Epikūros

Epikūros

Epikūros, griech. Philosoph, als der Sohn eines gewissen Neokles nach der gewöhnlichen Annahme 341 v. Chr. wahrscheinlich auf der Insel Samos geboren, gest. 270, lehrte von seinem 32. Jahr an Philosophie, erst zu Mytilene, dann zu Lampsakos, und gründete um 305 in Athen in einem ihm gehörigen Landhaus und Garten, die er seinen Freunden vererbte, eine Schule, der er bis zu seinem Tode vorstand, und in der man Geselligkeit und Heiterkeit pflegte. Die Summe seiner Philosophie brachte er in kurze Auszüge, die im 10. Buch des Diogenes Laertios aufbewahrt sind. Er hat sehr viel Schriften verfaßt, von denen wir aber, abgesehen von Briefen, nur noch Fragmente besitzen. Große Stücke aus einer Schrift über die Natur wurden unter den Trümmern Herkulaneums aufgefunden (hrsg. von Orelli, Leipz. 1818). Mit Ausnahme der Herkulanensischen Bruchstücke hat alles gesammelt Usener, »Epicurea« (Leipz. 1887). Philosophie ist dem E. diejenige Wissenschaft, die durch Begriffe und Beweise ein glückseliges Leben bewirkt. daher auch von den drei Teilen, in die er sie zerlegt: Ethik, Kanonik und Physik, der erstere den Vorrang vor den übrigen hat. Das Wesen der Glückseligkeit (eudaemonia) findet er in der Lust, nicht aber in dee des Augenblicks, wie die Kyrenaiker, sondern in der dauernden Lustempfindung, zu der man durch die Tugend gelangt. An der Spitze aller Tugenden steht die vernünftige Einsicht, die bei jeder Handlung abzuwägen weiß, ob mehr Lust oder Schmerz daraus folgt. Die höchste Lust ist die völlige Abwesenheit alles Schmerzes, ein Zustand, der teils durch das ungestörte Gefühl körperlicher Gesundheit, hauptsächlich aber durch eine unerschütterliche Ruhe der Seele bedingt ist. Zu empfehlen sind Mäßigkeit und Genügsamkeit im sinnlichen Genuß, um sich vor den schmerzlichen Folgen des Gegenteils zu bewahren und sich für derartige Genüsse um so empfänglicher zu erhalten. Unrecht ist wegen des daraus erwachsenden Leides der Bestrafung zu vermeiden, Freundschaft dagegen zu suchen, da sie das Leben mannigfach ausschmückt und demselben seine notwendigen Bedürfnisse sichert. Wissenschaftliche Kenntnisse sind nur deshalb wünschenswert, weil sie zur Entfernung aller Furcht dienen. Der Natur gegenüber soll die Physik dem Weisen alle abergläubische Furcht benehmen, die seinen Seelenfrieden stören könnte, und für diese soll wiederum als sichere Grundlage die Kanonik dienen, die Erkenntnis- oder Denklehre, in der er durchaus Sensualist ist und die Induktion stark betont. Die materialistische Naturanschauung des E. schließt sich der Hauptsache nach an die Atomenlehre des Demokritos an. Alle Dinge und Erscheinungen in der Natur sind zufällige Aggregate von Atomen, durch deren verschiedenartige Beschaffenheit und Verbindung ihre eigne Verschiedenheit bedingt wird. Außer den Atomen, ihren Aggregaten und dem Leeren läßt sich etwas Reales nicht denken, sondern alles übrige ist entweder Attribut oder Akzidens von jenem. Einer Einwirkung der Gottheit auf die Bildung und Regierung der Welt widerspricht das viele Unvollkommene und Böse in derselben; das Dasein von Göttern ist zwar nicht zu leugnen, sie halten sich aber von den Menschen entfernt in den sogen. Intermundien, d.h. in den leeren Zwischenräumen der Weltkörper, auf und sind den Bitten der Menschen unzugänglich. Sie sind nichts als die reinsten Ideale der Glückseligkeit, von menschengleicher Gestalt, aus den feinsten Atomen gebildet, gleichwohl aber, im Widerspruch mit der Zerstörbarkeit der übrigen Atomenaggregate, von ewiger Dauer. Die Seele besteht aus den feinsten und beweglichsten Atomen und ist aus Wärme, Luft, Hauch und einem vierten, nicht näher zu bezeichnenden Stoff, der die übrigen drei noch an Feinheit übertrifft und der eigentliche Sitz der Empfindung ist, zusammengesetzt. Hiernach muß die Seele nicht minder als der Körper und wie jedes andre Atomenaggregat der Zerstörung unterworfen sein. Der Tod zerstreut sie in die Lüfte, hebt also auch alles Bewußtsein auf. Der Vorwurf der Stoiker, der Epikureismus sei ein Kultus des sinnlichen Vergnügens, ist ungerechtfertigt; der Epikureische Weise mußte nicht allein ein höchst mäßiger, sondern auch der pflichtgetreueste Mann sein, um durch keinen Vorwurf des Gewissens seine eigne Ruhe zu stören; freilich dies alles, genau genommen, nur aus konsequentem Egoismus. Epikurs Schule, die auch unter den Römern viele Anhänger fand, unter denen namentlich Lucretius Carus zu nennen ist, erhielt sich bis ins 3. und 4. Jahrh. n. Chr., ohne jedoch das System ihres Stifters weiterzubilden. Vgl. Gassendi, De vita, moribus et doctrina Epicuri (Leiden 1646); Derselbe, Syntagma philosophiae Epicuri (Lyon 1649); P. v. Gizycki, Über das Leken und die Moralphilosophie des E. (Halle 1879); Wallace, Epicureanism (Lond. 1880); Kreibig, E., seine Persönlichkeit und seine Lehre (Wien 1885); Gödeckemeyer, Epikurs Verhältnis zu Demokrit (Straßb. 1897).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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