medizin«.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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