- Festungskrieg
Festungskrieg (hierzu die Tafeln »Festungskrieg I-III«), die Kriegshandlungen, welche Angriff und Verteidigung beständig befestigter Plätze mit sich bringen. Solange Festungen bestehen, haben Belagerungen stattgefunden; da erstere bis in das früheste Altertum zurückreichen, so erhalten wir auch schon durch die ältesten Schriften und Bildwerke Nachrichten von Kämpfen vor und um Festungen. Man drang mit Hilfe von Leitern oder durch eine in der Mauer hergestellte Öffnung (Bresche) in die Festung ein. Es handelte sich mithin stets nur um einen Nahkampf, die heutige Methode beginnt aber zunächst mit einem oft schon entscheidenden Fernkampf. Die alten Kulturvölker bedienten sich fast alle der gleichen Mittel und des gleichen Verfahrens. Die Angreifer überschütteten die Verteidiger auf der Mauer mit einem Hagel von Pfeilen, um den Stürmenden, die sich gegen oben durch Schilde deckten, ihr Werk zu erleichtern. Mußte man die Mauer öffnen, so wurde sie untergraben und mit Balken, die später abgebrannt wurden, unterstützt, oder man bediente sich der Mauerbrecher etc. (s. Kriegsmaschinen). Die Perser zeigten zuerst große Fortschritte in der Poliorketik (Belagerungskunst), hatten schon Wandeltürme und Geschütze, auch die Griechen entwickelten schon im 5. Jahrh. v. Chr. (Platää, Syrakus) diese Kunst durch Erbauung von Kontravallationslinien in Erde, Palisaden, Backsteinen etc., die, in einer den Fernwaffen angemessenen Entfernung ausgeführt, den Belagerern zur Deckung und zum Ausgang des förmlichen Angriffs mit den Belagerungsmaschinen dienten. Von diesen kamen fahrbare Schutzdächer, Schüttschildkröten für Ausfüllung des Grabens, Widder- und Breschschildkröten, unter denen der Sturmbock an die Mauer herangefahren oder auch deren Untergrabung begonnen werden konnte, in Tätigkeit. Zur gedeckten rückwärtigen Verbindung hatte man Laufhallen, dann aber, um schneller zum Ziele zu kommen, Wandeltürme (s. Kriegsmaschinen), aus denen eine Fallbrücke auf die Mauer herabgelassen wurde; bei niedrigen Mauern genügte eine fahrbare Fallbrücke. Der Verteidiger kämpfte von der Mauer durch Fernwaffen und suchte namentlich die hölzernen Belagerungsmaschinen in Brand zu setzen. Die Mauern schützte er durch Sandsäcke, Matten etc. gegen die Angriffe des Sturmbockes oder wendete gegen diesen den Gegenwidder an. Die Wandeltürme suchte er durch Unterminierung zu stürzen. Vor allen Dingen aber war man darauf bedacht, durch zahlreiche Ausfälle das Fortschreiten der Angriffsarbeiten zu verhindern, und bekämpfte die sich ungedeckt nahenden Angreifer mit den Handfernwaffen und den ähnlich wie heutzutage hinter Mauerscharten aufgestellten Geschützen (Katapulten etc.). War das Gelingen der Bresche zu erwarten, so wurde hinter derselben durch Wall und Graben mit Palisadierung und hölzernen Türmen ein Abschnitt hergestellt, der oft durch hartnäckige Verteidigung zu neuer Belagerung zwang. Diese Art des Festungskriegs wurde auch von den Römern und später von den Deutschen übernommen und hat etwa zwei Jahrtausende überdauert.
