Mauritius [1]

Mauritius [1]

Mauritius (früher Isle-de France), engl. Insel im Indischen Ozean, eine der Maskarenen (s. d.), 880 km östlich von Madagaskar, 19°58'–20°32' südl. Br. u. 57°17'–57°46' östl. L., 1914 qkm groß, wird mit Ausnahme von zwei bis drei steilen Küstenstellen von einem Saumriff umgeben, das sich jedem Fluß gegenüber ziemlich weit öffnet (s. Textkärtchen).

Karte der Insel Mauritius.
Karte der Insel Mauritius.

Die stark zerschnittenen Küsten aus Korallenkalk haben zwei gute Häfen: Port Louis (W.), Port Bourbon (O.). Die Risse und Korallenbänke machen eine Annäherung an die Küste gefährlich; die dadurch bedingte Verteidigungsfähigkeit der Insel ist durch künstliche Werke noch erhöht. Unfern der Küste steigen die Berge schroff empor; das Innere bedeckt ein 300–500 m hohes, bewaldetes Plateau, über das mehrere Berge emporragen: Ponce (807 m), Montagne de la Rivière Noire (815 m) und Pieter Both (813 m), eine den Schiffern weithin sichtbare Landmarke. Auf der vulkanischen Insel wechseln basaltische Laven, Tuffe und Aschen miteinander, und der größte See (Grand Bassin, 667 w) füllt wahrscheinlich einen alten Krater. Ihm entströmen nach allen Seiten abstürzende Bäche, die seit der Entwaldung bald trockne Rinnsale, bald gewaltige Sturzbäche sind. Das Klima ist auf den Hochebenen gesund, da das Thermometer nicht über 27° steigt; in den Küstenebenen herrschen Fieber. Der Gesundheitszustand von M. ist durch die Asiaten (s. unten) sehr verschlechtert worden. Die Cholera forderte 1854 an 17,000, die Malaria 1867 an 30,000 Opfer. Jahrestemperatur 25,1°, Regenzeit Dezember bis März, trocken September und Oktober. Furchtbare Orkane (Mauritiusorkane, s. d.) richten zuweilen großen Schaden an. Die Pflanzenwelt zeigt alle Reize anmutiger Tropenlandschaft in dem durch den Anbau gelichteten Hochwald, der völlig auf die Berge zurückgedrängt, daher zugänglicher als anderswo ist, weil tiefe Beschattung Unterholz nicht aufkommen läßt. Die Flora ist dem benachbarten Madagaskar nahe verwandt: z. B. die Pandanusarten, ferner die geringe Mannigfaltigkeit der Palmen. Unter den Holzgewächsen sind die Rubiazeen reich vertreten, neben ihnen Euphorbiazeen, Konvolvulazeen, Malvazeen, Büttneriazeen, Sapindazeen und vor allem Farne; Gräser treten zurück. Bei 1600 m beginnt die Region niederer Gesträuche, von dem krummholzähnlichen Pandanus montanus und von zahlreichen Farnen begleitet, deren Zweige mit tropischen Epiphyten, Orchideen, Loranthazeen und Piperazeen geziert sind. Eine Reihe von Eriken ist denen Madagaskars nahe verwandt; unter den Kompositen vertreten das festländische Afrika die Gattungen Gnaphalium und Seriphium (S. passerinoides). Merkwürdig ist endlich, zugleich der größte Baum dieser Region, die Acacia heterophylla, welche die leicht abfallenden Fiederblätter durch Blattstiel e ersetzt, ganz an australische Typen erinnernd. In seiner Tierwelt gehört M. zur madagassischen Subregion der äthiopischen Region. Von Säugetieren, ursprünglich auf Fledermäuse beschränkt, sind durch den Menschen wahrscheinlich die Lemuriden, sicher die Nager, Rinder, Zebu, Schweine, Schafe, Ziegen etc. eingeführt worden. Vögel sind zum Teil der Insel eigen, einige erst in historischer Zeit ausgestorben, so die berühmte Dronte, die bis zu Ende des 17. Jahrh. lebte, wie Abbildungen nach der Natur erweisen. Von Reptilien gibt es Eidechsen, von nützlichen Insekten die Kochenillelaus und die Seidenraupe. Die sehr gemischte Bevölkerung für M. mit Dependenzen (auch Chagosarchipel) betrug 1901: 375,882 ohne Militär, mit diesem 378,195 (198 Einw. auf 1 qkm). Trotz verheerender Epidemien hat sie sich schnell vermehrt, vornehmlich durch die Einführung von Indern (1901: 206,131), ursprünglich wie die meisten der Chinesen (3515) Arbeiter. Außer 357 Franzosen und 436 Briten gibt es Neger, Madagassen, Parsi, Singhalesen, Malaien und viele Mischlinge. Das männliche Geschlecht überwiegt (1899: 206,821 Männer, 172,838 Frauen). Die französische Sprache ist herrschend; das Englische wird in den Bekanntmachungen der Regierung und in englischen Familien sowie vor Gericht gebraucht. Für Volksbildung sorgen ein Gymnasium (Collége Royal), Volksschulen, auch für die Kulis durch die englische Kirchenmission. Es bestehen mehrere Bibliotheken, gelehrte Gesellschaften, Zeitungen, Theater. Der Religion nach waren (nur für M.) 113,224 Katholiken, 6231 Protestanten, 41,208 Mohammedaner, 206,131 Hindu u. a. In der Hauptstadt residieren ein anglikanischer und ein katholischer Bischof, letzterer zugleich Erzbischof von Nisibis. Die englische Kirchenmission zählt über 2000 Christen.

