- Marlborough [2]
Marlborough (spr. mārlböro oder maolbru), 1) John Churchill, Herzog von, brit. Feldherr und Staatsmann, geb. im Juni 1650 zu Ashe in Devonshire, gest. 16. Juni 1722, kam in seinem zwölften Jahr als Page an den Hof des Herzogs von York, dessen Mätresse seine Schwester Arabella war, und der ihm 1667 eine Fähnrichstelle bei der Garde verschaffte. 1672 ging M. als Kapitän mit englischen Hilfstruppen nach den Niederlanden, wo er unter Turenne seine militärische Schule durchmachte. Er diente bis 1677 in der französischen Armee und kehrte dann nach England zurück, wo er 1678 zum Obersten und nach der Thronbesteigung des Herzogs von York 1685 zum Peer unter dem Titel Baron Churchill von Sandridge und zum Generalmajor ernannt wurde. Bei der Unterdrückung der Empörung des Herzogs von Monmouth (s. d.) war er besonders tätig; als Wilhelm von Oranien 1688 in England landete, ging M., obwohl von Jakob II. eben zum Generalleutnant befördert, schon 25. Nov. zu ihm über. Er ward darauf zum Grafen von M., zum Mitgliede des Geheimen Rates und zum königlichen Kammerherrn ernannt. Von Wilhelm III. mit der Unterwerfung Irlands beauftragt, landete er 25. Sept. 1690 auf der Insel und nahm die Plätze Cork und Kinsale. Im Kriege gegen Ludwig XIV. erfocht er den Sieg bei Walcourt, knüpfte aber, da er im militärischen Dienst Ausländer, wie Ginkel und Schomberg, sich vorgezogen sah, Unterhandlungen mit Jakob II. an. Als diese entdeckt wurden, ward er 1692 seiner Ämter entsetzt, in den Tower gebracht und erst nach einer langwierigen Untersuchung freigelassen. Nach dem Frieden von Ryswyk (20. Sept. 1697) versöhnte sich Wilhelm mit ihm und ernannte ihn beim Ausbruch des Spanischen Erbfolgekriegs zum Befehlshaber der britischen Streitkräfte in den Niederlanden (1701). Die Thronbesteigung Annas (19. März 1702), die von Marlboroughs Gemahlin völlig beherrscht wurde, machte diesen zum einflußreichsten Mann in England. An der Spitze des britischen Heeres in den Niederlanden vertrieb er 1702 die Franzosen aus Geldern und eroberte Venloo, Roermonde und Lüttich, worauf ihn die Königin zum Marquis von Blandford und zum Herzog von M. ernannte. 1704 ging er nach Deutschland, vereinigte sich mit dem Prinzen Eugen von Savoyen und schlug 2. Juli die Bayern bei Donauwörth und 13. Aug. die Franzosen unter Tallard bei Höchstädt (Blenheim). Das Parlament schenkte ihm hierfür die Domäne Woodstock, wo die Königin ihm das Schloß Blenheim bauen ließ; der Kaiser erhob ihn zum Reichsfürsten und verlieh ihm das aus konfiszierten bayrischen Besitzungen gebildete Fürstentum Mindelheim in Oberschwaben. 1705 erstürmte M. in den Niederlanden die von Villeroi besetzten Linien (18. Juli), und 23. Mai 1706 schlug er ihn entscheidend bei Ramillies, worauf ganz Brabant in die Hände der Verbündeten fiel. Auch der neue französische Feldherr Vendôme verlor an M. Ostende, Dendermonde und Ath. Die Friedensanträge, die Ludwig XIV. durch den Kurfürsten von Bayern machen ließ, wurden auf Antrieb Marlboroughs von der Königin Anna und den Generalstaaten verworfen. Als Karl XII. von Schweden Vorbereitungen traf, welche die Koalition gegen Frankreich zu gefährden schienen, gelang es M. in einer Zusammenkunft in Altranstädt (im April 1707), ihn zur Neutralität zu bestimmen. 