Eine Umgestaltung des Festungskriegs trat erst ein mit Anwendung der Feuergeschütze und der durch ihre Verwendung bedingten Entwickelung des Festungsbaues. Sobald der Festungswall mit Geschützen besetzt war, mußte man das Belagerungsmaterial in größerer Entfernung oder gedeckt unterbringen. Um 1450 warf man zu diesem Zweck schon einen Laufgraben auf und plazierte bald darauf die Geschütze im Abstand von 400–600 m der Kurtine gegenüber hinter einer Brustwehr. Diese Generalbatterie von 20–40 und mehr Geschützen war Demontier- und dann Breschbatterie. Als später sich die Bastione auch an der Verteidigung beteiligten, erhielt die Generalbatterie zu deren Bekämpfung zurückgebogene Flügel. Um die Mitte des 17. Jahrh. zerlegte man die Generalbatterie in mehrere kleinere, baute auf den Flügeln des Angriffs Enfilierbatterien und auf dem Glacis Konter- und Breschbatterien. Der Sappen- und Minenbau, sowohl beim Angriff als bei der Verteidigung, war bereits Mitte des 16. Jahrh. in hohem Grad entwickelt. Immerhin war der Angriff im allgemeinen noch ohne System, die Laufgräben (s.d.) und Gegenbatterien (Approschen- und Konterbatterien) waren noch wenig, die Parallelen (Trancheen) nur in ihren Anfängen entwickelt. Vauban brachte erst in den förmlichen Angriff ein so festes System, daß dieses bis in die neueste Zeit maßgebend blieb. Nachdem die Einschließung des Platzes durch die Berennung mit Kavallerie eingeleitet war, wurden die Zirkum- und Kontravallationslinien, sodann auf 500–600 m von der Festung die erste Parallele zur Zurückweisung der Ausfälle, Verbindung der getrennten Approschenzüge und Anlegung der Rikoschettbatterien erbaut; auf halber Entfernung wurde dann die zweite Parallele mit den Demontierbatterien und am Fuße des Glacis die dritte Parallele angelegt, in der Mörser in Wurfbatterien ihre Ausstellung fanden. Die Krönung des Glacis oder das Couronnement (Tafel I) bildete dann die letzte Infanterieposition und nahm die Konter- und Breschbatterien auf, von denen dann der Grabenniedergang durch die Kontreskarpe in den Graben zur Bresche führte. Vaubans Angriff bezweckte: umfassendes und überraschendes Artilleriefeuer gegen die Angriffs- und Nebenfronten, um sicher und rasch, gedeckt, mit geringem Verlust zum Einbruch zu kommen; man glaubte nach diesem Schema den Tag bestimmen zu können, an dem die Festung fallen müsse. Diese Methode erhielt sich zwar bis auf die neuere Zeit, aber schon die Belagerung von Sebastopol bahnte Abweichungen an und noch mehr das Auftreten der Hinterladekanonen gegen die Forts von Düppel, wo die Loslösung der Batterien von den Parallelen wegen der größern Schußweiten nötig wurde. Aber auch die Belagerung von Straßburg 1870 (Tafel I) zeigt noch engen Anschluß an das bisherige Schema des förmlichen Angriffs. Diesem zu folgen, ist man jetzt nicht mehr benötigt, weil die Verteidigungsmittel schon aus großer Entfernung zerstört werden können, seitdem Mörser mit großen Schußweiten und Brisanzgeschossen zur Verfügung stehen, das Steil- und Schrapnellfeuer große Ausbildung erlangte und die Schußweite und Feuergeschwindigkeit der Kanonen gesteigert wurden.
Der moderne Festungskrieg.
Die Verstärkung der Angriffsmittel, besonders der artilleristischen, und die hierdurch veranlaßten Änderungen im Bau der Festungen, wie z. B. das Vorschieben von Forts vor die Kernfestung, führte zu einem von dem frühern noch bei der Belagerung von Straßburg (Tafel I) 1870 in Anwendung gebrachten sehr abweichenden Angriffsverfahren. Dieses wird auf Tafel III veranschaulicht. Es ergab sich die Notwendigkeit, eine der Verstärkung und Vermehrung der materiellen Mittel entsprechende Umgestaltung der personellen, d. h. der Fußartillerie folgen zu lassen u. der Truppe eine erhöhte Schießausbildung zu geben. Die Taktik des Festungskriegs oder die Lehre vom Gebrauch der Waffen, besonders der Artillerie im F.‚ mußte dadurch eine erhebliche Erweiterung erfahren.
I. Der Angriff.
Schon früher durfte man nur bei kleinen Plätzen älterer Bauart mit nachlässiger Besatzung, ungenügender Armierung etc. durch einen gewaltsamen Angriff, Überrumpelung oder Handstreich Erfolg erwarten, jetzt ist ein Überfall wohl nur noch bei vereinzelten festen Posten möglich. Ausnahmen können trotz der modernen Verteidigungsmittel wohl vorkommen, aber es werden viele günstige Bedingungen und ihre gute Ausnutzung durch einen kühnen Anführer zusammentreffen müssen, wenn das Unternehmen gegen eine verstärkte Stellung oder gar gegen eine Fortfestung gelingen soll. Gegen erstere wird man zu einem geplanten Angriff, gegen letztere zur Belagerung schreiten müssen.
