Kleinbahnen

Kleinbahnen

Kleinbahnen, dem öffentlichen Verkehr dienende Eisenbahnen, die wegen ihrer geringen Bedeutung für den allgemeinen Eisenbahnverkehr dem Gesetz über die Eisenbahnunternehmungen vom 3. Nov. 1838 nicht unterliegen, also insbes. der Regel nach solche Bahnen, die hauptsächlich den örtlichen Verkehr innerhalb eines Gemeindebezirks oder benachbarter Gemeindebezirke vermitteln, sowie Bahnen, die nicht mit Lokomotiven betrieben werden. Die K. unterliegen in Preußen dem Gesetz über K. und Privatanschlußbahnen vom 28. Juli 1892 (vgl. Eisenbahn, S. 497, und Eisenbahnrecht). Nach der Ausführungsanweisung zum preußischen Kleinbahngesetz werden die K. unterschieden: in Straßenbahnen und nebenbahnähnliche K. Am 1. Okt. 1892 bestand das preußische Kleinbahnnetz aus 90 Bahnen (1035 km), überwiegend Straßenbahnen. Ende 1901 waren im Betriebe: 129 Straßenbahnen und 186 nebenbahnähnliche K., zusammen 7547,9 km. 112 hatten Normalspur (1,435 m), 203 geringere Spurweite. Es entfielen auf:

Tabelle

Der Kleinbahnbau wird durch finanzielle Beihilfe des Staates und der Kommunalverbände gefördert. Zu dem Anlagekapital der am 1. April 1901 betriebenen und genehmigten K. hatten Staat und Provinzen je rund 37,500,000 Mk., die Kreise rund 92,500,000 Mk. beigesteuert. Weitere staatliche Mittel sind bereitgestellt.

In den übrigen deutschen Bundesstaaten waren an K. Ende 1901 vorhanden:

Tabelle

Insgesamt umfaßte das Kleinbahnnetz Deutschlands 1901: 381 K. mit 8716,98 km (3006,41 km Straßenbahnen und 5710,57 km nebenbahnähnliche K.). Von den Straßenbahnen wurden 26 mit Pferden, 20 mit Dampf, 4 mit Seilen und 136 mit Elektrizität betrieben. Die Betriebskraft bei den nebenbahnähnlichen K. ist überwiegend der Dampf, nur bei 11 Unternehmungen sind elektrische Motorwagen oder Lokomotiven tätig. 42 Straßenbahnen (664,77 km), darunter die Hannoversche Straßenbahn und die Aachener Kleinbahn, dienen auch dem Güterverkehr. Von den nebenbahnähnlichen K. haben 5 (67,15 km) nur Personen-, 12 (71,01 km) nur Güterverkehr. Auf 9 Bahnen (296,84 km) sind Rollböcke zur Überwindung eines Spurwechsels im Gebrauch. Die größten Straßenbahnunternehmen sind: Große Berliner Straßenbahn (236,98 km), Straßenbahn in Hannover (159,82), in Hamburg (139,03). 957 km nebenbahnähnliche K. stehen in kommunalem Betrieb. Das größte Kommunalunternehmen sind die Lübben-Kottbuser Kreisbahnen (89,19 km), dem Kreise Lübben und der Stadt Kottbus gemeinsam gehörig. Das größte einheitlich betriebene Kleinbahnnetz überhaupt ist das der Mecklenburg-Pommerschen Schmalspurbahn (145,14 km). Dann folgen die Oberschlesischen Dampfstraßenbahnen mit 117,90 km und die Saatziger Kleinbahn mit 116,87 km. Die nebenbahnähnlichen K. haben sich bisher teilweise als wenig ertragsfähig erwiesen. Nach dem Finanzergebnis des Jahres 1901 hat sich die Dividende nur bei einer Bahn, der Marienborn-Beendorfer Kleinbahn, auf mehr als 5 Proz., und zwar auf 8 Proz., gestellt. Nur 21 Unternehmungen (675,38 km) haben zwischen 3 und 5 Proz., weitere 15 Bahnen (399,19 km) weniger als 3 Proz. an Dividende verteilt. 23 Bahnen (693,81 km) haben mit einem Betriebsverlust abgeschlossen. Die größern Gesellschaften für den Betrieb von K. sind: Lenz u. Komp., G. m. b. H. in Berlin (1369,89 km), Ostdeutsche Eisenbahn-Gesellschaft in Königsberg und Bromberg (542,70 km), Allgemeine Deutsche Kleinbahngesellschaft in Berlin (355,07 km), Westdeutsche Eisenbahngesellschaft in Köln (316,12 km), Eisenbahnbaugesellschaft Becker u. Komp., Berlin (135,77 km).

Im Königreich Sachsen bestehen außerdem 21 vom Staate betriebene Schmalspurbahnen in einer Gesamtlänge von 410,10 km. Das Anlagekapital beträgt 38,732,220 Mk., auf 1 km Bahnlänge 94,443 Mk. (gegen 337,454 Mk. bei den Vollspurbahnen). 1900 betrug die durchschnittliche Betriebseinnahme auf 1 km Bahnlänge 5687 Mk. (gegen 45,300 Mk. bei den Vollspurbahnen).

