Eisenbahntarife

Eisenbahntarife

Eisenbahntarife, Zusammenstellungen der Bedingungen und Preise für die Beförderung auf den Eisenbahnen und die besondern damit verbundenen Nebenleistungen. Die Eigenschaft der Eisenbahnen als bevorrechteter Straßen, die dem öffentlichen Verkehr zu dienen bestimmt sind, bedingt, daß ihre Benutzung jedermann gegen Zahlung vorher festgesetzter und veröffentlichter, allgemein gültiger Gebühren freistehen muß, von denen zu gunsten einzelner nicht abgewichen werden darf. Die Bemessung der Tarifsätze ist einerseits abhängig von den Bestimmungen, die der Staat in Gesetzen oder Konzessionen über das Tarifwesen getroffen hat, anderseits von den Grundsätzen, nach denen die Verwaltungen innerhalb der ihnen zustehenden Tariffreiheit handeln (Eisenbahntarifpolitik, s. unten, S. 543). In England und den Vereinigten Staaten von Nordamerika hat sich der Staat begnügt, bei der Anlage jeder Bahn bestimmte Tarife aufzustellen, deren Sätze die Bahn nicht überschreiten darf, während sie im übrigen in ihrer Preisstellung nicht beschränkt ist (Maximaltarife). In Preußen, Rußland, Frankreich dürfen Tarifänderungen im allgemeinen nur mit Genehmigung der Regierung vorgenommen werden, und nur die Einführung von Tarifermäßigungen mit einem beschränkten Rechte der Wiedererhöhung auf die vorher bestandenen Sätze steht den Bahnen selbständig zu; Italien, Belgien und die Niederlande haben sich dagegen die Festsetzung der von den Bahnen zu berechnenden Tarifsätze überhaupt vorbehalten. Fast in allen Staaten endlich steht den Regierungen das Recht zu, in einem gewissen Umfang Tarifermäßigungen zu fordern, sobald der Reinertrag des Bahnunternehmens in einem Jahr eine bestimmte Grenze, meist 10 Proz. des Anlagekapitals, übersteigt; und ebenso ist fast überall die Anwendung geringerer Tarifsätze für die Beförderung von Mitgliedern der Land- und Seemacht vorgesehen.

Der Wettbewerb, der im freien wirtschaftlichen Verkehr die Preise aller Güter und Leistungen regelt, muß im Eisenbahnwesen so lange eine beschränkte Wirkung ausüben, als bloß Schienenwege mit Schienenwegen im Wettbewerb stehen, die sich durch Fusionen und Verbände (s. Eisenbahnfusion u. Eisenbahnverbände) über die Transportpreise einigen und den Verkehr monopolisieren können, und so lange, als bei den großen Kapitalaufwendungen, welche die Anlage einer Bahn erfordert, in vielen Gegenden Bahnen ohne direkten Wettbewerb andrer Bahnen bleiben. Anderseits stehen aber Staats- wie Privatbahnen mit dem Angebot ihrer Transportleistungen mitten im freien wirtschaftlichen Verkehr und sind darum, wenn sie eine genügende Ausnutzung ihrer Anlagen und ihrer Betriebsmittel erzielen wollen, gezwungen, ihre Preise so zu stellen, daß sie den erforderlichen Verkehr wirklich erhalten, während die Selbstkosten, wie für alle geschäftlichen Unternehmungen, die unterste Grenze der Preisstellung bilden. Eine mit grundlegenden Änderungen der Eisenbahntarifpolitik (s. d.) verbundene Reform der E. ist in der Neuzeit in Deutschland nicht eingetreten. Die Bestrebungen, die eine allgemeine Reform der Gütertarife auf Grund des Staffelsystems (Tarife mit Einheitssätzen, die sich mit der Länge der Transportstrecke vermindern, s. S. 542) bezwecken, und die sich besonders auf die Konkurrenz der billigern Wasserfrachten und der Nachbarländer stützen, deren Eisenbahngütertarife durchweg nach diesem System gebildet sind, haben bisher nicht zum Ziele geführt. Ebensowenig hat die seit längerer Zeit angestrebte Reform der Personentarife in Deutschland nennenswerte Fortschritte aufzuweisen, obwohl die Unzweckmäßigkeit und Unhaltbarkeit der jetzigen Personentarife in den maßgebenden Kreisen selbst nicht verkannt wird und nach allgemeiner Ausdehnung der Geltungsdauer der Rückfahrkarten (s. Eisenbahnfahrkarten) noch stärker hervorgetreten ist. Die Besorgnis, mit einer durchgreifenden Reform die Eisenbahnüberschüsse in einer dem Gleichgewichte des Staatshaushalts nachteiligen Weise zu beeinflussen, spielt dabei eine große Rolle. Aber auch sozialpolitische Beweggründe sind dabei bestimmend, indem als Folge einer Verbilligung der Personentarife ein weiteres Umsichgreifen der Wanderlust nach den Industriebezirken und großen Städten und damit eine Zunahme des jetzt schon stellenweise sehr empfindlichen Mangels an Arbeitskräften auf dem flachen Lande, namentlich im Nordosten Deutschlands, befürchtet wird.