1) Bei einem Überfall muß dem Entschluß zur Tat die Ausführung sofort, auch den eignen Truppen überraschend, erfolgen. Wie bei Offensivunternehmungen im freien Felde wird nach gehöriger Erkundung der Anmarsch in mehreren Kolonnen, die zum bestimmten Zeitpunkt zusammentreffen, erfolgen. Der Vortrupp jeder Sturmkolonne ist mit Hilfsmitteln zum Überschreiten des Grabens, Übersteigen von Mauern, mit Sprengmitteln etc. versehen, einige Artilleristen werden beigegeben, um Geschütze unbrauchbar zu machen, bez. zu bedienen. Ein Teil der Reserve, dem nach Umständen Pioniere zugeteilt werden, folgt den Kolonnen, ein weiterer Teil nimmt mit der der Marschkolonne folgenden Artillerie eine feuerbereite Aufnahmestellung. Die Kavallerie sorgt für die Verbindung zwischen den Kolonnen untereinander. Die pünktlich antretenden Sturmkolonnen müssen die Einbruchsstelle möglichst schnell zu erreichen suchen, jeder Aufenthalt vor Hindernissen oder im Graben ist verderbenbringend, es gibt, wie beim Infanterieangriff im freien Felde, nur ein Vor! oder Zurück! Bei Erfolg ist sofortige Benachrichtigung der außen befindlichen Truppen wichtig, ebenso das Zusammenwirken etwa eingedrungener Abteilungen untereinander oder mit jenen. Fassen die Kolonnen Fuß in dem Werke, so müssen die noch nicht genommenen Teile sogleich, womöglich mit Geschütz, beschossen werden.
2) Handelt es sich um einen geplanten Angriff auf eine verstärkte Stellung, so werden Offiziere des Generalstabs, der Artillerie und der Pioniere zunächst eine Erkundung der feindlichen Stellung, des Geländes etc. vornehmen. Während der Oberbefehlshaber dieses Ergebnis, die Meldung der Vortruppen, der Beobachter auf Türmen, bez. des Luftballons zur Kenntnis nimmt, müssen die Marschkolonnen aufschließen, um sofort dahin abzumarschieren, wohin es die Entwickelung zum Angriff erfordert, besonders muß sogleich eine starke Artillerie bereit sein; weittragende, wirksame Kanonen, besonders aber Steilbahngeschütze, sind erforderlich. Der Regel nach wird dem Zurücktreiben der Vortruppen die Besitznahme günstiger Artilleriestellungen unter Schutz vorgeschobener Infanterie folgen. Dies geschieht vorteilhaft gegen Abend, damit die Nacht zum Ausbau der Schützengräben und Vorbereitung der Artillerieaufstellung benutzt werden kann. Obwohl man durch Vorstöße kleiner Infanterieabteilungen die Aufmerksamkeit des Feindes ablenken und sich gut gedeckte Feuerstellungen schaffen kann, wird man meist erst nach einem Geschützkampf an die Sturmstellung denken können. Da dieser oft tagelang währen kann, wird der Bau rückwärtiger Laufgräben zur Sicherung des Munitionsnachschubs etc. nicht zu umgehen sein. Der Geschützkampf muß hier erst die Feuerüberlegenheit bewirken, dann durch Zerstörung der Deckungen und Niederschmettern des Feuers die Widerstandskraft der Besatzung brechen. Der Sturm wird alsdann in der unter 1) gegebenen Weise ausgeführt, immerhin wird er heutzutage ein sehr schwieriges Unternehmen bleiben.
Besondere Schwierigkeiten wird der Angriff auf Sperr- und isolierte Forts bilden, deren Überwindung die kräftigste Artilleriewirkung erfordert. Diese wird indes von den schweren Batterien des Feldheeres geleistet, ohne daß Heranziehung schwerster Geschütze aus dem Belagerungstrain erforderlich ist. Hier noch mehr als bei dem Angriff auf eine Fortfestung hängt das Gelingen nach sorgfältiger Erkundung, von dem womöglich auf mehreren Straßen unbemerkt bewerkstelligten Erreichen der geplanten Artilleriestellung ab, aus der ein überwältigendes, überraschendes Feuer zum Ziele führen wird. Die Aufgabe wird jetzt wesentlich dadurch erleichtert, daß Steilbahngeschütze mit größter Geschoßwirkung (15 u. 21 cm-Kaliber) feldmäßig ausgerüstet zu schneller Ausstellung befähigt sind. Sie werden nach Umständen durch die Schnellfeuergeschütze leichter und schwerer Feldbatterien sowie durch die leichten und schweren Feldhaubitzen unterstützt werden. Mitunter wird zwar nur ein Niederhalten der Feuerkraft des Werkes nötig sein, meist wird es aber darauf ankommen, es sturmreif zu machen, damit nach Beseitigung der passiven Hindernisse die Infanterie zum Sturm schreiten kann. Das Artilleriefeuer muß deshalb lebhaft sein und darf nicht erlahmen, weshalb für reichliche Munition zu sorgen ist.
