- Malta
Malta, brit. Insel im Mittelländischen Meer (s. Karte »Mittelmeerländer«), ungefähr 100 km vom sizilischen Kap Passaro und 325 km von Tripolis in Afrika entfernt, liegt mit den kleinern Inseln Gozo, Comino und Cominotto zwischen 35°49'–36°5' nördl. Br. und 14°12'–14°35' östl. L. Die Inselgruppe hat einen Flächenraum von 323 qkm (5,8 QM.), wovon auf M. allein 248 qkm kommen, und mit jenen Eilanden eine Bevölkerung von (1901) 186,392 Seelen, ohne dieselben aber 166,000 Seelen (außerdem 9777 Mann britisches Militär). Die Oberfläche von M. stellt ein bis 258 m hohes eocänes Kalkfelsplateau dar, das im S. und SW. eine geradlinige, ungegliederte und unzugängliche Steilküste bildet, nach NO. zu sich allmählich zum Meer absenkt und hier von Buchten eingeschnitten ist, unter denen die von La Valetta (s. d., mit Kärtchen) u. die Marsa Seirocco an der Ostküste die bedeutendsten sind. Die Insel hat nur fünf kleine Bäche, und das Regenwasser wird in Zisternen sorgfältig angesammelt. Eine Wasserleitung bringt das Wasser der im südlichen Teil der Insel gelegenen Quellen nach der Hauptstadt. Bemerkenswert sind die zahlreichen Höhlen. Das Klima ist ungemein heiß und der Himmel vom Mai bis August wolkenlos und von wunderbarer Klarheit. Den September hindurch weht der ermattende, ungesunde Schirokko; die eigentlichen Wintermonate (Dezember, Januar, Februar) bringen endlich Regengüsse von tropischer Stärke und den aus NO. wehenden kalten Gregale. Die Menge der Niederschläge beträgt jährlich 608 mm, wovon 72,5 Proz. auf den Winter und 17,6 Proz. auf den Frühling entfallen. Die mittlere Temperatur beträgt 19°, im Winter 14° (Minimum 11,75°), im Sommer 25° (Maximum 40,5°). Die Vegetation ist ungemein üppig, besonders rücksichtlich der schon im Altertum berühmten Rosen. Man findet auf M. die Pflanzen Italiens sowie einige tropische, aber der heftigen Winde wegen keine Bäume, mit Ausnahme des Johannisbrotbaums. Die Malteser haben dunkle Gesichtsfarbe und starken Körperbau. Die Männer sind hoch, kräftig und rührig, die Weiber im allgemeinen unter Mittelstatur, aber anmutig, von regelmäßigen Gesichtszügen und seinem Körperbau. Im allgemeinen sind die Malteser arbeitsam, mäßig und genügsam, auch als vorzügliche Seeleute in allen Häfen des Mittelländischen Meeres geschätzt. Die Malteser sprechen ein mit Italienisch gemischtes Arabisch; Italienisch wird etwa von 20,000, Englisch von 23,000 (fast zur Hälfte Soldaten) verstanden oder als Muttersprache gesprochen; die englische Regierung ist in energischer Weise bestrebt, dem Englischen möglichste Verbreitung zu verschaffen. Für die Bildung des Volkes sorgen eine vom Großmeister Pinto 1768 gegründete Universität und ein Lyzeum in La Valetta, 2 höhere, 10 Mittelschulen und 116 Elementarschulen.