I. Eisenbahnpersonen- und -Gepäcktarife. Die ungleiche Bemessung der Einheitssätze, die diesen Tarifen zu Grunde liegen, beruht teils auf den Abweichungen in den Anlagekosten der einzelnen Bahnen und den allgemeinen Preisverhältnissen der einzelnen Länder, teils auf der Verschiedenartigkeit der Leistungen der Eisenbahnen selbst in bezug auf Fahrgeschwindigkeit, Ausstattung der Personenwagen und Beförderung des Gepäcks (Freigepäck). Anfänglich bestanden in Deutschland drei Wagenklassen, die in den Personenzügen regelmäßig geführt wurden, während in den Schnell- und Kurierzügen häufig nur die 1. und 2. oder nur die 1. Klasse verkehrten. Seit den 1850er Jahren wurde auf einem großen Teil der norddeutschen Bahnen eine 4. Klasse eingeführt. Die Einheitssätze der regelmäßigen Tarife für den Personen- und Gepäckverkehr betragen auf den größern deutschen Bahnen (P = Personenzüge, S = Schnellzüge):

Tabelle

Platzkarten für D- (Durchgangs-) Züge (s. Eisenbahnfahrkarten) kosten für 1. und 2. Klasse 2 Mk., für 3. Klasse 1 Mk., bei Entfernungen bis 150 km die Hälfte.

In der 4. Wagenklasse wird Freigepäck, das unentgeltlich bei den Gepäckabfertigungsstellen behandelt und im Packwagen mitgeführt wird, nicht gewährt, dagegen ist dort die unentgeltliche Mitführung von Reisegepäck und Traglasten in den Personenwagen selbst gestattet. Mit den Rückfahrkarten für die ersten drei Wagenklassen (s. Eisenbahnfahrkarten) ist in der Regel eine Fahrpreisermäßigung von 25 Proz. des doppelten Preises der einfachen Fahrt verbunden. Auf einzelnen Eisenbahnstrecken werden noch Sonntagskarten (zur Hin- und Rückfahrt an Sonn- und Festtagen) mit einer Fahrpreisermäßigung von 50 Proz. ohne Gültigkeit für die Schnellzüge ausgegeben. Kinder werden bis zum vollendeten vierten Jahr unentgeltlich, vom vierten bis zum vollendeten zehnten Jahre zur Hälfte des tarifmäßigen Fahrpreises befördert. Militärpersonen werden zu dem Einheitssatz von 1 Pf. für 1 km in der 3. Wagenklasse, außerhalb ihres Wohnorts in Arbeit stehende Personen werden von und nach ihrer Arbeitsstelle zu dem Fahrpreis von 1 Pf. für das Kilometer in der 4. Wagenklasse, im Berliner Vorortverkehr noch billiger, befördert. Ferner werden zu ermäßigten Preisen verausgabt:


a) Sogen. Zeit- (Monats-) Karten für Kinder (Schüler) und Erwachsene, wobei Familien noch besondere Vergünstigungen genießen;

b) feste Rundreisekarten zum Besuch von Gegenden und Orten Mittel- und Süddeutschlands, die sich durch Naturschönheit auszeichnen oder aus andern Gründen von besonderer Bedeutung sind;

c) zusammenstellbare Fahrscheinhefte (s. Eisenbahnfahrkarten);

d) in Baden Kilometerhefte (s. Eisenbahnfahrkarten);

e) in Württemberg Landes- und Jahreskarten (s. Eisenbahnfahrkarten).


Außerdem werden Fahrpreisermäßigungen bis zu 50 Proz. und darüber gewährt:


f) für Reisen größerer Gesellschaften von mindestens 30 Personen;

g) für Ausflüge, die von Studierenden akademischer Anstalten und von Schülern von Fachschulen unternommen werden, bei mindestens 10 Personen;

h) für Schülerfahrten unter Aufsicht der Lehrer (bei einer Beteiligung von mindestens 10 Schülern) sowie für Ferienkolonien, und zwar ohne Beschränkung auf eine Mindestzahl;

i) für Krankenpfleger und Krankenpflegerinnen;

k) im Interesse der Kriegskrankenpflege für Zusammenkünfte der freiwilligen Sanitätskolonnen sowie für Ärzte- und Führerversammlungen;

l) im Interesse der Magdalenenstifte;

m) für mittellose Kranke, Blinde, Taubstumme, Mitglieder von Krankenkassen und deren Begleiter sowie für unbemittelte Zöglinge der unter Aufsicht des Staates stehenden Waisenanstalten zum Zweck der Aufnahme in öffentliche Kliniken oder Krankenhäuser, zum Besuch von Kurorten, zur Fahrt nach den Heil- und Pflegeanstalten, bez. zu Ferienreisen;

n) für die in Deutschland lebenden wehrpflichtigen Angehörigen der österreichisch-ungarischen Monarchie bei Einberufungen zu militärischen Dienstleistungen.