3) Handelt es sich um eine Fortfestung, so wird die Wahl des Angriffverfahrens von der zur Verfügung stehenden Truppenzahl und den Kampfmitteln, namentlich der Stärke an Artillerie, anderseits von der fortifikatorischen Stärke, Armierung und Besatzung und auch von der Kriegslage beeinflußt werden. Bei einer Festung mit zahlreicher Einwohnerschaft führt mitunter schon eine Einschließung (Zernierung, Blockade) von langer Dauer durch Aushungern zum Ziel. Eine Beschießung, bez. Bombardement der nicht durch Forts genügend geschützten Stadt, häufige Vorstöße gegen einzelne Werke werden durch materielle und moralische Wirkung das Unternehmen unterstützen. Am schwierigsten werden die ersten Aufgaben bei einer Festung, die gleichzeitig Land- und Seefestung ist, wie Kopenhagen (Tafel II). Die Durchführung einer planmäßigen Belagerung stellt dem Oberbefehlshaber zunächst die Aufgabe, alle Belagerungsbedürfnisse heranzuschaffen. Während selbst beim Angriff auf verstärkte Stellungen die Mittel der Feldartillerie genügten, ist hier die Heranziehung des Belagerungsparks erforderlich. Die wirksamsten, also schwersten Geschütze, der erste Munitionsbedarf dafür und dessen fortgesetzte Ergänzung, hierzu die ungeheuern Gewichtsmengen an andern Belagerungs-(Ingenieurpark) und Lebensbedürfnissen (Proviant etc.) machen die Aufgabe zu einer sehr schwierigen. Abgesehen von den ersten Transporten (Geschützen etc.), bei denen es auf Zeitgewinn ankommt, wird die Eisenbahn zu benutzen, für den Nachschub großer Massen wird immer der Wasserweg vorteilhaft sein. Für Transport von den Ausladestellen bis zum Park sind Förderbahnen anzulegen. Für das herangeschaffte Belagerungsmaterial ist die Sicherung der rückwärtigen Verbindungen (Etappenlinien) wichtig. Die Belagerung beginnt mit dem Abschneiden der Land- und Wasserverbindungen der Festung nach außen durch vorauseilende Kavallerie, wenn nicht gemischte Truppenverbände zur Berennung aller oder einiger Fronten verfügbar sind. Hierauf folgt die möglichst enge, wenn auch außer Feuerbereich gelegene Einschließung, die mit der Zeit immer stärker ausgebaut wird. Die Divisionen rücken dazu in den natürlichen Abschnitten vor und lagern sich in der Nähe der Hauptstraßen, besondere Umstände können veranlassen, daß die Einschließungstruppen hier und da sich nicht außerhalb des feindlichen Feuers halten können, dann ist eine besonders starke Verbauung nötig; ebenso da, wo Ausfälle zu erwarten sind. Der Dienst der Vorposten wird gemäß der Felddienstordnung eingerichtet; inzwischen wurden die Erkundungen beendet und demgemäß der Angriffsplan gemacht. Aus diesem ergibt sich die Lage des Artillerieparks, der Ingenieurhauptdepots etc. nahe der Entladestelle, etwa 7–10 km von den Forts, und es wird dementsprechend die Heranziehung des Artillerie- und Ingenieurbelagerungstrains angeordnet. Nahe diesen Platzen werden Niederlagen von Batteriebaustoffen und andern Belagerungsbedürfnissen eingerichtet. Förderbahnen, Wegebauten, Telegraphenleitungen etc. werden nicht nur innerhalb der Parkanlagen, sondern namentlich auch nach den Batterien hin angeordnet. Nun kommt es darauf an, die Schutzstellung für die Artillerie in Besitz zu nehmen, was ein energischer Verteidiger nicht ohne wiederholte Kämpfe gestatten wird. Der Angreifer wird sich nicht nur auf die gewählte Angriffsfront beschränken, sondern, wo er festen Fuß fassen kann, sich sofort Stützpunkte mit Schützengraben, Deckungen für Feldgeschütze, Laufgräben etc. einrichten. Mit diesem Akt beginnt die Tätigkeit der Infanterie des Belagerungskorps (Tafel III). Man sucht in zwei Nächten damit fertig zu werden, um dann sofort mit dem Batteriebau beginnen zu können. Dieser ist auch möglichst zu beschleunigen, so daß die Batterien in einer Nacht fertig werden und am nächsten Morgen das Feuer eröffnet werden kann. Grundsatz ist, mit den Batterien möglichst weit vorzugehen, und in der Regel wird sich eine mittlere Entfernung von 2500 m zulässig