- Camphausen
Camphausen, 1) Ludolf, preuß. Staatsmann, geb. 10. Jan. 1803 zu Hünshoven im Regbez. Aachen, gest. 3. Dez. 1890 in Köln, begründete 1826 mit seinem ältern Bruder, August, in Köln ein Handlungs- und Bankhaus, förderte die rheinische Dampfschleppschiffahrt und den Bau von Eisenbahnen, ward Mitglied des Stadtrates und der Handelskammer und 1838 Präsident der letztern. 1842 wurde er in den rheinischen Provinziallandtag, 1847 als Liberaler in den Vereinigten Landtag gewählt, wo er den periodischen Zusammentritt dieser Versammlung beantragte. Seit Februar 1848 Mitglied des Vereinigten ständischen Ausschusses, übernahm er, bei Hofe wohlgelitten, nach dem Rücktritte des Grafen Arnim-Boitzenburg 29. März 1848 den Vorsitz in dem von ihm gebildeten neuen Ministerium, nahm aber, als der von ihm vorgelegte Verfassungsentwurf in der Nationalversammlung keinen Beifall fand, 20. Juni seine Entlassung. Die Aufforderung des Reichsverwesers, im Juli 1848 in das Reichsministerium einzutreten, lehnte er ab, ging als Bevollmächtigter Preußens bei der deutschen Zentralgewalt nach Frankfurt, um hier gegen die demokratischen Tendenzen der Mehrheit eine Verständigung mit der spezifisch preußischen Partei anzubahnen. Gegen die Kaiseridee und die Reichsverfassung veranlaßte C. eine gemeinschaftliche Erklärung von 31 Regierungen, war Urheber der preußischen Zirkularnote vom 23. Jan. 1849, welche die Errichtung eines engern Bundesstaats unter Leitung Preußens verhieß, trat aber Ende April 1849 zurück. In der preußischen Ersten Kammer von 1849–50 versuchte er nochmals eine vermittelnde Politik und verteidigte auch im Volkshaus zu Erfurt 1850 die Annahme der Verfassung en bloc. Nach seinem Austritt aus dem Staatsdienst trat C. in seine frühere Stellung als Associé des Bankhauses A. u. L. Camphausen, 1868 in das Privatleben zurück und beschäftigte sich auf seiner Privatsternwarte zu Rüngsdorf bei Bonn mit astrophysikalischen Studien. Er schrieb: »Über Erweiterung des Douwesschen Problems«, »Über die Theorie der Zylinderlinse in Verbindung mit einem geradsichtigen Prisma« und »Über Verwendung des Objektivprismas in Verbindung mit dem Spaltspektroskop zur Beobachtung des Sonnenrandes«. Vgl. Caspary, Ludolf Camphausens Leben nach seinem handschriftlichen Nachlaß (Stuttg. 1902).
2) Otto von, preuß. Finanzminister, Bruder des vorigen, geb. 21. Okt. 1812 in Hünshoven, gest. 18. Mai 1896 in Berlin, studierte die Rechte, trat im Herbst 1834 in den Staatsdienst und beschäftigte sich vorzugsweise mit Handels- und Finanzfragen. Seit 1837 Regierungsassessor in Magdeburg, Koblenz und Trier, 184). Regierungsrat in Trier, ward er 1845 als vortragender Rat in das Finanzministerium berufen, wo er die Grundsteuerangelegenheiten übernahm und den 1847 dem Vereinigten Landtag vorgelegten Gesetzentwurf über die Einkommensteuer verfaßte. Als Mitglied der Zweiten Kammer von 1849 und 1850–92 sowie des Erfurter Volkshauses von 1850 schloß er sich der gemäßigt liberalen Partei an, wurde 1854 Präsident der Seehandlung und 26. Okt. 1869, als der Staatshaushalt 5 Mill. Defizit aufwies, Finanzminister. Seine Steuerreform und die Verminderung der Schuldentilgung durch Umwandlung der 41/2 proz. und der 4 proz. Staatsschuld in eine gleichmäßige 41/2 proz. Rentenschuld beseitigten das Defizit. Die Kriegsentschädigung und der Ertrag der industriellen Staatsetablissements führten C. nach dem Krieg einen Überfluß an Geldmitteln zu, die er zur Rückzahlung von Staatsschulden und Steuererlassen benutzte. So wurden auf seinen Vorschlag 1872 die Mahl- und Schlacht steuer als Staatssteuer aufgehoben und die Klassensteuer kontingentiert, ferner ansehnliche Summen zur Erhöhung der Beamtengehalte und zu öffentlichen Bauten bewilligt. Nach dem Rücktritt Roons ward er 9. Nov. 1873 Vizepräsident des preußischen Staatsministeriums und nahm während der wiederholten Beurlaubungen Bismarcks eine bedeutende Stellung ein. Als die Überschüsse im Staatshaushalt verschwanden, wurde C. als Freihändler und wegen seiner Begünstigung großer finanzieller Unternehmungen von Agrariern und Schutzzöllnern für den wirtschaftlichen Niedergang verantwortlich gemacht, verlor auch Bismarcks Vertrauen, als dieser sich seiner neuen Zoll- und Wirtschaftspolitik zuwendete, und bat aus Anlaß der Tabaksteuer um seine Entlassung, die er 23. März 1878 erhielt. Nur als Mitglied des Herrenhauses nahm C. noch am politischen Leben teil und wurde (kurz vor seinem Tode) 18. Jan. 1896 unter Verleihung des Schwarzen Adlerordens geadelt.