Im innern und Vorortverkehr von Berlin ist 1. Jan. 1890, bez. 1. Okt. 1891 unter gleichzeitiger bedeutender Vermehrung der Beförderungsgelegenheiten durch Einlegung neuer Züge und unter Beseitigung der 1. Wagenklasse ein besonders billiger Tarif eingeführt worden, nach dem erhoben werden von jeder Station nach den nächstgelegenen fünf Stationen 15 Ps. für die 2., 10 Ps. für die 3. Klasse und über die 5. Station hinaus 30 Ps. für die 2. und 20 Ps. für die 3. Klasse. Die Fahrkarten gelten in beiden Richtungen und werden nicht für bestimmte Züge ausgegeben, so daß gleichzeitig mehrere Fahrkarten im voraus gelöst werden können. Daneben bestehen noch besonders ermäßigte Monatskarten, Schüler- und Arbeiterkarten.

Auf den österreichischen Staatsbahnen ist 1. Sept. 1895 an Stelle des ältern Kreuzerzonentarifs ein neuer Tarif mit staffelmäßig fallenden Einheitssätzen getreten. Die Tarifsätze betragen (in Hellern ohne Stempel):

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Die Berechnung der Fahrpreise erfolgt nach Zonen zu 10 km; angefangene 10 km werden für voll gerechnet. Für Benutzung der Schnellzüge erhöht sich der Preis der 3. Klasse um 1 Heller, der 2. Klasse um 2 Heller und der 1. Klasse um 3 Heller für 1 km. Für Gepäck werden auf Entfernungen bis 300 km 0,4 Heller und auf Entfernungen von mehr als 300 km 0,3 Heller für je 10 kg und 1 km erhoben. Die Mindestgebühr beträgt 20 Heller.

Auch die übrigen österreichischen Bahnen, die den Kreuzerzonentarif eingeführt hatten, haben ihn wieder aufgehoben und durchweg eine Erhöhung der Fahrpreise eintreten lassen.

Auf den ungarischen Staatsbahnen ist der 1889 eingeführte »Zonentarif« 1. März 1896 durch einen neuen Tarif ersetzt worden, der insbes. für den Nahverkehr durch anderweite Einteilung der Zonen erhöhte Tarifsätze enthält. Der ungarische Zonentarif unterscheidet einen Nahverkehr (Nachbarverkehr) mit 3 und einen Fernverkehr mit 14 Zonen. Die erste Zone des Nachbarverkehrs umfaßt eine Entfernung von 1–10, die zweite von 11–15 und die dritte von 16–20 km. In die erste Zone des Fernverkehrs fallen alle Stationen bis zu einer Entfernung von 25 km. Von der zweiten bis zur elften Zone steigt sodann die kilometrische Entfernung der einzelnen Zonen um je 15 und von der zwölften bis zur vierzehnten um je 25 km. Die Fahrpreise betragen (in Kronen):

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Diese Preise steigen bis zur zwölften Zone um die gleichen Beträge. Es betragen sodann die Fahrpreise:

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so daß diese letztern Beträge den höchsten Fahrpreis für jede Reise innerhalb der vierzehnten Zone und über dieselbe hinaus bilden, mit der alleinigen Beschränkung, daß, wenn sich die Reise über Budapest hinaus erstreckt, die Preise bis und ab Budapest gesondert berechnet werden. Freigepäck wird nicht gewährt. Die Gepäckfrachtsätze betragen für je 10 kg bis 50 km 10 Heller, bis 100 km 20 Heller, bis 200 km 40 Heller, bis 300 km 60 Heller, bis 450 km 80 Heller, bis 600 km 100 Heller und über 600 km 120 Heller. Die Gebühr wird für 50 kg erhoben. Die Einführung des Zonentarifs hat eine wesentliche Vereinfachung des Fahrkartensystems und der Fahr kartenausgabe ermöglicht, so daß beliebige Fahrkarten in jeder Anzahl bei jedem größern Postamt sowie bei zahlreichen andern Verkaufsstellen, in Hotels u. dgl. auch außerhalb des Landes zum Verkauf aufgelegt werden können, indem diese Karten zu jeder beliebigen Zeit ohne weitere Förmlichkeiten verwendet werden können.

Hinsichtlich der Einnahmen hat der Zonentarif die auf ihn gesetzten und nach den Ergebnissen der ersten Jahre seiner Gültigkeit berechtigten Erwartungen nicht erfüllt. In Anbetracht der auch mit dem erh ohten Tarif von 1896 gemachten ungünstigen Erfahrungen ist beabsichtigt, den gegenwärtig bestehenden 14 Zonen (für den Fernverkehr) zwei oder drei weitere Zonen mit mäßig erhöhten Fahrpreisen anzufügen.

Auf den belgischen Staatsbahnen wurde 1866 die erste größere Reform der Personengeldtarife in Angriff genommen. Wesentlich infolge mangelhafter und inkonsequenter Durchführung hatte diese Reform einen Mißerfolg, der zur Einführung eines neuen Tarifs mit erhöhten, gegen früher (vor 1866) aber noch immer ermäßigten Sätzen Veranlassung gab. Jetzt werden erhoben für das Personenkilometer:

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Für Rückfahrten wird eine Ermäßigung von 20 Proz. des doppelten Preises der einfachen Fahrt gewährt.