zeigen; vorhandene Deckung, Benutzung langer Nächte, Dunkelheit etc. können Ausnahmen herbeiführen. Die Batterien werden in Gruppen (vier Batterien) angelegt und mit den wirksamsten Geschützen, besonders 15 und 21 cm-Steilbahngeschützen, armiert, von denen die schwersten in der Nähe guter Wege Ausstellung finden. Die Artillerie, die Hauptwaffe im F., hat hier als erste Aufgabe das Niederkämpfen der Verteidigungsgeschütze, alsdann wird sie das Festsetzen und Fortschreiten der Infanterie auf dem Angriffsfelde zu schützen haben. Hierbei werden außer den vorgenannten die weitreichenden 15 und 12 cm-Schnellfeuerkanonen und die Feldgeschütze in Wirksamkeit treten; der 21 cm-Mörser wird vornehmlich mit Sprenggranaten gegen Unterkunftsorte, Straßen und Bahnanlagen wirken. Die Infanterie hat sich inzwischen in der ersten Infanteriestellung, die etwa, wo früher die erste Parallele lag, auf 700 m vor den Forts festgesetzt und rückwärtige Verbindung durch Laufgräben hergestellt. Sie geht dann mit solchen wie früher im Zickzack zur zweiten Infanteriestellung vor und richtet sich später in der Sturmstellung ein, wenn der Feind sie nicht zwingt, noch eine Zwischenstellung zu nehmen. Die Artillerie sucht indessen die Sturmfreiheit der Werke völlig zu vernichten, also die Flankierungsanlagen und Hindernisse zu zerstören und den Hauptwall zu öffnen; hierbei werden Langgranaten des 21 cm-Mörsers die besten Dienste leisten. Unter allen Umständen bleibt das Feuer der Artilleriestellung bis zum Sturm ununterbrochen in Tätigkeit. Die Feuerleitung sorgt für planmäßiges Niederkämpfen der Batterien, gibt Anweisung über Feuereröffnung, Wahl der Ziele etc. Das Schießverfahren ist ähnlich dem der Feldartillerie, besondere Sorge wird dem Dienst für Beobachtung, Munitionsversorgung etc. gewidmet. Die Aufgaben werden hier durch Anwendung technischer Hilfsmittel: Ballons, Scheinwerfer, Feldbahnen etc., erleichtert. Ist die Zerstörung der Flankierungsanlage nicht genügend erfolgt, so muß die Minierwirkung (Schachtminen) in Anwendung kommen. Aus der Beobachtung des Erfolges der größern oder geringern Tätigkeit des Verteidigers wird der Angreifer schließen können, wann er die letzte Infanteriestellung (nicht weiter als 200 m) zur Sturmstellung einrichten und den Sturm unternehmen kann. Bei diesem sucht man die Forts von Front und Kehle und gleichzeitig die Zwischenstellung an mehreren für Besitznahme und sofortigen Verbauungen günstigen Stellen zu fassen. Nach der Festsetzung muß sofort mit dem Vortreiben von Laufgräben und Anlage von Batterien gegen die jetzt erst zu fassenden Batterien vorgegangen werden.
II. Die Verteidigung.
1) Ein vereinzelter fester Posten darf sich vor allen Dingen nicht überraschen lassen. Der Kommandant läßt deshalb womöglich Abteilungen im Vorgelände streifen, um die Annäherung des Feindes frühzeitig zu erfahren. Außenwachen und Turmposten beobachten alle Zugänge. In der Nacht wird womöglich eine zusammenhängende Postenkette gebildet. Jedes Geschütz steht da, wo es feuern soll, jeder Mann schläft, wo er bei Alarm bereit sein soll. Der Grad der Vorsicht und Bereitschaft muß nach Umständen angeordnet werden. Auf Alarm besetzen die Bereitschaft und Teile der Reserve die Feuerlinien und Geschütze. Die Bedienung der Beleuchtungsmittel für Fortsgelände und die zu flankierenden Linien etc. muß geregelt sein; ebenso das Feuer behufs Flankierung. Wo der Feind den Versuch des Ersteigens macht, werden die Leitern umgestoßen, Schuß- und blanke Waffen gebraucht, an bedrohten Punkten greift die Reserve ein. Bei Sperrforts hat der Verteidiger die meist durch schwieriges Gelände führenden Wege scharf und weithin zu überwachen, um das Vorgehen des Angreifers möglichst zu hindern. Denn hat dieser erst seine Artillerie in Stellung gebracht, so wird das, Fort der heutigen Geschoßwirkung nicht lange widerstehen. Erwünscht ist daher das rechtzeitige Herbeirufen einer Unterstützung, die Stellung außerhalb nehmen kann.
