- Niederländisch Indien
Niederländisch Indien (Insulinde), die Besitzungen des Königreichs der Niederlande im Indischen Archipel (s. Karte »Hinterindien«), umfaßt mit Ausnahme einiger Teile sämtliche Inseln zwischen 6° nördl. und 11°15´ südl. Br. und 95–141° östl. L., nämlich Sumatra mit Simalu, Nias und den Mentaweiinseln, den Riou- und Linga-Archipel, Banka, Billiton, Java und Madura, Bali, Lombok, Sumbawa, Flores, Sumba, die Südwesthälfte von Timor und die andern Kleinen Sundainseln, die Großen und Kleinen Molukken mit den Südost- und Südwestinseln, Celebes, den größern (südlichen) Teil von Borneo und die Westhälfte von Neuguinea (bis 141° östl. L.) mit allen Küsteninseln und zerfällt administrativ in folgende Abteilungen:
Unter dieser Zahl befanden sich nur 75,927 Europäer (davon 1200 Deutsche, je 300 Franzosen, Belgier und Engländer, 200 Schweizer), 460,000 Chinesen, 24,000 Araber, 27,000 nicht eingeborne Orientalen und rund 32 Mill. Eingeborne. Die Zahl der Chinesen ist in dauernder Zunahme begriffen, ebenso die der Araber. An öffentlichen Schulen bestanden 1900: für Europäer 7 Mittelschulen mit 1139 Schülern und 120 Lehrern, ferner 130 gemischte Elementarschulen, 30 Mädchen- und 191 Privatschulen mit insgesamt 18,992 Schülern und 738 Lehrern; für Eingeborne 5 Normalschulen mit 154 Schülern und 27 Lehrern, ferner 539 Regierungs- und 840 Privatschulen mit 89,335, bez. 58,132 Schülern; außerdem 4 Schulen für Söhne der eingebornen Häuptlinge mit 208 Schülern. Insgesamt gab die Regierung von N. für die Erziehung der Eingebornen 1900: 1,590,782 Gulden aus. Höhere Bürgerschulen gibt es in Batavia, Samarang und Surabaja, ein Gymnasium in Batavia. Es erscheinen gegen 20 Zeitungen, darunter »Het Bataviasche Nieuwsblad«, »Het Bataviasche Handelsblad«, »De Javabode« in Batavia und »De Locomotief« in Samarang. Herrschende Religion ist der Islam, doch ist allen Bekenntnissen völlige Religionsfreiheit gewährleistet. Die Zahl der Christen betrug 1896 in Java und Madura 19,193, in den Außenbesitzungen 290,065. 1900 waren 133 Missionare verschiedener Gesellschaften tätig; die reformierte Kirche war durch 66, die römisch-katholische durch 49 (nicht aus öffentlichen Geldern bezahlte) Geistliche vertreten. Das Rechtswesen beruht auf dem Grundsatz, daß Europäer und ihre Angestellten nach den Gesetzen des Mutterlandes, Eingeborne nach ihren Bräuchen abgeurteilt werden. Ein höchster Gerichtshof besteht in Batavia. Die Zahl der Gefängnisse beträgt etwa 300 mit (1899) 31,019 Insassen.
Für die landwirtschaftliche Produktion sind die Verhältnisse auf Java (s. d., S. 211) maßgebend. Nach der Agrarreform von 1870, die Privatleuten eine langfristige Pachtung großer Ländereien ermöglichte, hat der Privatbesitz sehr zugenommen. 1900 waren von der Regierung vergeben: an 784 Gesellschaften und einzelne Europäer 500,000, an Chinesen 18,000 Hektar. – Der Handel ergab 1901 an Einfuhr 229,229,069, an Ausfuhr 255,241,714 Gulden. Wichtigste Einfuhrartikel (in Millionen Gulden) waren: Reis (17,5), Baumwollwaren (35), Fische und andre Eßwaren (16), Maschinen etc. (11,2), Dungstoffe (5,5), Petroleum (4), Opium (3,5), Tonwaren, Papier etc.; wichtigste Ausfuhrartikel: Zucker (72,4), Rohtabak (33,5), Kaffee (16,6), Kopra (8,8), Chinarinde, Petroleum, Pfeffer und andre Gewürze, Tee, Zinn (5,8):c. Der Schiffsverkehr umfaßte 1901: 5554 Schiffe mit 5,852,396 Ton., darunter 370 britische mit 1,6 Mill. T. und 256 deutsche mit 0,7 Mill. T.-Die Eisenbahnen hatten Ende 1900: 2160 km Gesamtlänge und 18,447,000 Gulden Jahreseinnahme. Die Post beförderte 1900 durch etwa 2000 Ämter im innern Verkehr 11,363,170 und im äußern Verkehr 1,614,683 Briefe, die 383 Telegraphenämter auf 11,200 km Linie 708,037 Depeschen. Früher lieferte N. große Überschüsse in die holländische Staatskasse, seit einer Reihe von Jahren haben die Budgets aber öfters mit Fehlbeträgen abgeschlossen; 1902 betrugen die Einnahmen 152,2, die Ausgaben 159,7 Mill. Gulden; es ergab sich somit ein Defizit von 7,5 Mill. Gulden. Die Einnahmen fließen vornehmlich aus dem Verkauf von Kaffee, Zinn, Chinarinde, aus der Verpachtung des Opiumertrags, Zöllen, Grundsteuer, Salzsteuer, Eisenbahnen etc.