In Großbritannien vollzieht sich seit Jahren eine Reform, die für einen großen Teil des Eisenbahnnetzes bereits zu einer Beschränkung der Wagenklassen auf zwei geführt hat und vielleicht mit einer Beschränkung auf eine Klasse enden wird. Ursprünglich gab es in England nur erste und zweite Klasse. Die Einführung der dritten Klasse ist durch Gesetz vom 9. Aug. 1844 erzwungen worden. Die noch sehr verschiedenen Beförderungspreise in Großbritannien betragen im Durchschnitt:

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In Frankreich waren die Personengeldtarife früher sehr hoch. Die Hauptbahnen, mit Ausnahme der Staatsbahnen, hatten die konzessionsmäßigen Höchstsätze eingerechnet; dazu kam eine Staatssteuer von 23,2 Proz. Nur die Staatsbahnen hatten schon 1881 eine Ermäßigung von 50 km ab nach fallender Skala bis zu 400 km eintreten lassen und gleichzeitig Rückfahrkarten mit 40 Proz. Ermäßigung eingeführt. Diesem Vorgehen, das zu einer wesentlichen Steigerung des Verkehrs und der Einnahmen führte, schlossen sich die Privatbahnen durch Einführung von Rückfahrkarten, Zeitkarten, Sommerkarten, Rundreisekarten etc. zu ermäßigten Preisen allmählich an. Seit 1892 ist auf den französischen Hauptbahnen eine wesentliche Ermäßigung der Fahrpreise dadurch eingetreten, daß die Staatssteuer auf 12 Proz. herabgesetzt wurde und gleichzeitig die Eisenbahngesellschaften auf Grund der mit ihnen abgeschlossenen Verträge zu einer Ermäßigung ihrer Einheitssätze veranlaßt wurden. Gegenwärtig wird für das Personenkilometer erhoben:

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Die Gepäckfracht beträgt bei einem Gewicht bis zu 40 kg 50, über 40 kg 40 Centimes für 100 kg und 1 km. Es wird ein Freigepäck von 30 kg gewährt. Die Ermäßigung auf Rückfahrkarten beträgt für Entfernungen unter 100 km 30 Proz. und steigt von da an für jede folgenden 20 km um 1 Proz.

II. Eisenbahngütertarife. A. Deutschland. Die Gütertarife setzen sich meist aus den nach Gewicht und Entfernung berechneten Streckensätzen und der Abfertigungsgebühr (zur Deckung der Kosten bei der Aufgabe- und der Bestimmungsstation) zusammen. Die äußere Anordnung der Eisenbahngütertarife nennt man Tarifschema, die Grundsätze, nach denen die Bedingungen für die Anwendung der Eisenbahngütertarife festgestellt sind, Tarifsystem. Man unterscheidet Raumsystem (natürliches System), das die Beförderungspreise in der Hauptsache nach dem von einem Gut beanspruchten Raum und seiner Beförderung in bedeckt gebauten oder offenen Wagen bemißt; ferner Wertsystem, das vornehmlich den Handelswert der beförderten Güter berücksichtigt und sie danach verschiedenen Tarifklassen zuweist. Bei beiden Systemen ist daneben entscheidend für die Bemessung der Beförderungspreise das Gewicht, die Schnelligkeit der Beförderung (als Expreß-, Eil- oder Frachtgut) und die Entfernung. Ferner sind zu unterscheiden Lokal- (Binnen-) Tarife zwischen Stationen derselben Eisenbahnverwaltung und direkte (Nachbar-, Verbands-) Tarife (s. Eisenbahnverbände), deren Geltung sich über den Bereich von zwei oder mehreren Eisenbahnen erstreckt; sodann Normaltarife, die nach dem allgemeinen Tarifschema einer Eisenbahn hergestellt sind, und davon abweichende Ausnahmetarife. Differentialtarife werden in der Regel solche Tarifverschiedenheiten genannt, die sich aus der ungleichen Tarifierung gleicher Mengen desselben Beförderungsgegenstandes auf derselben Route ergeben; im weitern Sinn auch Verschiedenheiten aus der ungleichen Tarifierung gleicher Mengen desselben Gutes auf gleich langen Strecken derselben Eisenbahn, und endlich im weitesten Sinne jede ungleichmäßige, nicht genau den Entfernungen entsprechende Bemessung der Beförderungspreise. Tarifbildungen, die auf derselben Strecke für nähere Stationen eine nicht bloß verhältnismäßig höhere Fracht ergeben als für weiter liegende Stationen, werden als Frachtdisparitäten bezeichnet. Differentielle Tarifbildungen sind namentlich zur Begünstigung der Aus- und Durchfuhr üblich (Ausfuhr- [Export-] und Durchfuhr- [Transit-] Tarife). Dem Umstand, daß die Selbstkosten der Beförderung mit der Menge der Güter und ihrer Beförderungsstrecke nicht gleichmäßig wachsen, wird, zugleich im Interesse einer möglichst starken Ausnutzung des Raumes der Güterwagen, dadurch Rechnung getragen, daß einmal größere Mengen billiger befördert werden und sodann entweder nur die Abfertigungsgebühren oder auch die Streckensätze nach mit zunehmender Entfernung fallender Skala berechnet werden. Solche Tarife werden Staffeltarife genannt.