2) Dem Verteidiger einer verstärkten Stellung gegen geplanten Angriff werden mehr Mittel als dem eines einzelnen Postens zu Gebote stehen, um die Annäherung eines Feindes zu erfahren. Der Kommandeur schickt Vortruppen auf den Anmarschstraßen zur Sicherung der Stellung vor, die jedoch nicht vor letzterer fechten sollen. Sobald die Vortruppen zurückgeworfen sind, wird der höchste Grad der Gefechtsbereitschaft angeordnet. Die Abschnitte der Stellung werden bestimmten Abteilungen zugewiesen, ebenso die Stützpunkte in denselben, während die Zwischenlinien nur mit Wachen und Posten besetzt werden. Die Artillerie stellt ihre Geschütze da auf, wo sie die wichtigsten Anmarschlinien und Zugänge beschießen können. Die Richtung des Anmarsches wird auch meist auf die Angriffsrichtung schließen lassen. Für die schweren und auch für Steilbahngeschütze werden die ihnen erwachsenden Aufgaben in jedem Einzelfall durch die Aufstellungsorte bestimmt. Die Masse der Infanterie, Kavallerie und Feldartillerie wird man für Offensivunternehmungen teils als Abschnitts-, teils als Hauptreserven zurückhalten. Die Angriffspunkte werden oft erst im Laufe des Gefechts erkennbar. Es kommt daher darauf an, die Hauptreserven rechtzeitig dort zu versammeln und die volle Artilleriewirkung dahin zu vereinigen. Da die Angriffe nicht immer auf verstärkte Punkte gerichtet sind, muß der Verteidiger, sobald die Angriffsrichtung erkannt ist, bemüht sein, in dieser die Hindernisse zu verstärken, neue Schützengräben zu bauen, beschädigte Deckungen und Verbauungen wiederherzustellen etc. Muß endlich ein Raum preisgegeben werden, so werden neue Front- und flankierende Anlagen herzurichten sein. Genaue Beobachtung nach allen Seiten, schnelles Übermitteln von Meldungen und Befehlen sind besonders wichtig.
3) Eine Fortfestung kann mit den erforderlichen Kampfmitteln und Vorräten aller Art im Frieden ausreichend versehen, und für die gegen Artilleriefeuer gesicherte Unterkunft kann gesorgt werden. Die Überführung dieser Ausrüstung, die unter Leitung der Kommandantur und der betreffenden Behörden steht, aus dem Friedens- in den Kriegszustand, die Armierung, wird nach dem Armierungsplan durchgeführt, dem ein Geschützaufstellungsplan beigefügt ist. Ein Besetzungsplan gliedert und regelt die aus allen Waffengattungen bestehende Kriegsbesatzung, große Festungen erhalten geschlossene Divisionen etc. Für jeden Abschnitt wird die Besatzung einem Kommandeur, bez. Fortkommandanten unterstellt. Die Außenabschnitte (Tafel III) bestimmen sich nach den natürlichen Abschnitten des Geländes. Außer den Abschnittsbesatzungen werden eine innere Bereitschaft und eine Hauptreserve, ebenso eine Artillerie- und Pionierreserve unter eignen Kommandeuren gebildet. Die Hauptreserve, meist geschlossene Truppenverbände, stehen dem Gouverneur für außerhalb der Festung liegende Aufgaben, Ausfälle etc., zur Verfügung. In den Außenabschnitten gliedern sich die Truppen in Fortbesatzung u. Abschnittsreserve, der Rest stellt die Vorposten. Der Dienst für die Abschnitte der Hanptumwallung wird so lange von Wachen und Posten versehen, bis der Verlust der ersten Verteidigungslinie zu besorgen ist, alsdann werden die Sicherheitsmaßregeln verstärkt. Die innere Bereitschaft hat für Ordnung innerhalb der Stadt zu sorgen.