1708 wurden die Franzosen von M. und Eugen bei Oudenaarde (11. Juli) geschlagen, worauf Lille, Gent und Brügge fielen. Noch entscheidender war 1709 die Niederlage des Marschalls Villars bei Malplaquet (11. Sept.), deren Folge die Kapitulation von Mons war. Bald darauf aber begann Marlboroughs Stellung zu wanken, zumal zwischen seiner Gemahlin und der Königin ein unheilbares Zerwürfnis ausgebrochen war. Die letztere wünschte die Verleihung eines Regiments an den Obersten Hill, den Bruder der Mrs. Masham, ihrer neuen Favorite; M. schlug es ab und zog sich, als die Königin darauf bestand, nach Windsor zurück, die öffentliche Meinung nötigte jedoch die Königin, diesmal noch nachzugeben. Das Parlament bewilligte vermehrte Hilfsgelder, und M. erhielt Holland bei der Allianz vermittelst Auswirkung des Barrieretraktats (s. d.). Er eröffnete mit Eugen den Feldzug von 1710 mit der Einnahme von Mortagne, Douai, Béthune, St.-Venant und Aire. Während seiner Abwesenheit aber erfolgte in England ein Ministerwechsel: nach dem Sturz der mit M. verbundenen Whigs gelangte die Torypartei aus Ruder. M. behielt zwar das Kommando in den Niederlanden, aber mit eingeschränkter Gewalt, und konnte nicht hindern, daß die neue Regierung, die bei den Neuwahlen zum Parlament siegte, 8. Okt. 1711 die Friedenspräliminarien mit Ludwig XIV. abschloß. Nach England zurückgekehrt, ward er vom Parlament der Unterschlagung öffentlicher Gelder beschuldigt, worauf die Königin ihn seiner Ämter entsetzte, aber, besonders auf die Vorstellungen Eugens, die gerichtliche Verfolgung unterdrückte. M. zog sich verbittert aufs Land zurück und besuchte dann Holland, Belgien und sein Fürstentum Mindelheim, das er jedoch im Utrechter Frieden (13. Juli 1713) ohne Entschädigung wieder verlor. Erst nach Annas Tode kehrte er nach England zurück, wo ihn Georg I. in seine militärischen Ämter wieder einsetzte. Vom Schlage getroffen (8. Juni 1716), mußte sich M. jedoch von den Geschäften zurückziehen; er starb auf seinem Landgut Windsor Lodge, ein kolossales Vermögen hinterlassend. M. war ein gewandter Diplomat, von gewinnender Beredsamkeit und ein genialer Feldherr, der mit persönlichem Mut einen sichern und schnellen Blick verband, der jeden Fehler des Gegners erspähte und zu benutzen wußte. Seine Schattenseiten waren maßloser Ehrgeiz und niedrige Habsucht. Vgl. Coxe, Memoirs of John duke of M. (Lond. 1819; neue Ausg. 1847, 3 Bde.; deutsch, Wien 1820, 6 Bde.); Murray, Despatches of the duke of M. (Lond. 1845–46, 5 Bde.); Alison, Life of John duke of M. (3. Aufl. 1855, 2 Bde.; deutsch, Frankf. a. O. 1848); Wolseley, Life of J. Churchill, duke of M. to the accession of queen Anne (Lond. 1894, 2 Bde.); kleinere Biographie von Saintsbury (1885).
