Platin

Platin

Platin (Platina, v. span. plata, Silber) Pt, das wichtigste der Platinmetalle (s. d.), findet sich nur gediegen, meist in kleinen, rundlichen und eckigen, stahlgrauen, metallglänzenden Körnern in Quarzgängen, im Dioritporphyr und Serpentin. viel häufiger aber, oft mit Gold, im Sande der Flußbetten oder im Schuttland (Platinseifen); auch enthält alles Silber, das nicht direkt aus einer Scheidung herrührt, kleine Mengen P. Hauptfundorte des Platins sind mehrere Distrikte des Uralgebirges, besonders Nishnij Tagilsk (mit Klumpen bis 16 kg), und der Berg Blagodat, Kolumbien (Depart. Cauca), Brasilien (Minas Geraes), Neusüdwales, Kalifornien, Borneo; nachgewiesen wurde P. im Gold von Tilkerode, im Rheinsand (0,0004 Proz.), zu Röraas in Norwegen, in Lappland, im Oregongebirge, in Peru, auf Haïti. Das durch einen Waschprozeß in Form von Körnern gewonnene Platinerz (Polyxen, rohes P.) besteht aus P. mit Palladium (0,1–1,9 Proz.), Rhodium (0,3–2,8 Proz.), Iridium (0,4–6 Proz.), Osmium, Ruthenium, Eisen (4,3–11,7 Proz.), Kupfer (0,1–4,1 Proz.), Blei und enthält gewöhnlich noch Körner von Osmium-Iridium (0,5–37,3 Proz.), Gold (0,4–4 Proz.), Chrom- und Titaneisen, Spinell, Zirkon, Quarz (0,9–4,3 Proz.). Der Platingehalt beträgt 50–86 Proz. Zur Raffination löst man das P. in Königswasser, verdampft zur Vertreibung der Salpetersäure, löst den Rückstand in Salzsäure, fällt mit Salmiak und glüht den Niederschlag. Der erhaltene Platinschwamm wird komprimiert und im Knallgasgebläse geschmolzen, die gegossenen Barren werden geschmiedet und gewalzt. Das so gewonnene P. enthält 2 Proz. Iridium. Zur Scheidung platinhaltigen Goldes benutzt man Platten dieses Metalls als Anoden in einer salzsäurehaltigen Goldchloridlösung. Das P. geht hierbei in Lösung, scheidet sich aber nicht mit dem Golde zusammen an der Kathode ab. Reines P. ist für technische Zwecke zu weich, und man gibt daher dem möglichst rein dargestellten Metall mit 0,1 Proz. fremden Beimengungen einen angemessenen Iridiumgehalt, durch den freilich das Metall an Geschmeidigkeit verliert. P. ist weiß, mit einem Stich ins Graublaue, so weich wie Kupfer, sehr hämmerbar und dehnbar, kaum weniger fest als Eisen, schweißbar, vom spez. Gew. 21,48, Atomgewicht 196,7, an der Luft bei jeder Temperatur unveränderlich, schmilzt nur im Knallgasgebläse (bei etwa 1775, richtiger wohl 1710°), absorbiert dabei Sauerstoff, erstarrt unter Spratzen (weshalb das gegossene P. noch unter dem Hammer verdichtet werden muß) und verflüchtigt sich in höherer Temperatur. Rotglühendes P. ist für Wasserstoff leicht durchdringlich. Es ist nur löslich in Königswasser und, wenn es mit einem in Salpetersäure löslichen Metall legiert ist, mehr oder weniger in Salpetersäure. Es verbindet sich direkt mit Chlor, Brom, Jod, auch mit Schwefel, Phosphor, Arsen, aber nicht mit Sauerstoff, es verändert sich nicht an der Luft, auch nicht bei der höchsten Temperatur. Die ätzenden Alkalien und deren Cyanide, noch leichter ein Gemisch von Salpeter und Ätzkali greifen es bei Rotglut an; beim Erhitzen mit Kieselsäure und Kohle wird es kieselhaltig und spröde (deshalb dürfen Platintiegel nicht zwischen Kohlen erhitzt werden); auch durch Einwirkung der Leuchtgas- und Spiritusflamme erfährt es eine Molekularveränderung, wird rauh und grau und, wenn man es nicht nach dem Gebrauch mit rundkörnigem Seesand poliert, endlich spröde. Mit leicht schmelzbaren Metallen bildet es leichtflüssige Legierungen. Unreine Platintiegel reinigt man durch schmelzendes saures schwefelsaures Kali. In sehr seiner Verteilung erhält man P. als Platinschwamm beim Glühen des Platinsalmiaks (Ammoniumplatinchlorid, s. Platinchlorid), als graue, weiche, schwammige Masse, die unter dem Polierstahl Metallglanz annimmt und sich bei Weißglut zu einer kompakten Masse zusammenschweißen läßt. Noch seiner verteiltes P. erhält man als Platinschwarz (Platinmohr), wenn man eine Lösung von Platinchlorid mit überschüssigem Natron mischt und mit Zucker, Alkohol oder Formaldehyd reduziert. Schwach glühender Platindraht gerät in lebhaftes Glühen in mit Luft gemischtem Leuchtgas, Wasserstoff, Kohlenoxyd, Äther- und Alkoholdampf, indem er auf seiner Oberfläche die Oxydation der Gase oder Dämpfe bewirkt (s. Glühlämpchen). Viel energischer wirken Platinschwamm und Platinschwarz. Ersterer entzündet einen Strom Wasserstoffgas (Döbereiners Feuerzeug), und Platinmohr verwandelt Alkohol sehr schnell in Essigsäure (katalytische oder Kontaktwirkung). Platinschwamm absorbiert begierig Gase, besonders Sauerstoff, und veranlaßt dadurch lebhafte Verbrennungserscheinungen, Platinmohr absorbiert über 250 Vol. Sauerstoff und wirkt dann auch bei Ausschluß der Luft und noch bei -190° oxydierend, er verwandelt Ameisensäure und Oxalsäure in Kohlensäure und Wasser. P. tritt in manchen Verbindungen vierwertig, in andern zweiwertig auf; man kennt ein Oxydul PtO und ein Oxyd PtO2.