In Österreich waren Ende 1900: 5959 km Lokalbahnen im Betrieb, davon 727 im Staats- und 5232 im Privateigentum. Bei 2260 km Privatbahnen war der Staat mit 27,116,000 Kronen finanziell beteiligt. An Schleppbahnen (Eisenbahn für Privatzwecke) waren vorhanden 1204 km. 885 wurden mit Dampf, 319 mit Tierkraft betrieben. Eine allgemeine österreichische Kleinbahngesellschaft, die den Erwerb und Betrieb von K. bezweckt, ist 1902 in Wien ins Leben getreten. Ungarn hatte 1902: 24 K. mit 252 km, außerdem 2791 km Industriebahnen. In Belgien waren Ende 1901: 95 K. (1929 km) im Betrieb, 19 (726,2 km) im Bau und in Vorbereitung. Nur 2 K. (22,8 km) hatten Normalspur, die übrigen (2632,4 km) geringere Spurweite (überwiegend im). 87 K. (1854,5 km) wurden mit Dampf, 1 mit Pferden, 4 mit Elektrizität und 3 mit Pferden und Elektrizität betrieben. In England ist 1896 ein Kleinbahngesetz genehmigt, das den Bau von K. zu erleichtern bestimmt ist. Bewilligt waren bis Mai 1902: 201 Linien mit 2381 km, weitere 178 K. mit 3500 km sind geplant. Das aufgewendete und noch vorgesehene Anlagekapital beträgt insgesamt 558,144,000 Mk. Der Staat beteiligt sich durch Beihilfen (teils als verlorne Zuschüsse, teils als zinslose oder mäßig zu verzinsende Darlehen). In Frankreich hatte 1899 das Netz der Lokalbahnen eine Betriebslänge von 4424 km, die 85 Gesellschaften angehörten. Davon entfielen auf Vollspurbahnen 1662, Schmalspurbahnen 2734, Seil- und Zahnradbahnen 28 km. Von dem Gesamtanlagekapital der Lokalbahnen Ende 1899 in Höhe von 395,293,745 Fr. (89,130 Fr. für 1 km) entfielen auf den Staat 3,34 Proz., auf die Gesellschaften 73,51 Proz. und auf sonstige Beihilfen 23,15 Proz. An ländlichen K. (ligues rurales d'intérêt local), die man etwa den nebenbahnähnlichen K. Preußens zur Seite stellen kann, waren Ende 1901 vorhanden: 7805 km mit einem Anlagekapital von 589 Mill. Fr. Eine weitere Ausdehnung steht bevor, da der Staat im ganzen schon für 10,321 km Lokal- und Straßenbahnen die Zinsbürgschaft übernommen hat. In Holland bestand das Kleinbahnnetz Ende 1900 aus 64 Unternehmungen mit rund 1589 km Betriebslänge. 24 (219 km) wurden mit Pferden, 28 (625 km) mit Dampf betrieben, nur 2 (17 km) hatten ausschließlich elektrischen Betrieb. 134,7 km sind doppelgleisig. 546 km haben normale, 1043 km geringere Spurweite. In der Schweiz waren Ende 1900 im Betrieb: 92 K. mit 907,5 km, und zwar 27 Schmalspurbahnen (575,9 km), 26 Drahtseilbahnen (23,6 km), 28 Straßenbahnen (216,3 km) und 11 Zahnradbahnen (91,7 km). In Spanien umfaßte das Trambahnnetz 1897: 128 Linien mit 981 km. Außerdem waren vorhanden 752 km für Bergwerke, Forsten und landwirtschaftliche Betriebe. In den Vereinigten Staaten von Nordamerika wurden 1900: 32,250 km Straßen- und Hochbahnen von 905 Gesellschaften mit einem Gesamtkapital von 1,933,015,133 Doll. betrieben. Kanada hatte 1213 km mit 39,197,793 Doll. Anlagekapital. Auch in Argentinien ist die Anlage von K. in weiterm Umfange geplant. 1898 wurden 18,000 km konzessioniert. Die Ausführung ist indes teilweise ins Stocken geraten, so daß 1901 erst ca. 300–400 km im Betrieb waren. In Algerien und Tunis betrug die Betriebslänge der Lokal- und Straßenbahnen 1900: 165 km. In Ägypten hat die Regierung 1896 einer englischen Gesellschaft die Konzession zum Bau und Betrieb von K. im Gebiete des Nildeltas erteilt. Die erste, 26 km lange Strecke wurde 1898 eröffnet. 1900 waren 320 km fertiggestellt. Vgl. Hilfe, Handbuch der Straßenbahnkunde, Bd. 2 (Münch. 1891–93); Unruh, Die K. (Bromb. 1893); Taubert, Bauausführung und Betrieb von K. (Berl. 1895); F. Müller, Grundzüge des Kleinbahnwesens (das. 1895); Haarmann, Die K. (das. 1896); Mackay, Light Railways (Lond. 1896); Eger, Das Gesetz über K. und Privatanschlußbahnen vom 28. Juli 1892 (2. Aufl., Berl. 1904); Gleim, Das Gesetz über K. vom 28. Juli 1892 (3. Aufl., das. 1899); Hirszson, Die Stadtbahnen, deren Bau, Betrieb und finanzielle Verhältnisse (Petersb. 1901); Wächter, Die K. in Preußen (Berl. 1902); »Zeitschrift für K.« (hrsg. im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, zugleich Organ des Vereins deutscher Straßenbahn- und Kleinbahn-Verwaltungen, das.).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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