Die fortifikatorische Armierung begreift die Vervollständigung der Sturmfreiheit, der gesicherten Unterkunft der Besatzung und ihrer Vorräte, Herstellung von Befestigungen im Vorfelde, Stauung der Gewässer zur Inundation (s.d.) desselben, Vorbereitung des Minenkriegs etc. Die artilleristische Armierung stellt Geschütze mit Ausrüstung und Munition bereit. Zunächst ist für die erste Geschützaufstellungin Werken, Anschluß- und Armierungsbatterien zu sorgen, die Geschützstände herzurichten etc. Demnächst ist die Geschützreserve bereitzustellen, ebenso Batteriebaustoffe und der erste Munitionsbedarf. Die ökonomische Armierung soll die Lebens- und Quartierbedürfnisse der Besatzung bereit stellen und unterbringen und die Sanitätsarmierung alle Mittel zur Handhabung des Sanitätsdienstes in Bereitschaft stellen. Als Grundsatz für eine aktive Verteidigung gilt, daß dem Angreifer das Vorfeld solange wie möglich streitig gemacht und das Festsetzen in demselben erschwert werden muß. Zu diesem Zweck müssen solche Punkte, die der Verteidigung günstig und deren Besitz dem Angreifer Vorteile bringen würde, durch Behelfsbefestigungen verstärkt werden (Kriegsarbeit). Im Unterstützungsbereich der Forts bilden sie die Stützpunkte für die Vorpostenstellungen, die bis 6000 m vor die Festung vorzuschieben sind. Während schwere Geschütze von großer Tragweite, die das Vorfeld bis 10 km weit unter Feuer nehmen können, sowie diejenigen in Panzertürmen aufgestellt sind, werden die Anschlußbatterien auf den Flanken der Forts, soweit nötig, ausgebaut, sofern nicht hierfür die Anlage der Angriffsbatterien abgewartet werden muß, um ihnen die bestimmte Frontrichtung geben zu können. In den Zwischenräumen der Forts aber werden, sobald die Angriffsrichtung erkannt ist, die Zwischenbatterien erbaut, mit den Geschützen der Geschützreserve der Festung armiert und, wo es erforderlich, Munitions-Zwischendepots für die Munitionsversorgung dieser Batterien angelegt. Bringt der Angreifer seine Batterien gegen die Verschanzungen im Vorfeld ins Feuer, so werden deren Geschütze zurückgezogen, da sie zu einem Geschützkampf nicht befähigt sind. Der Schwerpunkt der Verteidigung muß in die in Höhe der Forts eingerichtete Hauptverteidigungsstellung gelegt werden, weshalb für die Lage der Zwischenbatterien in erster Linie die Wirkung, demnächst erst die Deckung bestimmend ist. Gruppenweise ebenso wie die Angriffsbatterien erbaut, bilden sie mit den Forts, zwischen denen sie liegen, gewissermaßen eine äußere Umwallung, deren Lücken man durch Kriegsarbeit zu schließen sucht. Überhaupt darf der Gebrauch von Spaten etc. ebensowenig ruhen wie der der Waffen. Sobald der Gouverneur durch Versenden von Abteilungen gemischter Waffen sich über den Anmarsch des Feindes vergewissert, denselben möglichst verzögert und die Einschließung zu hindern gesucht hat, wird er, sobald die Etablierung des Belagerungsparks bemerkt wird, diese Gegend unter Feuer nehmen und dem Angreifer keinen Augenblick mehr Ruhe lassen. Ein sorgfältiger Beobachtungsdienst muß eingerichtet, die Stationen Tag und Nacht besetzt bleiben, weil der Angreifer bei seinen Arbeiten meist die Dunkelheit zu Hilfe nimmt. Nicht eingesehene Geländefalten müssen durch Beobachtungsposten überwacht und etwaiges Festsetzen des Feindes sogleich gemeldet werden, damit er vertrieben wird. Ist der Verteidiger aus dem Vorfelde zurückgewichen, so wird bald der entscheidende Artilleriekampf folgen. Bei richtiger Vorbereitung, rechtzeitiger Fertigstellung der Zwischenbatterien und Heranziehung der Geschützreserve sowie der auf andern Fronten entbehrlichen Geschütze kann es dem Verteidiger gelingen, mit überlegener Geschützzahl der Artilleriestellung des Angreifers gegenüberzutreten. Führt der Verteidiger hier den Kampf mit Energie, überschüttet er den Feind mit Geschossen, wozu allerdings viel Munition gehört, so wird er den Angreifer wohl zwingen, den Kampf ein zweites Mal zu unternehmen. Für den Verteidiger ist diese Periode die Krisis, in der es darauf ankommt, die Anlage der ersten Infanteriestellung zu verhindern, da der Angreifer derselben bedarf, um sich der Festung zu nähern. Mit Vorteil wird er jetzt vom elektrischen Licht zum Absuchen des Angriffsfeldes und Entdecken von Arbeiten an der Infanteriestellung Anwendung machen und dann die Arbeiter durch Schrapnells und Schnellfeuergeschütze oder