An einer ägyptischen Metallbüchse aus dem 7. Jahrh. v. Chr. sind Verzierungen aus P. nachgewiesen worden. Die Deutung mancher Nachrichten aus dem Altertum auf P. ist unsicher. Scaliger (gest. 1558) scheint P. aus den Gruben von Darien (Neugranada) in Händen gehabt zu haben. Zur Zeit Ulloas (1735) war P. in Südamerika ein wohlbekannter Begleiter des Goldes, der sich bei dessen Verarbeitung lästig machte. In Spanien nannte man es Platina del Pinto (kleines Silber vom Fluß Pinto in Südamerika). 1750 wurde es von Watson als eigentümliches Metall beschrieben, und Achard stellte 1784 wohl den ersten Platintiegel dar. Wollaston fand 1803 und 1804 im Platinerz noch Palladium und Rhodium, entdeckte die Schweißbarkeit des schwammförmigen Platins und legte damit den Grund zu der Platinindustrie, die der wissenschaftlichen Chemie und der Technik höchst feuerbeständige und gegen die meisten Reagenzien widerstandsfähige Gefäße lieferte. In Rußland prägte man seit 1828 Platinmünzen (s. Platindukaten), und in Paris werden Denkmünzen und Medaillen aus P. geprägt. Einen wesentlichen Fortschritt machte die Platinindustrie durch Sainte-Claire Deville und Debray, die auch das Schmelzen größerer Mengen im Knallgasgebläse lehrten, nachdem bereits Macquer und Baumé das P. mit Hilfe eines Brennspiegels und Hare 1847 über 970 g P. mit Knallgas geschmolzen hatten. Gegenwärtig schmelzt man Platinmassen bis zu 300 kg. Man benutzt P. zu Blechen, Drähten, Tiegeln, Löffeln, Lötrohr- und Blitzableiterspitzen, Retorten, Zangen, Kesseln für Assinierwerke und Schwefelsäurefabriken, Röhren zur technischen Darstellung von Sauerstoff, ferner zur Konstruktion galvanischer Elemente, in der Elektrotechnik, zu Senflöffeln, Galanteriewaren, Glühlampen, Feuerzeugen, Normalmaßen, bei der Beleuchtung (Platingas), zu Medaillen und in der Zahntechnik. Für manche Zwecke ersetzen das reine P. auch mit P. plattierte Gold- und Kupfergegenstände; auch verplatiniert man andre Metalle, Glas (Platinspiegel) und Porzellan und imprägniert Asbest mit schwammförmigem P., um dies als Kontaktsubstanz zu benutzen. In der Porzellanmalerei wird P. als Scharffeuerfarbe und zur Herstellung des Glanzplatins und der sogen. Lüsterfarben zu Verzierungen auf Porzellan, Fayence und seinem Steinzeug angewendet. Von der gesamten Produktion verbraucht die Zahnindustrie 50 Proz., die chemische Industrie und Elektrochemie 30 Proz., Elektrotechnik, Bijouterie etc. 20 Proz. Die jährliche Ausbeute an P. schwankt sehr stark. Rußland erzeugte 1902: 7306 kg (tatsächlich mehr, da ein Viertel der Ausbeute gestohlen wird), Kolumbien 1900: 356 kg, Borneo soll jährlich 50 kg liefern, Neusüdwales gewann 1900: 15,6 kg. Die Vereinigten Staaten gewinnen P. nur bei der Goldscheidung. Von der russischen Produktion wird ein Drittel nach Deutschland eingeführt, auch gelangen die Rückstände von der Raffination des Platins aus Rußland nach Deutschland. Platinerze wurden 1904: 70,69 dz eingeführt. Vgl. Sainte-Claire Deville, Métallurgie du platine (mit Debray, Par. 1863, 2 Bde.); Nöggerath, Geschichte des Platins (1875).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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