- Welcker
Welcker, 1) Friedrich Gottlieb, Altertumsforscher, geb. 4. Nov. 1784 zu Grünberg im Großherzogtum Hessen, gest. 17. Dez. 1868 in Bonn, studierte in Gießen, wurde 1803 Lehrer am dortigen Pädagogium, reiste 1806 nach Italien, wo er in Rom in freundschaftliche Verbindung mit W. v. Humboldt trat (vgl. »W. v. Humboldts Briefe an W.«, hrsg. von R. Haym, Berl. 1859), kehrte im Frühjahr 1808 zurück, wurde 1809 ordentlicher Professor der Archäologie und griechischen Literatur in Gießen, machte 1814 als Freiwilliger den Befreiungskrieg mit, verwendete den folgenden Winter in Kopenhagen zur Bearbeitung des Zoëgaschen Nachlasses, legte 1816 aus politischen Gründen sein Amt in Gießen nieder, wurde aber noch in demselben Jahre Professor in Göttingen und 1819 in Bonn, ward hier sofort in die Untersuchung gegen Arndt verwickelt, aber 1825 freigesprochen, auch 1832 wegen des Wiederabdrucks zweier politischer Abhandlungen auf kurze Zeit seiner amtlichen Funktionen enthoben, machte 1841–43 eine größere Reise nach Italien, Griechenland und Kleinasien (beschrieben im »Tagebuch einer griechischen Reise«, Berl. 1865, 2 Bde.), verlebte die Winter 1845/46 und 1852/53 wieder in Rom und zog sich 1861 wegen eines Augenleidens von der akademischen Tätigkeit zurück. Für die Bonner Universität begründete er die Bibliothek und das akademische Kunstmuseum (von ihm selbst beschrieben, Bonn 1827; 2. Aufl. 1841; Nachtrag 1845). Seine kunstgeschichtlichen Studien legte er nieder in der Übersetzung von Zoëgas: »I bassirilievi antichi di Roma« (Gieß. 1811–12, 2 Bde.), »Zoëgas Abhandlungen« (Göttingen 1817), »Zoëgas Leben« (das. 1819, 2 Bde.), der »Zeitschrift für Geschichte und Auslegung der alten Kunst« (das. 1817–18,3 Hefte), besonders in »Alte Denkmäler« (das. 1849–64, 5 Bde.). Zur Mythologie lieferte er die bahnbrechende »Griechische Götterlehre« (Götting. 1857–62, 3 Bde.) u. a. Aus dem Gebiete der griechischen Literatur verdanken wir ihm besonders eine Übersetzung der »Wolken« und »Frösche« des Aristophanes (Gieß. 1810–12, 2 Bde.), Ausgaben der »Fragmenta Alcmanis lyrici« (das. 1815), »Hipponactis et Ananii fragmenta« (Götting. 1817), »Philostratorum imagines et Callistrati statuae« (Leipz. 1825, mit Jacobs), »Theognidis reliquiae« (Frankf. 1826), der »Sylloge epigrammatum graecorum« (Bonn 1828) und der Hesiodischen »Theogonie« (Elberf. 1865), endlich »Die Äschyleische Trilogie« (Darmst. 1824; Nachtrag, Frankf. 1826); »Der epische Zyklus oder die homerischen Gedichte« (Bonn 1835–49, 2 Bde.; 2. Aufl. 1865–82); »Die griechischen Tragödien mit Rücksicht auf den epischen Zyklus geordnet« (das. 1839–41, 3 Bde.). Außerdem besorgte er die Sammlung von Dissens »Kleinen Schriften« (mit Thiersch und O. Müller, Götting. 1839) und Näkes »Opuscula« (Bonn 1842–45, 2 Bde.), die 3. Auflage von O. Müllers »Handbuch der Archäologie« (Bresl. 1848) und redigierte 1833–38 mit Nähe, seit 1842 mit Ritschl das »Rheinische Museum für Philologie«. Seine »Kleinen Schriften zur griechischen Literaturgeschichte« erschienen gesammelt in Bonn und Elberfeld (1844–67, 5 Bde.). Vgl. Kekulé, Das Leben F. G. Welckers nach seinen eigenen Aufzeichnungen und Briefen (Leipz. 1880).
