Pflanzenschutz

Pflanzenschutz

Pflanzenschutz, Vorkehrungen zum Schutz der Pflanzen gegen Schädigungen aller Art, besonders gegen Krankheiten der Kulturgewächse. Sehr empfindlich sind die durch Angriffe der Schmarotzerpilze (Befallen) verursachten Schäden; der allein durch Rostpilze verursachte Verlust bei der durchschnittlichen Getreideernte bezifferte sich für das Königreich Preußen 1891 auf ca. 418 Mill. Mk., also auf fast ein Drittel der überhaupt als Getreide produzierten Werte. Über die zurzeit in Verwendung stehenden Bekämpfungsmittel gegen Pflanzenkrankheiten gibt Krafft, Ackerbaulehre (8. Aufl., Berl. 1906) folgende Übersicht:


I. Vorbeugende Mittel: 1) Vermeidung von Örtlichkeiten, z. B. eingeschlossener Lage, nebelreicher Gebiete, naßgalligen Bodens etc., welche die Pilzentwickelung befördern.

2) Auswahl und Anbau von gegen Pilze widerstandsfähigen Sorten und Varietäten der Kulturpflanzen.

3) Fruchtwechsel: Vermeidung des Anbaues der Pflanzen nach sich selbst oder nach Pflanzen, die denselben Pilzerkrankungen unterliegen.

4) Düngung: Nichtverwendung von frischem Stallmist, auf dem die Brandsporen keimen und hefeartig weitersprossen, von Kalk, Mergel, die den Kartoffelschorf begünstigen.

5) Bestellung: Gesundes Saatgut. Sorgfältige Kultur, um die Pflanzen rascher über das für die Pilzansteckung günstigste Entwickelungsstadium zu bringen oder gegen die Ansteckung zu kräftigen. Drillkultur zur bessern Belichtung. Tiefes Unterpflügen der Stoppeln und Erntereste.

6) Antiseptische und aseptische Wundverschlüsse: Verstreichen von Wunden mit Teer, Baumwachs.

II. Vorbeugende und heilende Mittel: 1) Beseitigung der erkrankten lebenden Pflanzen und Pflanzenteile zum Schutz der gesunden Pflanzen: Ausraufen und Verbrennen der erkrankten Pflanzen; Entlaubung.

2) Beseitigung der Wirtspflanzen, die heterözischen Pilzen (Rostpilzen, Uredineen) bei ihrem Generationswechsel dienen: Ausrottung der Berberitze in der Nähe von Getreide-, der Wolfsmilch von Erbsen-, des Kreuzdorns von Haferfeldern etc.

3) Beseitigung abgestorbener Pflanzen zur Vernichtung der anhaftenden Pilze, ihrer Früchte und sonstigen Dauerformen: Verbrennen von Pflanzenresten, von Laub, Stroh zur Vernichtung der Wintersporen.

III. Heilende Mittel durch unmittelbare Vernichtung der Pilze: 1) Vertilgen der Sporen am Saatgute: Sterilisation der Samen durch Beizen mit Kupfervitriol, Formalin, Kupfervitriol und Kalkmilch, Heißwasser gegen Brandpilze (Ustilagineen), Beizen der Kartoffelknollen, der Rübenkerne etc.

2) Vernichtung des Pilzmyceliums und der Sommerfrüchte, am wirksamsten bei epiphytisch (an der Oberfläche) lebenden, laubbewohnenden Pilzen: Anwendung von Pilzgiften (Fungicide): a) Überstäuben von Pulver (Schwefel, Schwefelblumen) mit Wollquasten, Blasebälgen gegen Meltaupilze (Erysipheen); b) Begießen, Übersprühen von Lösungen (Kupfersulfat, Kupferkalk- [Bordelaiser Brühe, s.d.], Kupfersodamischung etc.) mit Peronospora-Apparaten (s.d.) gegen Peronosporeen.

3) Beseitigung der Pilzfruchtkörper (Dauermycelien, Sklerotien): Absammeln, Ausputzen des Mutterkorns aus Roggen, Absammeln und Vernichten der Polyporus- und Agaricineen-Fruchtkörper an Obstbäumen etc.


Bezüglich der Abwehr schädlicher Tiere muß vor allem auf deren Entwickelungsgeschichte Rücksicht genommen und die Bekämpfung in Einklang mit dieser gebracht werden. Dem Insektenschaden wird am sichersten vorgebeugt durch den Schutz solcher Tiere, die mit ihrer Nahrung auf Insekten angewiesen sind, wie insektenfressende Vögel, Fledermäuse, Maulwürfe, Igel, Amphibien etc. Andre Vorbeugungsmittel sind: Aussetzen des Anbaues der gefährdeten Pflanze, Fruchtwechsel; Brachbearbeitung, Düngung; Wahl widerstandsfähiger Sorten, gesunden reinen Saatgutes, der Saatzeit, Saatmenge, Saattiefe, Bestellungs- und Kulturart mit Rücksicht auf die Entwickelungs- und Lebensweise des zu fürchtenden Pflanzenfeindes; Reinhalten des Bodens und der Ackerränder von Unkraut, das den Schädlingen zur Brutstätte dienen könnte. Viel weniger Aussicht auf Erfolg als Schonung und Hegung nützlicher Tiere kommt dem Vertilgen schädlicher Tiere und ihrer Brut zu. Zur Vertilgung werden angewendet:


I. Chemische Mittel: 1) Wärme. a) Töten der Samenkäfer durch Erhitzen der Samen; b) Verbrennen der stehenden oder abgeernteten infizierten Pflanzen, der Stoppeln, des Strohes, der Spreu, der abgeriebenen oder ausgeschnittenen Teile der Nistelstellen etc.