Die Feststellung der E. ist, der Auffassung der Eisenbahnen als öffentlicher Verkehrswege entsprechend, fast überall mit größern oder geringern Einschränkungen der staatlichen Genehmigung vorbehalten, bei Staatsbahnen der Genehmigung der obersten Verwaltungs- (Aufsichts-) Behörde. Vielfach beschränkt sich die staatliche Überwachung der E. auf die Festsetzung bestimmter Maximalsätze oder auch auf jede spätere Erhöhung der einmal genehmigten Tarife. Den Privatbahnen gegenüber hat sich der Staat häufig das Recht zur Herabsetzung der Tarife vorbehalten, wenn der Reinertrag eine gewisse Höhe (meist 10 Proz. des Anlagekapitals) übersteigt. Um jedermann gleichmäßig zugänglich zu sein, bedürfen die Tarife der Veröffentlichung. Tariferhöhungen auf den deutschen Bahnen müssen sechs Wochen vor ihrem Eintritt veröffentlicht werden. Die Verpflichtung zur gleichmäßigen Anwendung der Tarife beruht in einzelnen Ländern, z. B. in Preußen, auf ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift. Refaktien (nicht in den Tarifen begründete Rückvergütungen oder sonstige persönliche Frachtbegünstigungen) sind in Preußen ausdrücklich untersagt. Auch in den andern deutschen Bundesstaaten wird nach diesen Grundsätzen verfahren. In verschiedenen Staatsverträgen über die Herstellung internationaler Anschlußverbindungen ist die gleichmäßige Behandlung der beiderseitigen Staatsangehörigen und des beiderseitigen Verkehrs besonders vereinbart. Auch das internationale Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr (s. Eisenbahnfrachtrecht) hat die Tendenz, jede willkürliche Begünstigung einzelner Interessenten auszuschließen. Deutschland ist nach langjährigen Bestrebungen zur Reform des Eisenbahntarifwesens seit 1879 zu einheitlichen Gütertariffestsetzungen durch Einführung des sogen. Reformtarifschemas gelangt, das auf einer Vereinigung des Raum-mit dem Wertklassifikationssystem beruht, und über dessen Fortbildung eine aus Vertretern der Staats- und Privateisenbahnen zusammengesetzte ständige Tarifkommission wacht. Das Tarifschema trifft nur Bestimmungen über die Bildung bestimmter Tarifklassen und die Einreihung der Güter in diese, wogegen die Festsetzung des für jede Klasse in Anwendung zu bringenden Tarifsatzes den einzelnen Verwaltungen überlassen ist. Immerhin hat sich auch in deren Tarifsätzen allmählich eine Annäherung vollzogen, die fast schon zu völliger Übereinstimmung geführt hat. Das gegenwärtig (1903) bestehende Tarifschema und die von den meisten deutschen Bahnen erhobenen Einheitssätze ergeben sich aus nachstehender Übersicht:


1) Eilstückgut der allgemeinen Eilgutklasse wird zu den doppelten Sätzen der Stückgutklasse, Eilgut in Wagenladungen zu den doppelten Sätzen der allgemeinen Wagenladungsklassen A1 und B befördert.

2) Spezialtarif für bestimmte (leicht verderbliche) Eilgüter, wie Butter, Brot, frische Fische, Milch, Obst etc.: Streckensatz und Abfertigungsgebühr wie für gewöhnliches Stückgut.

3) Frachtstückgut: Streckensatz für das Tonnenkilometer von 1–50 km 11 Pf., 51–200 km 10 Pf., 201–300 km 9 Pf., 301–400 km 8 Pf., 401–500 km 7 Pf., über 500 km 6 Pf.; Abfertigungsgebühr für 100 kg bis 10 km 10, für je weitere 10 km 1 Pf. mehr, über 100 km 20 Pf.

4) Spezialtarif für bestimmte (geringwertige) Stückgüter: Streckensatz für das Tonnenkilometer 8 Pf., Abfertigungsgebühr wie für gewöhnliches Stückgut, über 726 km gelten die Sätze der gewöhnlichen Stückgutklasse.

5) Die Frachtgüter in Wagenladungen werden eingeteilt in vier Hauptklassen:

a) Güter der allgemeinen Wagenladungsklasse (Klasse B) mit der Nebenklasse A1;

b) Güter des Spezialtarifs I mit der Nebenklasse A2;

c) Güter des Spezialtarifs II mit der Nebenklasse A2;

d) Güter des Spezialtarifs III mit der Nebenklasse Spezialtarif II.


Über Expreßgutbeförderung s. d. – Die Güter der Spezialtarife sind aus der Güterklassifikation zu ersehen; alle dort nichtgenannten Güter gehören zur allgemeinen Wagenladungsklasse. Bei Sendungen von mindestens 10,000 kg für jeden verwendeten Wagen oder bei Zahlung der Fracht dafür wird diese nach den Sätzen der Hauptklassen, bei Sendungen von mindestens 5000 kg oder bei Zahlung der Fracht dafür nach den Sätzen der Nebenklassen berechnet. Es wird erhoben:


Allgem. Wagenladungsklasse A1: Streckensatz für das Tonnenkilometer 6,7 Pf., Abfertigungsgebühr wie für gewöhnliches Stückgut;

Allgem. Wagenladungsklasse B: Streckensatz für das Tonnenkilometer 6 Pf., Abfertigungsgebühr für 100 kg bis 10 km 8, für je weitere 10 bis zu 40 km 1 Pf. mehr, über 40 km 12 Pf.;

Wagenladungskl. A2: Streckensatz für das Tonnenkilom. 5 Pf.*

Spezialtarif I: Streckensatz für das Tonnenkilom. 4,5 Pf.

