- Geldern [1]
Geldern, ehemaliges deutsches Herzogtum (seit 1338) am Niederrhein und an der Yssel, grenzend an Friesland, Westfalen, Brabant, Holland und den Zuidersee (s. »Geschichtskarte von Deutschland II«), ursprünglich von Sigambern und Batavern, später von Franken bewohnt, bildete einen Teil des Königreichs Austrasien. Nach dem Untergang der karolingischen Monarchie gehörte G. zum Herzogtum Lothringen und kam durch den Vertrag von Mersen 870 an Deutschland. In der zweiten Hälfte des 11. Jahrh. entwickelte sich die Territorialgewalt der Grafen von G., als deren erster Gerhard I. von Wassenberg (um 1070) genannt ist. Dessen Enkel Heinrich I. (gest. 1182) erbte 1179 die Stadt Zütphen, seine Nachfolger Otto I. und Gerhard III. erwarben die Landschaften Veluwe und Betuwe; Otto II., der Lahme, befestigte mehrere Städte und erhielt von Wilhelm von Holland 1248 den pfandweisen Besitz der Vogtei über die Reichsstadt Nimwegen. Sein Sohn Rainald I. erhob gegen Adolf, Grafen von Berg, Ansprüche auf das Herzogtum Limburg, ward aber 5. Juni 1288 bei Worringen gefangen und erkaufte die Freiheit durch den Verzicht auf Limburg. 1310 erhielt er das Privilegium de non evocando (s. Evokation), ward aber von seinem Sohn, der sich seit 1316 empört hatte, 1320 gefangen und starb im Gefängnis 1326. Rainald II., seit 1338 Herzog und zugleich Herr von Ostfriesland, starb 1343 und hinterließ einen zehnjährigen Sohn Rainald III., der aber mit seinem Bruder Eduard um den Besitz des Landes kämpfen mußte. Letzterer siegte 1361 bei Tiel, nahm Rainald gefangen und herrschte bis zu seinem Tod 1371. Rainald, jetzt wieder Regent, starb in demselben Jahre kinderlos. Wegen der Nachfolge entstand zwischen Mathilde, Tochter Rainalds II. und Witwe des Grafen Johann I. von Kleve, und Wilhelm, dem siebenjährigen Neffen des letzten Herzogs, der Geldernsche Erbfolgekrieg, der erst 1379 zugunsten Wilhelms, seit 1383 auch von König Wenzel anerkannt, endete. 1393 fiel ihm das Herzogtum Jülich als Erbschaft zu; er starb 1402. Sein Bruder und Nachfolger in Jülich-Geldern, Rainald IV., mußte die Stadt Emmerich dem Herzog von Kleve überlassen, starb kinderlos 1423 und vererbte die Regierung an seinen Großneffen Arnold von Egmond, der aber mit Adolf von Berg um den Besitz kämpfen mußte und schließlich nur G. behauptete. Gegen Arnold empörte sich seine eigne Gemahlin und sein Sohn Adolf, der 1465 den Vater gefangen nahm; diesen Umstand benutzte Karl der Kühne von Burgund als Vorwand zur Einmischung, erzwang die Freigabe Arnolds, setzte Adolf 1471 gefangen und kaufte 1472 Arnold das Herzogtum G. für 92,000 Goldgulden ab. Adolf, nach dem Tode Karls des Kühnen (1477) befreit, ward von den Gentern an die Spitze einer Partei gestellt, die eine Heirat zwischen Maria von Burgund und ihm wünschte, fand aber bald bei der Belagerung von Tournai seinen Tod. Nun suchte zwar Katharina, Adolfs Schwester, für dessen Sohn Karl die Regierung zu führen, konnte sich aber gegen Maximilian von Österreich, auf den durch seine Vermählung mit Maria die burgundischen Ansprüche übergegangen waren, nicht behaupten, und dieser nahm 1483 das Land in Besitz. Allein Karl gab seine Ansprüche nicht auf und bemächtigte sich mit französischer Unterstützung 1492 und 1493 seines väterlichen Erbes wieder. Alle Versuche Maximilians, G. wiederzuerobern, waren vergeblich; auch die niederländischen Statthalter, Erzherzog Philipp und nachher Margarete, vermochten nichts gegen Karl auszurichten, der 1507 in Brabant und Holland eindrang, 1511 Harderwijk und Bommel eroberte, 1512 vor Amsterdam erschien und 1514 Groningen einnahm. Erst 1528 zwang ihn Karl V. in dem Vertrag von Gorinchem, G. und Zütphen von ihm zu Lehen zu nehmen. 1534 machte Herzog Karl, da er kinderlos war, den Versuch, G. an Frankreich zu bringen; allein dem widersetzten sich die Stände und nötigten ihn zur Abtretung des Landes an den Herzog von Kleve, Wilhelm den Reichen, 1538; noch in demselben Jahre starb Karl. Mit den Franzosen verbündet, behauptete sich Wilhelm längere Zeit mit Glück; endlich erschien aber Karl V. selbst am Niederrhein und nahm ihm in dem Vertrag von Venlo vom 7. Sept. 1543 G. ab, das nun definitiv mit den habsburgisch-burgundischen Niederlanden vereinigt wurde. Die niederländische Revolution hatte eine Trennung Gelderns zur Folge, indem dessen nördlicher Teil 1579 der Utrechter Union beitrat und fortan die Provinz Gelderland der Republik der Vereinigten Niederlande bildete, der südliche Teil aber Spanien treu blieb und daher spanisches G. oder das Oberquartier von G. hieß. Dieses kam durch den Utrechter Frieden (1713) samt der Hauptstadt G. an Preußen außer Venlo, das an die Generalstaaten, und Roermonde, das nebst den übrigen spanischen Niederlanden an Österreich fiel. Im Frieden von Basel (1795) jedoch kam ein Teil desselben und 1801 im Lüneviller Frieden das Ganze als Departement Roer an Frankreich. Im Frieden von Paris (1814) wurde G. z. T. mit der niederländischen Provinz Limburg, z. T. mit Preußen vereinigt. Vgl. van Span, Historie van Gelderland (Utrecht 1814); J. A. Nijhoff, Gedenkwaardigheden uit de geschiedenis van Gelderland (neue Ausg., Arnh. 1851–75, 6 Bde.); P. Nijhoff, Het voornaamste uit de geschiedenis van Gelderland (2. Aufl., das. 1869); Meester, Geschiedenis van de staten van Gelderland (Harterwijk 1864); Heidrich, Der geldrische Erbfolgestreit 1537–1543 (Kassel 1896).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.