2) Insektengifte (Insekticiden): a) Anwendung fester Stoffe: Giftlegen; Auslegen mit Strychnin, Mennige etc. vergifteter Samen; Bestreuen oder Überstäuben mit Hilfe von Verstäubungsapparaten mit Pulvern (Ätzkalk, Gips, Ruß, Steinkohlenasche, Pyrethrumpulver etc.); b) Anwendung von Flüssigkeiten: Begießen oder Überspritzen mit 50° heißem Wasser, Bordelaiser Brühe, Emulsionen oder Lösungen von Schweinfurtergrün, Chlorcalcium, Chlorbaryum, Schwefelkalium, Gaswasser, Seifenwasser, Quassiawasser, Neßlerwasser, Krügers Petroleum-Emulsion, Tabaksaft, Tabakextrakt etc. mit Insekten-(Peronospora-) spritzen; Bestreichen der Nistorte mit Pinseln, Bürsten mit Kalkmilch, 1,25 proz. Lösung von übermangansaurem Kali, Mischungen von fettem Öl, Terpentinöl, Firnis etc. mit Insekticiden oder deren Abkochungen; Waschen mit Insekticidenlösungen; Überfluten mit Wasser etc.; c) Einführen von Gasen: Schwefelkohlenstoff, Schwefliger Säure.

II. Mechanische Mittel: 1) Tiere. a) Eintreiben von Schweinen, Geflügel in die Felder; b) Abweiden mit Schafen.

2) Menschenhand: a) Ausraufen, Abmähen, Entgipfeln, Auslesen der heimgesuchten Pflanzen und Pflanzenteile; b) Abfangen und Absammeln der Schädlinge; c) tiefes Unterbringen der Stoppeln etc., Abwalzen, Umpflügen.

3) Vorrichtungen: a) Fallen, Fangmaschinen, Fanggräben, Fangtöpfe, Fangtücher, Fanglaternen, Acetylenlampen mit Wasserbehälter; b) Schutzringe mit Teer-, Kalkanstrich, Wellpappefanggürtel.

4) Fangen: a) Fangpflanzen. Besondere Aussaat von Nährpflanzen zum Fangen des Schädlings (Nematoden, Fritfliege) und Vernichtung derselben mit dem Schädling; b) Auslegen von Ködern (rohen Kartoffelstücken, Ölkuchen).

5) Vertreiben: a) Auslegen riechender Substanzen; b) Aufstellen von Vogelscheuchen etc.

III. Mikroorganismen: 1) Ausstreuen von auf künstlichen Nährböden (Kartoffeln) gezüchteten Sporen höherer Pilze (Cordyceps-, Isaria-, Botrytis-, Oospora-, Sporotrichum- etc. Formen). - 2) Ausstreuen von Reinkulturen pathogener Bakterien (Löfflers Mäuse-, Danysz' Rattenbazillus).


Im weitern Sinne bezeichnet man als P. auch die Maßregeln zum Schutz von wildwachsenden Pflanzen, die durch Touristen, Gärtner, Botaniker, Pflanzenliebhaber und Kräutersammler in ihrer Existenz gefährdet werden. Die Regierungen verschiedener Alpenländer haben das Ausgraben von Edelweiß verboten und damit die jährliche Ausfuhr von Tausenden von Edelweißstöcken (besonders nach Amerika) lahmgelegt. Einige alpine Gemeinden sind noch weiter gegangen, das Bergdorf Arosa z. B. hat das Ausgraben aller Alpenpflanzen verboten, Salzburg hat die Gentianen geschützt etc. Im Departement Savoyen ist das Sammeln des Alpenveilchens (Cyclamen europaeum) verboten worden, da infolge der enormen Mengen, die auf die Märkte von Chambéry und Aixles-Bains kommen, die schöne Pflanze dort immer mehr zu verschwinden droht. 1883 bildete sich in Genf eine Gesellschaft für P., die alpine Gärten zur Kultur von Alpenpflanzen anlegte, um dadurch seltenere Arten vor der Ausrottung zu sichern. Der erste dieser Gärten wurde am Großen St. Bernhard in Betrieb gesetzt. Ähnliche Ziele verfolgt der vom Deutschen und Österreichischen Alpenverein unterstützte Verein zum Schutze der Alpenpflanzen (vgl. auch Alpenvereine). Literatur s. bei Pflanzenkrankheiten.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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