2) Karl Theodor, Rechtsgelehrter und Publizist, Bruder des vorigen, geb. 29. März 1790 zu Oberofleiden im Großherzogtum Hessen, gest. 10. März 1869 in Heidelberg, schrieb schon als Student die Schrift »Die letzten Gründe von Recht, Staat und Strafe« (Gieß. 1813), habilitierte sich 1813 zu Gießen, ward 1814 zum außerordentlichen Professor ernannt und ging dann als Professor der Rechte nach Kiel, wo er mit Dahlmann u. a. die »Kieler Blätter« redigierte. Von Kiel folgte er einem Rufe nach Heidelberg und 1819 nach Bonn. Wegen angeblicher demagogischer Umtriebe zur Rechenschaft gezogen, endlich aber freigesprochen (vgl. seine »Aktenmäßige Verteidigung«, Stuttg. 1823–24), ging er 1823 als Professor der Rechte nach Freiburg, wo sein Werk »Das innere und äußere System der praktischen, natürlichen und römisch-christlich-germanischen Rechts-, Staats- und Gesetzgebungslehre« (Bd. 1 auch u. d. T.: »Die Universal- und die juristisch-politische Enzyklopädie und Methodologie«, Stuttg. 1829) entstand. 1830 reichte er beim Deutschen Bunde die Forderung nach vollkommener Preßfreiheit ein, und trat, 1831 vom Oberamt Ettenheim in die badische Kammer gewählt, hier als Wortführer der Liberalen auf. Seine mit K. v. Rotteck begründete Zeitschrift »Der Freisinnige« ward 1832 verboten und die beiden Redakteure ihres Amtes entsetzt. Beide vereinigten sich hierauf zur Herausgabe des »Staatslexikons« (Altona 1834–49, 15 Bde. und 4 Supplementbände; 3. Aufl., Leipz. 1856–66, 14 Bde.). Im August 1840 wurde W. zwar wieder in seine Professur eingesetzt, aber schon im folgenden Jahr wegen einiger auf einer Reise durch Norddeutschland gehaltener Reden abermals suspendiert. Nach dem Ausbruch der Revolution von 1848 wurde W. zuerst badischer Vertrauensmann beim Bundestag und dann von Frankfurt ins Parlament gewählt, wo er seinen Sitz im rechten Zentrum nahm und Mitglied des Verfassungsausschusses ward. Im Juli 1848 ging er als Bevollmächtigter des Deutschen Bundes nach Ratzeburg, im August als Gesandter der Zentralgewalt nach Stockholm. Wiewohl Stifter der sogen. großdeutschen Partei, brachte er 12. März 1849 den Antrag, betreffend die erbliche Kaiserwürde des Königs von Preußen, in die Nationalversammlung. Im Juni 1849 schied W. aus der Nationalversammlung und legte auch seine Stelle als Bevollmächtigter der badischen Regierung bei der Zentralgewalt nieder. 1866 ward er von der auf seine Anregung gebildeten Deutschen Partei zum Vorsitzenden gewählt. Von seinen Schriften sind noch hervorzuheben: »Wichtige Urkunden über den Rechtszustand der deutschen Nation« (Mannh. 1844); »Die rechtliche Begründung unsrer Reform« (Frankf. 1861) und »Der preußische Verfassungskampf« (das. 1863).
3) Hermann, Anatom und Anthropolog, Neffe des vorigen, geb. 8. April 1822 in Gießen, gest. 12. Sept. 1897 in Winterstein bei Gotha, studierte in Gießen und Bonn, habilitierte sich 1853 als Privatdozent für Anatomie, wurde 1855 Prosektor am Anatomischen Institut, 1859 Professor der Anatomie in Halle und war 1876–93 Direktor des dortigen Anatomischen Instituts. W. arbeitete über die Irradiation (Gießen 1852), die Zählung der Blutkörperchen und die Bestimmung der in den Tieren enthaltenen Blutmenge; er führte das Mikrotom in die anatomische Technik ein und gab Methoden an zur Ausmessung des senkrechten Durchmessers und zur Unterscheidung von Erhöhungen und Vertiefungen mikroskopischer Objekte. Andre Arbeiten betreffen die Hirnventrikel, Wirbelsäule, Gelenke, Bau und Wachstum des menschlichen Schädels. Er gab ein neues Verfahren zur Schädelmessung an, auch zeigte er, auf welche Weise über das Zusammengehören eines Schädels und eines Kopfprofils ziemlich sicher entschieden werden kann. Hierher gehören seine Arbeiten über die Schädel Schillers, Kants und Raphaels. 1860–65 durchforschte er die Schädelsammlungen Deutschlands und Hollands. Er schrieb unter anderm: »Über Anfertigung mikroskopischer Präparate« (Gieß. 1856); »Untersuchungen über Wachstum und Bau des menschlichen Schädels« (Leipz. 1862); »Schillers Schädel und Totenmaske nebst Mitteilungen über Schädel und Totenmaske Kants« (Braunschw. 1883), auch gab er eine Sammlung »Dialektgedichte« (2. Aufl., Leipz. 1889) heraus.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.