Ausfälle zu vertreiben suchen. Wie dem Angreifer, wird auch dem Verteidiger das indirekte Feuer aus kurzen Kanonen und Mörsern namentlich gegen solche Batterien den größern Erfolg versprechen, die hinter Geländedeckungen liegen, während gegen die sichtbare Geschützaufstellung des Angreifers schwere Ringkanonen vom Wallgang oder von Panzertürmen der Forts oder den Zwischenbatterien aus den Kampf übernehmen. Zum Beobachten seiner Artilleriewirkung stellt der Verteidiger im Vorfelde Beobachtungsposten in Beobachtungswarten aus, die den Forts oder den Batterien mittels des elektrischen Vorposten- oder optischen Telegraphen (Semaphoren und Signaltafeln) ihre Beobachtungen mitteilen. Telephonische Mitteilungen sind häufig schwer verständlich. Unter sich und mit der Stadt sind die Forts durch Telegraphenkabel verbunden. Jede Angriffsarbeit ist vom Verteidiger möglichst bald zu entdecken und sogleich zu beschießen, weil dies bei vorgerücktem Bau schwieriger wird. Gelingt es dem Angreifer nicht, der Verteidigungsgeschütze Herr zu werden, so wird ihm der Ausbau der ersten Infanteriestellung nur unter sehr großen Opfern möglich werden. Zur Abwehr des Sturmes hält der Verteidiger seine Flankierungsgeschütze und die Fortbesatzung in bombensichern Hohlräumen bereit, um beim Sturm alles daranzusetzen, den Angreifer zurückzuwerfen. Gewinnt er aber aus der zunehmenden Übermacht des Angreifers die Überzeugung, daß er die Forts nicht wird behaupten können, so zieht er die hierzu verfügbaren Geschütze aus der ersten Verteidigungslinie in die schon möglichst vorbereitete, bez. armierte Zwischenstellung, vorwärts der Hauptumwallung, so rechtzeitig zurück, daß kampffähige Geschütze nicht zurückbleiben. Gelingt dies dem Verteidiger, so wird dem Angreifer die Besitzergreifung in der Fortlinie erschwert werden und er nur langsam vorwärts kommen können. Allerdings wird aber die Verteidigung, wenn sie energisch geführt wurde, eine große Einbuße an Kampfmitteln gehabt haben und somit jetzt in ungünstiger Lage sein. Der Angreifer kann Ersatz an Material etc. herangezogen haben, in kurzem wird er mit überlegener Artillerie die Zwischenstellung angreifen, mitunter auch die Stadt bombardieren können, so daß das Ende der Verteidigung, wenn ihr nicht Hilfe von außen kommt, abzusehen ist.
[Literatur.] Vgl. Vauban: Traité de l'attaque et de la défense des places (Haag 1737, 2 Bde.; Leid. 1740; deutsch, Berl. 1744, und von v. Clair, 1770), Traité de siéges (1742; deutsch, Potsd. 1747) und Traité de la défense des places (hrsg. von Foissac 1769, 1795); De B. (Bousmard), Essai général de la fortification, l'attaque et la défense des places (Berl. 1798, 1803, 4 Bde., mit Atlas; deutsch von Kosmann, Hof 1805, 2 Bde.); Carnot, Von der Verteidigung fester Plätze (a. d. Franz., Stuttg. 1820); After, Die Lehre vom F. (3. Aufl., Dresd. 1835); Zastrow, Geschichte der beständigen Befestigung (3. Aufl., Leipz. 1854); Brialmont, Études sur la défense des États et sur la fortification (Brüssel 1863, 3 Bde., mit Atlas); Derselbe, La défense des États et les camps retranchés (Par. 1877); Schmölzl, Die artilleristische Verteidigung der Festungen (Berl. 1873); v. Bonin, Die Lehre vom F. (das. 1881); Wolf, Der F. in seinen Grundzügen (Köln 1879–80, 2 Tle.); v. Sauer, Über Angriff und Verteidigung fester Plätze (Berl. 1885); Derselbe, Über den abgekürzten Angriff gegen feste Plätze und seine Abwehr (das. 1889); H. v. Müller, Geschichte des Festungskriegs (2. Aufl., das. 1892); Derselbe, Die Tätigkeit der deutschen Festungsartillerie im deutsch-französischen Krieg 1870/71 (das. 1898–1901, 4 Bde.); Welitschko, Die Verteidigungsmittel der Festungen gegen forcierte Attacken (russ., Petersb. 1892); Sandier, Organisation, attaque et défense des places (Par. 1896); Deguise, Tactique de la guerre de siège. Attaque et défense des forteresses (das. 1898); v. Leithner und andre, Die beständige Befestigung und der F. (2. Aufl., Wien 1894, 2 Bde.; Bd. 3: Neueste Anschauungen, 1899); Gerwien, Der F. (2. Aufl., Berl. 1902); Stavenhagen, Grundriß des Festungskriegs (Sondersh. 1901); Jähns, Geschichte des Kriegswesens (Leipz. 1880, mit Atlas); Frobenius, Kriegsgeschichtliche Beispiele aus dem Kriege 1870/71, Heft 6–8 (Berl. 1902–1904); Schröter, Die Festung in der heutigen Kriegführung (2. Aufl., das. 1903ff.).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.