- Olivenöl
Olivenöl (Baumöl), aus den Früchten des Ölbaums (Olea europaea) gewonnenes fettes Öl, das je nach der Varietät des Ölbaums, Reise der Früchte und Art der Gewinnung von sehr verschiedener Beschaffenheit ist. Reise Oliven geben ein gelbes, süßes, unreife ein grünliches, meist etwas herbes, überreife oder gelagerte reife Oliven ein gelbliches oder farbloses, säuerlich schmeckendes, oft etwas unangenehm riechendes Öl. Zur Gewinnung des besten Speiseöls (Aix, Grasse) werden die Früchte mit der Hand geerntet, mehrere Tage an der Luft auf Horden gelagert oder kürzere Zeit auf 45–55° erwärmt, dann von den Kernen befreit und kalt schwach gepreßt (Jungfernöl). Eine zweite stärkere Pressung gibt minderfeines Öl, eine dritte Sorte erhält man durch warmes Pressen unter Zusatz von warmem Wasser (Baumöl), die geringste Sorte durch Auskochen der Preßrückstände mit Wasser. Die Rückstände sammelt man in Zisternen, in denen sich nach Monaten noch geringwertiges Öl (Höllenöl, Sulfuröl) ausscheidet. Hierher gehören auch die fermentierten Olivenöle (Tournantöl), die in der Türkischrotfärberei benutzt werden. Aus den Olivenkernen wird ein für Fabrikzwecke taugliches fettes Öl gewonnen. Zur Darstellung von Fabrik- und Brennöl werden die Früchte durch Schütteln oder Schlagen mit Stangen geerntet und auf Mühlen zermalmt und gepreßt. Die Ausbeute wird vergrößert, wenn man die Früchte vor dem Pressen in Haufen gären läßt. In Kalifornien bringt man die Früchte in eine Trockenanlage, zerquetscht sie dann und preßt. Die Rückstände werden wieder zerquetscht und mit heißem Wasser behandelt. Die nach dem Pressen trüben Öle werden durch Lagern oder Filtrieren durch Baumwollwatte oder Metallsiebe klar, oft auch heller, die grünliche Farbe rührt von Chlorophyll her. Durch Schütteln mit Tierkohle, durch Einwirkung von Luft und Licht wird das Öl farblos, ist dann aber nur noch für technische Zwecke brauchbar. Für Uhrmacher reinigt man O. durch Aufbewahren mit einer Bleiplatte in verschlossenen Flaschen. – Provencer Öl ist wenig gefärbt oder goldgelb, fast geruchlos, von mildem Geschmack, spez. Gew. 0,918 bei 15°, erstarrt teilweise bisweilen schon bei 10°, meist jedoch bei niederer Temperatur; die kalt und schwach gepreßten Öle erstarren später. O. besteht zu 72 Proz. aus Olein, in dem 6 Proz. Linolsäure enthalten sind, und 28 Proz. Stearin und Palmitin mit wenig Arachin, ist sehr wenig löslich in Alkohol, leichter in Äther, trocknet nicht an der Luft und brennt mit heller, rußender Flamme; es wird leicht ranzig, hält sich aber in ganz gefüllten, verschlossenen Flaschen an einem kühlen, dunkeln Ort, besonders mit 0,5 Proz. wasserfreiem Alkohol, recht gut. Das im Handel vorkommende O. ist häufig mit Baumwollsamen-, Erdnußöl, Sonnenblumen-, Sesam- und Rüböl, Dotteröl, Palmkernöl und Schmalzöl verfälscht. Es dient als Speiseöl, zum Einfetten von Wolle (Lampantöl), zur Darstellung von Seife, als Brennöl, Schmiermaterial, zu Salben etc. Das beste O. liefern Südfrankreich und die Riviera, mindere Qualitäten Spanien, Portugal, Italien (Apulien), Istrien, Dalmatien, Griechenland, Nordafrika (Mogador), die Levante, Persien, Kalifornien, Chile, Australien. Italien produzierte im J. 1903/04: 3,260,000 hl von 1,089,000 Hektar, am meisten in Süditalien, Sizilien und Toskana. In Spanien waren 1903: 518,919 Acres mit Ölbäumen bepflanzt. Die Einfuhr in Deutschland betrug 1904: 35,795 dz und 89,482 dz mit Rosmarinöl oder Nelkenöl denaturiertes Öl für technische Zwecke. Mehr als die Hälfte der Einfuhr stammt aus Italien, etwa drei Achtel aus der Türkei, der Rest aus Frankreich. Vgl. Dugast, L'industrie oléicole (Par. 1904), und Literatur bei Artikel »Ölbaum«.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.