2) Sarah Jennings, Herzogin von, Gemahlin des vorigen, Tochter von Richard Jennings, geb. 29. Mai 1660, gest. 18. Okt. 1744, kam, zwölf Jahre alt, in die Dienste der Herzogin von York, wo sie die Freundin der Prinzessin Anna ward. Mit körperlichen und geistigen Vorzügen begabt, hatte sie die angesehensten englischen Großen zu Bewerbern um ihre Hand; sie vermählte sich aber 1678 mit dem jungen Churchill. Von der Prinzessin Anna ward sie darauf zur Ehrendame ernannt und gewann so sehr ihre Gunst, daß die Prinzessin nach Wilhelms III. und Marias Thronbesteigung 1692 einen offenen Bruch mit dem Königspaar und die Entfernung aus dem Palast der von Wilhelm verlangten Entlassung der Lady M. vorzog. Nach Annas Thronbesteigung übte Lady M., zur ersten Ehrendame und Großgarderobemeisterin ernannt, den größten Einfluß auf die Königin aus. Doch kam es nun bisweilen zu Mißhelligkeiten zwischen den Freundinnen, und der Übermut der Herzogin und die fast despotische Herrschaft, die sie über die Königin ausübte, machten dieser endlich ihre Gesellschaft unerträglich. Lady M. mußte daher 1711 alle ihre Ämter niederlegen, verließ den Hof und sah Anna nie wieder. Nach dem Tod ihres Gemahls lebte sie in gänzlicher Zurückgezogenheit. Sie teilte mit ihm die Fehler des Ehrgeizes und der Habsucht. Ihre Briefe erschienen u. d. T.: »Letters of Sarah duchess of M.« (Lond. 1875). Vgl. »Histoire secrète de la reine Zarah et des Zaraziens, ou la duchesse de M. démasquée« (Haag 1708 bis 1712, 2 Bde.); Molloy, Queen's comrade. Life and times of Sarah, duchess of M. (Lond. 1901, 2 Bde.); Mrs. A. Colville, Duchess Sarah (das. 1904). Sarah M. gebar ihrem Gemahl vier Töchter, deren älteste, Henriette, den Herzogstitel von M. erbte, der nach ihrem Tod (1733) auf den Sohn ihrer Schwester Anna, Charles Spencer (s. Marlborough 3), überging.
3) Charles Spencer, Graf von Sunderland, Herzog von, Enkel von M. 1), kommandierte in der Schlacht von Dettingen (1743) eine Gardebrigade und ward 1758 zum Befehlshaber der britischen Hilfstruppen bei der Armee des Prinzen Ferdinand von Braunschweig im Siebenjährigen Krieg ernannt, starb aber 28. Okt. d. I. in Münster.
4) John Winston Spencer-Churchill, siebenter Herzog von, geb. 2. Juni 1822, gest. 5. Juli 1883, trat 1844 für den Flecken Woodstock ins Parlament, mußte aber sein Mandat nach Jahresfrist niederlegen, weil er sich den Freihandelsbestrebungen Peels anschloß. 1847 wurde er mit Zustimmung seines Vaters von neuem gewählt. Nach dessen Tod 1857 trat er ins Oberhaus ein, erhielt 1866 das Hofamt des Lord-Steward, wurde im März 1867 Präsident des Geheimen Rates, welches Amt er bis zum Sturz des Torykabinetts behielt, und 1876 Vizekönig von Irland. 1880 trat er mit Lord Beaconsfield zurück.
5) George Charles Spencer-Churchill, achter Herzog von, Sohn des vorigen, geb. 13. Mai 1844, gest. 9. Nov. 1892, hieß bei Lebzeiten seines Vaters Marquis Blandford, schloß sich der radikalen Partei an, führte ein Wüstlingsleben, ward deshalb von seiner Gemahlin Alberta Hamilton, Tochter des Herzogs von Abercorn, die er 1869 geheiratet, 1883 geschieden und verkaufte nach seines Vaters Tod, um seine Schulden zu decken, 1884 die Familienjuwelen und die wertvollsten Bilder der Blenheimgalerie. 1888 vermählte er sich zum zweitenmal mit Lilian Price, Tochter eines amerikanischen Obersten und Witwe eines Mr. Hammersley in New York.
6) Charles Richard John Spencer-Churchill, neunter Herzog von, Sohn des vorigen, geb. 13. Nov. 1871 in Simla, vermählt seit 6. Nov. 1895 mit Consuelo, Tochter des amerikanischen Eisenbahnspekulanten und vielfachen Millionärs Vanderbilt, wurde 1899 Generalzahlmeister und Mitglied des Geheimen Rates, nahm 1900 freiwillig als Kapitän an dem Feldzug in Südafrika teil und übernahm nach seiner Rückkehr wieder dasselbe Amt, das er auch im Ministerium Balfour 1902 behielt, bis er im Oktober 1903 zum Unterstaatssekretär im Kolonialministerium ernannt wurde.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.