Spezialtarif II: Streckensatz für das Tonnenkilom. 3,5 Pf.

Spezialtarif III: Streckensatz für das Tonnenkilom. bis 100 km 2,6 Pf., über 100 km 2,2 Pf.


Es gehören unter andern zum Spezialtarif I: Baumwolle, Eisen- und Stahlwaren, Farbhölzer, Getreide und Hülsenfrüchte, Sämereien, Malz, Mühlenfabrikate, Papiere, Wolle; zum Spezialtarif II: Asphalt, Dachpappe, Eisen und Stahl, Stab- und Façoneisen, Platten und Bleche, Eisen- und Stahldraht etc., Feld- und Gartenfrüchte (Gurken, Zwiebeln etc.), Hohlglaswaren, Holz, Stamm- und Stangenholz, Balken und Bretter etc., Hopfen, Knochenkohle, Papier (zur Ausfuhr), Steine (bearbeitet), Ton (roh, gebrannt), Tonwaren; zum Spezialtarif III: Abfälle aller Art, Bäume und Gesträuche, Borke, Braunkohlen, Dungmittel, Eisen (Roh- und Bruch-), Erde, Erze, Feld- und Gartenfrüchte (wie Kartoffeln, Rüben), Hölzer (wie Eisenbahnschwellen, Grubenhölzer, Brennholz), Kalk, Kleie, Knochen, Lumpen, Mineralöle (schwere), Ölkuchen, Rohr, Samen (entölt), Steine (rohe oder roh bearbeitet), Steinkohlen, Torf. Für sperrige Güter, die im Verhältnis zu ihrem Gewicht einen ungewöhnlich großen Laderaum einnehmen, wird bei Aufgabe als Stückgut die Fracht für das um 50 Proz. erhöhte wirkliche Gew icht berechnet. Für gebrauchte leere Emballagen wird bei Aufgabe als Stückgut die Fracht für das halbe wirkliche Gewicht berechnet. Für frisches Fleisch werden Transporterleichterungen gewährt, und Fische und Bienen genießen durch vorzugsweise schnelle Beförderung besondere Bergünstigungen.

Die Fortbildung des deutschen Gütertarifs hat zu einer großen Zahl von Verkehrserleichterungen, namentlich durch Versetzung verschiedener Güter in eine niedrigere Tarifklasse, geführt. Dem Wunsche nach Verbilligung der Stückgutfracht ist durch Einführung des Stückgutstaffeltarifs (1898) sowie durch allgemeine Annahme eines auf den preußischen Staatsbahnen schon früher eingeführten Spezialtarifs für bestimmte geringwertige Stückgüter entsprochen worden (s. oben). Weiterhin sind durch den Rohstofftarif (für geringwertige Massenartikel) und die teilweise auf seiner Grundlage beruhenden Tarife für Dungmittel und Brennstoffe die Tarifsätze für geringwertige Rohstoffe der Industrie und Landwirtschaft erheblich herabgesetzt worden. Zahlreiche Ausnahmetarife begünstigen namentlich die Ausfuhr gewisser Erzeugnisse des eignen Landes.

Der deutsche Eisenbahngütertarif Teil 1 (herausgegeben in zwei Abteilungen A und B) enthält die allgemeinen Bestimmungen für den Güterverkehr: 1) (in Abteilung A) die Eisenbahnverkehrsordnung (s. d.) nebst den von den deutschen Eisenbahnverwaltungen vereinbarten allgemeinen Zusatzbestimmungen dazu; 2) (in Abteilung B) die allgemeinen Tarifvorschriften nebst der Güterklassifikation, die erkennen läßt, unter welche Tarifklassen die einzelnen Güter fallen, und den Nebengebührentarif, der unter andern die Gebühren für Nachwiegung von Stückgütern, Verwiegung von Wagenladungen (Wägegeld), für Benutzung eines Kraus (Krangeld), für leihweise Hergabe von Wagendecken (Deckenmiete) u. dgl. enthält. Die eigentlichen Transportgebühren (Streckensätze und Abfertigungsgebühren) ergeben sich für die einzelnen Verwaltungen, Verkehre und Verbände aus den als Teil II bezeichneten Tarifen, die gewöhnlich aus einem Kilometerzeiger und einer Tariftabelle bestehen. Jener weist die wirklichen oder virtuellen (unter Anrechnung eines Zuschlags als Entschädigung für besondere Transportschwierigkeiten, starke Steigungen, oder für die Benutzung besonders kostspieliger Anlagen, großer Brücken, gebildeten) Entfernungen zwischen den einzelnen Tarifstationen nach. Die Tariftabelle enthält die für jede Entfernung ausgerechneten Tarifsätze, so daß durch Benutzung beider die Tarifsätze von und nach jeder an dem Tarif beteiligten Station ermittelt werden können.