Münzwesen. Es herrscht Silberwährung und seit 1839 die Einteilung des niederländischen Guldens (Roepije, engl. Guilder) von 10 g mit 945 Tausendteilen Silber = 1,701 Mk. der Talerwährung in 100 Deut (Duiten). Nach dem Gesetz vom 1. Mai 1854 werden für Indien besondere Scheidemünzen mit 720 Tausendteilen Silber zu 25 Duiten 3,18 g schwer = 41,21 Pfennig deutscher Talerwährung, ferner zu 10 und 5, Kupfermünzen zu 21/2, 1 und 1/2 Deut geprägt. Im Kleinhandel kommen noch chinesische Käsch (Pitje), auf Sumatra der altspanische Piaster = 16 Bos oder Schnüren von 500 Kipping (Pitjes) vor. Maße und Gewichte sind amtlich die niederländischen, doch mißt man Zeug teilweise mit der Brabanter Elle zu 3/4 engl. Yard = 68,58 cm; der Covid von Amboina = 46,058 cm. Wegemaß ist der Paal von 1506,94 m, Feldmaß das Jonke von 4 Bouws = 2,839 Hektar, Gold- und Silbergewicht die altholländische Mark von 9 Reals = 246,084 g. Als Handelsgewicht dient hauptsächlich der Pikul von 100 Katjes = 61,521 kg, in Amboina = 59,06 kg, für große Mengen das Kojang mit örtlich ungleicher Anzahl von Pikuls; das Katje oder Kätti setzt man häufig = 11/3 engl. Pfund oder 604,79 g.
Politisch zerfällt N. in 1) Länder unter direkter Regierung, 2) Vasallenländer, 3) konföderierte Länder; die holländischen Besitzungen sind geteilt in Residentien, Divisionen, Regentien, Distrikte und Dessas (Gemeinden). Der über ganz N. stehende Generalgouverneur wird vom Staatsoberhaupt der Niederlande auf fünf Jahre ernannt, ebenso der Rat von Indien (5 Mitglieder). Der Generalgouverneur residiert in Batavia und Buitenzorg. An der Spitze der einzelnen Residentschaften etc. stehen niederländische Beamte, die auch die Aussicht über die benachbarten Vasallenländer und Bundesstaaten ausüben. Die rein koloniale Armee wird ausschließlich durch Anwerbung ergänzt; sie bestand 1900 aus 1367 Offizieren und 36,798 Mann; unter letztern waren 13,762 Europäer, 40 Afrikaner und 22,996 Eingeborne. Außerdem bestehen Kolonialreserven, indische Korps etc. In Meester Cornelis bei Batavia befindet sich eine Militärakademie. Die Flotte hat N. mit dem Mutterland zum Teil gemeinsam; in der indischen Marine (17 Schiffe) dienten 1900: 3317, auf den 6 heimischen Hilfsschiffen 1566 Mann, mei st Europäer.
Vgl. van der Lith, Nederlandsch Oostindië (2. Aufl., Leiden 1893–95, 2 Bde.) und Encyclopaedie van Nederlandsch-Indië (mit Spaan u.a., Haag 1895–1906, 4 Bde.); van den Berg, The financial and economical condition of Netherlands India (das. 1895); Heldring, Oost-Aziëen Indië (Amsterdam 1899); Verschuur, Aux colonies d' Asie et dans l'Océan Indien (Par. 1900); »Guide à travers la section des Indes Néerlandaises. Expos. univ. à Paris 1900« (Haag 1900); Breitenstein, 21 Jahre in Indien (Leipz. 1899–1903, 3 Bde.); Kleintjes, Het staatsrecht van Nederlandsch Indië (Amsterd. 1903, 2 Tle.); Blink, Nederlandsch Oost-en West-Indie, geographisch, ethnologischen économisch beschreven (Leiden 1904 ff.); v. Bockelmann, Wirtschaftsgeographie von N. (Halle 1904); »Guide through Netherlands India« von van Bemmelen und Hooyer (2. Aufl., Lond. 1903); die jährlich erscheinenden amtlichen »Jaarcijfers: Kolonien« (Haag); Hartmann, Repertorium op de literatuur betreffende de Nederlandsche koloniën (das. 1895); Dornseiffen, Atlas van Nederlandsch Oost- enWest-Indië (5. Aufl., Amsterd. 1900); »Atlas der niederländischen Besitzungen in Ostindien« (hrsg. von Eckstein, Haag, seit 1898). – Über die Geschichte s. Niederländische Kolonien, S. 650.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.