Die einheimische Bevölkerung ist katholisch, doch bestehen in der Hauptstadt einige protestantische Gemeinden. Die katholische Geistlichkeit ist zahlreich und besitzt die Renten von etwa einem Viertel des Landeigentums. Der Landbau wird mit der größten Sorgfalt betrieben, genügt aber für den Lebensunterhalt der Bevölkerung noch nicht für die Hälfte des Jahres. Durch Zerbröckeln von Fels wird Erde gewonnen, und Mauern schützen die Felder gegen die verheerende Wirkung der Winde. Hauptprodukte der Landwirtschaft sind Weizen, Kartoffeln, Klee, Baumwolle, Südfrüchte, Obst, Sesam, Zuckerrohr, Wein und etwas Öl. Der Viehstand besteht aus 6500 Pferden, Maultieren und Eseln, 9000 Rindern, 11,000 Schafen und 6000 Ziegen, und namentlich werden die Maultiere und Esel wegen ihrer Schönheit und Stärke geschätzt. Die zum Schlachten bestimmten Rinder und Schafe werden aus Afrika eingeführt. Die Bienenzucht liefert einen vortrefflichen Honig; Seefischfang und Korallenfischerei bilden wichtige Erwerbszweige. Salz gewinnt man aus dem Meerwasser; von Mineralien werden Marmor, Alabaster und gute Bausteine gebrochen. Die gewerbliche Tätigkeit der Einwohner liefert namentlich Baumwoll- und Seidenzeuge, Spitzen, Goldfiligranarbeiten, Zigarren und Möbel. Der Handel von M. ist überwiegend Transithandel. Von der Einfuhr zollpflichtiger Waren 1901 im Werte von 9,915,254 Pfd. Sterl. (meist Getreide und Vieh aus Rußland und der Türkei) wurden Waren für 8,615,945 Pfd. Sterl. wieder ausgeführt. Von einheimischen Artikeln wurden besonders ausgeführt Kartoffeln (10,000 Ton.), Orangen und Baumwolle. Die Einfuhr aus Großbritannien betrug 1903: 1,167,629 Pfd., die Ausfuhr ebendahin 65,408 Pfd. Sterl. Die Handelsflotte zählte 1903: 107 Schiffe von 6060 T. 1901 liefen mit Ladung 3783 Schiffe von 3,458,435 T. ein, 2770 von 3,202,989 T. aus. M. wird regelmäßig von 7 englischen Dampferlinien, der deutschen Levantelinie, einer holländischen, einer französischen, einer italienischen und einer ungarischen angelaufen. Eine Eisenbahn führt von La Valetta nach Città Vecchia. Die Maße sind den sizilischen nachgebildet und auf englische bezogen: die Canna zu 8 Palmi =22/7 Yards oder 209 cm, die (gestrichene) Salma rasa zu 4 Sacca für Getreide = 1 Quarter oder 290,79 Lit., der Barile für Wein zu 91/2 Gallonen = 42,713 L., für Olivenöl zu 28 Barili im Tun = 40,89 L., der Cantaro von 100 Rotoli = 175 Pfund avdp. oder 79,378 kg. Das englische Münzwesen gilt mit der Oncia oder Pezzo di Sicilia (Wechselpiaster) von 50 Pence = 21/2 Scudi, der Scudo = 12 Tari zu 20 Grani; seit 1827 wurden 61/4 Millionen Kupfermünzen von 1/3 Farthing oder 1 Grano geprägt. Zwei kleine Banken geben Noten aus. Die ausübende Gewalt liegt in den Händen eines Gouverneurs, dem ein Rat (Legislative Council) von 20 Mitgliedern (6 von der Krone ernannt, 4 Vertreter der Stände und 10 von der Bevölkerung gewählt) zur Seite steht. Die Gesetze stammen meist noch aus der Zeit der Johanniter. Die Einnahmen (1902: 445,131 Pfd. Sterl.) fließen aus indirekten Steuern und dem Ertrag der Kronländereien, die Ausgaben betrugen 425,715 Pfd. Sterl. Die Kolonialschuld beläuft sich auf 79,168 Pfd. Sterl. M. unterhält eine Lokalmiliz (Malta Fencibles) von 387 Mann. Durch seine Lage im Zentrum des Mittelmeeres, in der Nähe zweier Erdteile, zwischen dem Abendland und der Levante ist M. sowohl als Hauptstation für die Dampfschiffahrt und als Entrepot im Mittelmeer wie auch in strategischer Hinsicht von großer Wichtigkeit. Es bildet einen der Hauptstützpunkte der englischen Macht im Mittelmeer und ist daher durch die Engländer zu einer uneinnehmbaren Festung umgewandelt. Neuerdings wird M. von englischen Familien vielfach zum Winteraufenthalt benutzt. Hauptstadt ist La Valetta.