Die aus dem Raumtarifsystem entnommene allgemeine Wagenladungsklasse (B. und A. 1) hat zur Ausbildung eines eigenartigen Verkehrs, des sogen. Sammelverkehrs, geführt. Dieser besteht darin, daß Stückgüter aller Art, die sonst einzeln der Eisenbahn zur Beförderung übergeben werden würden, durch Spediteure zu Wagenladungen angesammelt und als solche zur Beförderung aufgegeben werden. Hierdurch ist der Spediteur in der Lage, für die betreffenden Stückgüter geringere Beförderungsgebühren zu berechnen, als nach dem Eisenbahntarif für Stückgüter. Doch ist eine solche Ansammlung nur zwischen größern Verkehrsplätzen mit einem lebhaften Stückgutaustausch möglich. Es hat sich gezeigt, daß vom Publikum in der Hauptsache nur wenige und nur die größern Versender und Empfänger von dieser Einrichtung einigen Nutzen ziehen, während der großen Menge der kleinen Interessenten keinerlei nennenswerte Vorteile, wohl aber vielfache Nachteile durch Transportverzögerungen u. dgl. daraus erwachsen. Den Vorteil, den die Eisenbahn aus dieser Einrichtung dadurch hat, daß ihr die Abfertigung der zu einer Wagenladung vereinigten Stückgüter erleichtert wird, ist verschwindend gering und steht keinesfalls im richtigen Verhältnis zu den großen Summen, die ihr dadurch an Einnahme entgehen, ohne zu einem angemessenen Teile dem Publikum zugute zu kommen. Der Hauptvorteil aus dem Sammelverkehr fällt der verhältnismäßig kleinen Zahl der damit befaßten Spediteure zu, die an und für sich als Mittelspersonen entbehrlich sind.

Für die Beförderung von Leichen, Fahrzeugen und lebenden Tieren sind das Tarifschema und die allgemeinen Tarifbestimmungen, für Leichen und Fahrzeuge auch die Tarifsätze innerhalb Deutschlands einheitlich geregelt.

B. Ausland. In Österreich-Ungarn sind Vorschriften über das Tarifwesen in den allgemeinen Bestimmungen über das Eisenbahnkonzessionierungssystem vom 29. Dez. 1837 und 18. Juni 1838, in der Eisenbahnbetriebsordnung vom 16. Nov. 1851 und in verschiedenen andern Gesetzen und Verordnungen enthalten. 1876 haben die österreichisch-ungarischen Bahnen mit Ausnahme der Südbahn einen sogen. Reformtarif eingeführt, der in der Hauptsache nach dem Wertklassifikationssystem gebildet ist und sich von dem deutschen namentlich dadurch unterscheidet, daß ihm die allgemeinen Wagenladungsklassen fehlen. Der österreichisch-ungarische Tarif unterscheidet: gewöhnliche Eilgüter, ermäßigte Eilgüter (Lebensmittel), Stückgut, Klasse 1 und 2, ermäßigte Wagenladungsklassen A, B und C, Spezialtarife 1, 2, 3 und Ausnahmetarife. Die Tarifsätze (Streckensätze und Abfertigungsgebühren) sind durchweg nach dem Staffelsystem gebildet, aber für die einzelnen Bahnen sehr verschieden nach Höhe und Abstufung. Die österreichischen und die ungarischen Staatsbahnen haben 1891 ermäßigte (fälschlich Zonentarife genannte) Staffeltarife eingeführt, deren Sätzen die Längeneinheit von 10 statt wie bisher fast überall 1 km zu Grunde liegt. Die Einnahmeausfälle, die diese Tarife zur Folge hatten, haben schon 1892 zu ihrer meist mit Erhöhungen verbundenen Änderung geführt. Nach dem Tarif von 1900 sind die Sätze für 1 km und 100 kg nach einer von 1–50,51–150 und 151–300 km (in Ungarn von 1–200 und 201–400 km) fallenden Skala berechnet. Für den direkten Verkehr zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn sind ein gemeinsames Tarifschema und gemeinsame Tarifbestimmungen vereinbart. Die Schweiz hat den deutschen Reformtarif mit einigen Änderungen übernommen. In Italien sind durch Gesetz vom 27. April 1885, durch das die Staatsbahnen den großen Betriebsgesellschaften verpachtet wurden (s. Eisenbahnpolitik), die Tarife und die Tarifvorschriften für den Personen- und Güterverkehr festgestellt worden. In Frankreich sind die allgemeinen Tarife der Hauptbahnen nach einem einheitlichen Schema (Wertklassifikationssystem) gebildet, während die Einheitssätze, auch der nach Zahl und Art sehr verschiedenen Spezialtarife, vielfach voneinander abweichen. Den Eisenbahnen Großbritanniens sind durch Gesetz von 1888 bestimmte Höchstsätze vorgeschrieben, die sie nicht überschreiten dürfen. Ein einheitliches Tarifschema (Wertklassifikationssystem) besteht nur für den direkten Verkehr innerhalb des Clearing-House-Vereins (s. Eisenbahn-Clearinghaus), wird jetzt aber auch für den innern Verkehr angestrebt. Die englischen Tarife sind für das Publikum sehr unklar und unübersichtlich. In Amerika herrscht wie in Europa das Wertklassifikationssystem vor. Im übrigen besteht dort keinerlei Einheitlichkeit in Bezug auf Tarifschema-Bestimmungen oder -Sätze. Der Wettbewerb und die Willkür der Eisenbahnverwaltungen lassen es nicht zu geregelten und stabilen Verhältnissen kommen.