Haupterzeugnis der Kultur ist Zuckerrohr, zu dessen Anbau man viel Wald niedergeschlagen hat, so daß die Insel gegenwärtig fast kahl ist; große ausgesaugte Striche an der Küste werden von der Aloe in Besitz genommen, deren Faser von mehreren Gesellschaften verarbeitet wird. Die seit 1878 zurückgegangene Produktion von Zucker hebt sich neuerdings wieder (1902: 111,398 Pfd. Sterl.). Früher baute man viel Kaffee, jetzt noch Weizen, Mais, Reis (doch in ungenügender Menge), ebenso Baumwolle, Pfeffer, Zimt, Indigo, Tropenfrüchte gedeihen vortrefflich; auch Tee wird unter Förderung der Regierung gebaut, Viehzucht dagegen nicht getrieben, Pferde und Schafe aus Kapland und Birma, Rindvieh aus Madagaskar eingeführt. Seidenraupenzucht wird seit 1815 mit Erfolg betrieben. Die Küstengewässer sind ziemlich fischreich, Eisenerzgruben, früher ausgebeutet, sind jetzt verlassen. Der Handel hat sich sehr gehoben: Einfuhr (1903) 23,367,249 (Baumwollwaren, Kohlen, Maschinen, Eisen, Dünger, Seife), Ausfuhr 34,138,070 Rupien (Zucker, Drogen, Hanf). 1903 betrug der Schiffsverkehr 391,537 Ton. Der Postdienst besteht mit Kolombo, Aden, den Seychellen, Madagaskar, Sansibar und Kapland. Eisenbahnen (169 km) verbinden Port Louis mit Mahébourg und mit Moka, die Telegraphenlinien haben eine Länge von 362 km, Kabel führen über die Seychellen nach Sansibar und von Australien nach Natal über M. und Rodriguez. An der Spitze der Verwaltung steht ein Gouverneur mit einem ausführenden Rat und ein zum Teil gewählter Gesetzgebender Körper von 27 Mitgliedern außer dem Gouverneur. Zu Verwaltungszwecken ist die Insel eingeteilt in neun Distrikte. 1902/03 betrugen die Einnahmen 9,221,600, die Ausgaben 9,575,182 Rupien, die Kolonialschuld 1902: 1,379,784 Pfd. Sterl. Alle amtlichen Rechnungen werden in indischen Rupien vollzogen. 1878 wurde das metrische System eingeführt. Hauptstadt ist Port Louis (s. d. 2) mit (1901) 52,740, dann Mahébourg (s. d.) auf der Südostküste mit 20,000 Einw. Unter dem Gouverneur von M. stehen als Dependenzen die Insel Rodriguez, 111 qkm mit (1901) 3163 Einw. (die Inseln innerhalb der Madagaskargruppe überhaupt 185 qkm mit 3839 Einw.) und der Chagosarchipel (zu Asien gehörig), 110 qkm mit 1020 Einw., zusammen 295 qkm mit 4859 Einw. Die Seychellen (früher zu M. gehörig) sind 1903 für selbständig erklärt worden.

Die Insel M., wahrscheinlich 1507 mit Bourbon und Rodriguez von dem Portugiesen Mascarenhas entdeckt, wurde 1598 von dem Admiral van Nek für Holland in Besitz genommen und M. benannt, aber schon 1710 wieder aufgegeben. Seit 1712 französisch (Isle-de-France), wurde M. 1810 englisch. Vgl. Anderson, Descriptive account of M. (Mauritius 1858); Flemyng, M. or the Isle of France (Lond. 1862); Decotter, Géographie de M., etc. (Mauritius 1891); Leclercq, Au pays de Paul et Virginie (Par. 1895); Anderson, The sugar industry of M. (Lond. 1899); Keller, Madagascar, M., and the other East African Islands (das. 1900); Rae, Handbook on the constitution... of M. (Mauritius 1901); Prentout, L'Ile de France sous Decaen 1803–1810 (Par. 1901); »The Mauritius-Almanac« (Mauritius).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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