Geschichte. M. und Gozo waren im frühesten Altertum Kolonien der Phöniker. Später ließen sich Griechen auf der Insel nieder, die damals Melite hieß, und die Bevölkerung wurde, wenigstens zum großen Teil, hellenisiert. Um 400 v. Chr. ward sie von den Karthagern besetzt, die 218 den Römern weichen mußten. Im Altertum erfreute sich M. des Rufes, die feinsten Baumwollwaren zu liefern; auch die Rosen und der Honig der Insel waren berühmt. Die Wandalen entrissen die Insel 454 den Römern, mußten sie aber 494 den Goten räumen. Belisar vertrieb diese 534 und besetzte M. für das byzantinische Reich. 870 und dauernd 904 bemächtigten sich die Araber der Insel und prägten der Bevölkerung völlig ihren Charakter auf. Den Arabern ward M. 1090 durch die Normannen unter Roger von Sizilien entrissen und gehörte fortan zu diesem Reich. 1284 siegten hier die Aragonier unter Loria mit der sizilischen Flotte über die Franzosen, die genötigt wurden, M. zu verlassen. Kaiser Karl V. wies 1525 dem aus Rhodos vertriebenen Johanniterorden die gänzlich verwahrloste und verödete Insel an, und nachdem eine päpstliche Bulle 1530 den Orden im Besitz der Insel bestätigt hatte, ließ sich dieser 26. Okt. d. J. hier nieder und wurde danach Malteserorden genannt. Er befestigte die Insel auf das stärkste gegen die Türken und wies 1565 deren Angriff erfolgreich zurück. Darauf legte der Großmeister, Johann de la Valette, 1566 den Grundstein zur Stadt La Valetta, die zu einer Festung ersten Ranges erhoben wurde. Im Juni 1798 nahm Bonaparte auf seinem Zuge nach Ägypten M. ohne Widerstand, aber schon im September 1800 mußte sich die französische Besatzung nach einer harten Blockade an die Engländer ergeben. Nach dem Frieden von Amiens (1802) sollte zwar M. an den Orden zurückfallen; aber England verweigerte die Zurückgabe, und im Frieden zu Paris (1814) wurde ihm der Besitz von M. endgültig zugestanden. Die 1899 vom Londoner Geheimen Rat erlassene Verfügung, bis 1919 habe Englisch als Gerichtssprache zu gelten, wurde 1902 wieder zurückgenommen, 1903 aber von neuem in Kraft gesetzt. Und um die durch die Sprachverschiedenheit auf M. hervorgerufenen Schwierigkeiten mit einem Male zu lösen, wurde 22. Juni 1903 eine Kabinettsorder verkündet, wonach das Parlament von M. künftig in britisch-freundlichem Sinne zusammengesetzt sein wird. Vgl. Boisgelin, Ancient and modern M. (Lond. 1805, 2 Bde.); Brès, M. antica illustrata (Rom 1817); Avales, Tableau historique, politique, physique et moral de Malte (Par. 1830); Miège, Histoire de Malte (Brüssel 1841, 4 Bde.); Tallack, M. under the Phenicians, Knights and English (Lond. 1861); Seddall, M. past and present (das. 1870); Winterberg, M., Geschichte und Gegenwart (Wien 1879); Ballou, Story of M. (Boston 1893); Wachs, M., seine kriegshistorische Vergangenheit und seine heutige strategische Bedeutung, in der »Marine-Rundschau« (Berl. 1901, auch Sonderdruck); Alb. Mayr, Die vorgeschichtlichen Denkmäler von M. (Münch. 1901); Sanminiatelli, Lo assedio di M. 18 Maggio-8 Settembre 1565 (Flor. 1902); Rodenberg, Eine Frühlingsfahrt nach M. (Berl. 1893); E. Schulz, Quellenkunde zur Geschichte der Eroberung Maltas durch die Franzosen 1798 (Bresl. 1903); Stumme, Maltesische Studien und Maltesische Märchen, Gedichte und Rätsel (Heft 4 u. 5 der »Leipziger Semitischen Studien«, Leipz. 1904); Ilg, Maltesische Märchen und Schwänke (das. 1905).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.