3) Wilhelm, Maler, geb. 8. Febr. 1818 in Düsseldorf, gest. daselbst 18. Juni 1885, trat 1834, nachdem er im Zeichnen von Alfred Rethel unterrichtet worden war, in die Düsseldorfer Akademie ein, wo er unter Sohns Leitung arbeitete. Die Ableistung seiner militärischen Dienstzeit bei den Husaren flößte ihm die Liebe für das Roß und das Reiterleben ein, und nachdem er Aufnahme in die Meisterklasse der Akademie gefunden, in der er bis 1850 blieb, versuchte er sich zunächst in Kampf- und Schlachtszenen aus dem 17. und 18. Jahrh., Gefechten aus der Zeit Cromwells, des Dreißigjährigen Krieges und der drei Schlesischen Kriege. Ein wesentlicher Fortschritt gab sich in seinen Bildern aus Friedrichs d. Gr. Zeit kund. Aus der großen Zahl der Bilder seiner ersten Zeit sind hervorzuheben: Tilly auf der Flucht bei Breitenfeld (1841); Prinz Eugen bei Belgrad (1842); Cromwellsche Reiter, den herannahenden Feind beobachtend (1846); Graf Heinrich zu Solms in der Schlacht bei Neerwinden (1846); Puritaner, gefangene Kavaliere transportierend (1847); Szene auf einem von Cromwellschen Soldaten erstürmten Schloßhof (1848); Karl II. auf der Flucht aus der Schlacht bei Worcester (1849); Gustav Adolfs Dankgebet nach dem Siege bei Breitenfeld (1851); Karl I. in der Schlacht bei Naseby; Puritaner auf der Morgenwacht (1852). Hieran reihen sich seine Arbeiten aus der Zeit Friedrichs d. Gr. und der Befreiungskriege, die Reiterporträte von Seydlitz (bei Roßbach) und Zieten aus dem Busch, dann Keith (bei Hochkirch), Schwerin (bei Prag), der Alte Dessauer (bei Kesselsdorf) und Prinz Heinrich. Diesen Porträten folgten Friedrich II. und das Dragonerregiment Bayreuth bei Hohenfriedberg; die Reiterporträte Blüchers und Gneisenaus; der Choral von Leuthen; Friedrich II. am Sarge Schwerins; die Parade vor Friedrich II. bei Potsdam (1863); Blüchers Rheinübergang bei Kaub am Neujahrsmorgen 1814 etc. Nach seiner Rückkehr aus dem Schleswig-holsteinischen Kriege von 1864 malte C. die Erstürmung der Düppeler Schanze Nr. 2, den Übergang nach Alsen, die Begrüßung des Kronprinzen und des Prinzen Friedrich Karl nach dem Sturm (in der Nationalgalerie zu Berlin). 1866 folgte er einige Zeit dem Hauptquartier des Kronprinzen in Böhmen und malte dann die Eroberung einer Standarte durch das 10. Dragonerregiment, König Wilhelm bei Königgrätz dem Kronprinzen den Orden pour le mérite verleihend, das Zusammentreffen des Kronprinzen und des Prinzen Friedrich Karl auf der Höhe bei Chlum und viele kleinere Bilder. Den Höhepunkt seiner Leistungen erreichte C. in einigen überlebensgroßen Reiterporträten. Friedrich d. Gr. auf einem Schimmel, mit Seydlitz, Zieten und dem Prinzen Heinrich vorausprengend (1870) und der Große Kurfürst auf einem Schecken mit dem alten Derfflinger (1871) waren die ersten dieser trefflichen Bilder (im königlichen Schlosse zu Berlin); daran schlossen sich: Kaiser Wilhelm I. auf einem trabenden Fuchs, mit Roon, Bismarck und Moltke über ein Schlachtfeld reitend (1872, im städtischen Museum zu Köln) und ein andres Bild des Kaisers auf einem galoppierenden Braunen mit Moltke für jenen selbst (1873). Von seinen übrigen Bildern aus dieser Zeit sind noch die Begegnung des Fürsten Bismarck mit Napoleon III. und der Siegeseinzug der Truppen in Berlin hervorzuheben. Auch als Porträtmaler und als Zeichner humoristischer und ernster Illustrationen für Steindruck und Holzschnitt leistete C. Verdienstliches. Ebenso trat er als Schriftsteller mit Erfolg auf. Seine vielen Gedichte und Festspiele für die Feste im Düsseldorfer Künstlerverein »Malkasten« und seine im mittelalterlichen Stil verfaßte Chronik des Vereins sind zwar nur in engern Kreisen bekannt geworden, sein Tagebuch aus dem schleswig-holsteinischen Feldzug aber ist u. d. T.: »Der Maler auf dem Kriegsfeld« (Leipz. 1865) mit zahlreichen Illustrationen im Buchhandel erschienen. In einem Wandgemälde in Wachsfarben für die Herrscherhalle des Zeughauses: die Huldigung Friedrichs II. in Breslau, versuchte er sich auch im monumentalen Stil.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.