[Eisenbahntarifpolitik.] Die Erkenntnis, daß die E. nicht bloß die wirtschaftlichen, sondern auch die sozialpolitischen Verhältnisse der einzelnen Länder in hohem Grade beeinflußt, hat bei dem wachsenden Interesse für die zeitbewegenden sozialpolitischen Fragen dazu geführt, daß auch die Maßnahmen der E. mehr als bisher auf ihre sozialpolitische Wirkung geprüft werden. Aus einer Zeit, die für das Wesen und die Aufgaben der neuern Verkehrsmittel noch kein rechtes Verständnis hatte, hat sich in Deutschland (und auch in Österreich) bis auf den heutigen Tag der rein kaufmännisch gedacht richtige, mit den sozialpolitischen Zielen des Staates aber unvereinbare Grundsatz erhalten, das Entgelt für die Transportleistungen verhältnismäßig um so niedriger zu bemessen, je umfangreicher die beanspruchte Leistung ist, also den Großabnehmer vor dem kleinen zu begünstigen. Außerdem entbehrt das deutsche (wie das österreichische) Tarifsystem, im Gegensatz zu andern Ländern, wie England, Frankreich, Rußland, der einheitlichen Grundlage, indem es ein Gemisch aus dem sogen. natürlichen (Wagenraum- und Gewichtssystem) und dem Wertklassifikationssystem darstellt. Während ersteres von den (schwer bestimmbaren und stetig wechselnden) Selbstkosten der Beförderung an sich ausgeht, die bei jeder auf Erzielung eines Reingewinns bedachten Verwaltung nur die unterste Grenze der Transportpreise bilden können, die übrigen dabei mitsprechenden Momente, wie Höhe der Haftbarkeit u. dgl., aber ganz unberücksichtigt läßt, nimmt letzteres System zutreffenderweise den Wert der Transportleistung für den Transportnehmer als Maßstab an, indem es die Höhe des Beförderungspreises von dem Tausch- oder Handelswert der beförderten Gegenstände abhängig macht und gleichzeitig auch ihren volkswirtschaftlichen Wert berücksichtigt. Während in Deutschland z. B. die Frachtsätze für dasselbe Gut sehr verschieden sind, je nachdem es in kleinen Mengen (als Stückgut) oder in ganzen Wagenladungen befördert wird, sind in andern Ländern, wie England, Frankreich, Rußland, derartige grundsätzliche Unterscheidungen unbekannt. In Frankreich wird z. B. gerade der Verkehr mit kleinern Mengen durch einen besonders ermäßigten Tarif begünstigt. Es wird dabei indes nicht so weit gegangen, daß sich die unwirtschaftliche Zerlegung größerer Mengen in lauter einzelne Sendungen von geringem Gewicht, wie im deutschen (und österreichisch-ungarischen) Postverkehr, zu einem gewinnbringenden Verfahren gestaltete. Auf einzelnen englischen Bahnen ist man neuerdings dazu übergegangen, im Interesse der ländlichen Produzenten und der städtischen Konsumenten den direkten Absatz und Bezug ländlicher Erzeugnisse in kleinern Mengen durch besonders billige Tarife zu fördern.

Literatur: Perrot, Die Anwendung des Penny-Portosystems auf den Eisenbahntarif und das Paketporto (Rost. 1872) und mehrere andre Schriften Perrots; Cohn, Untersuchungen über die englische Eisenbahnpolitik (Leipz. 1874–83, 3 Bde.); Krönig, Die Differentialtarife der Eisenbahnen (Berl. 1877); Reitzenstein, Die Gütertarife der Eisenbahnen (das. 1874); Derselbe, Über einige Verwaltungseinrichtungen und das Tarifwesen auf den Eisenbahnen Englands (das. 1877); Sax, Die Verkehrsmittel in Volks- u. Staatswirtschaft, Bd. 2 (Wien 1879); Lehr, Eisenbahntarifwesen und Eisenbahnmonopol (Berl. 1879); Ulrich, Das Eisenbahntarifwesen (das. 1886, franz. Ausg. 1889); Schreiber, Das Tarifwesen der Eisenbahnen (Wien 1884); Derselbe, Die Eisenbahnen als öffentliche Verkehrseinrichtungen und ihre Tarifpolitik (das. 1887); Hertzka, Das Personenporto (das. 1885); Engel, Eisenbahnreform (Jena 1888; umgearbeitet u. d. T.: »Der Zonentarif«, 7. Aufl., das. 1891); Hoffmans, Ist der Engelsche Zonentarifvorschlag durchführbar? (Berl. 1891); Launhardt, Theorie der Tarifbildung der Eisenbahnen (das. 1890); Ulrich, Personentarifreform und Zonentarif (das. 1892), Derselbe, Staffeltarife und Wasserstraßen (das. 1894); Weichs-Glon, Das finanzielle und soziale Wesen der modernen Verkehrsmittel (Tübing. 1894); Rank, Eisenbahntarifwesen (Wien 1895); Derselbe, Die Eisenbahntariftechnik (das. 1902); Pauer, Lehrbuch des Eisenbahntarifwesens (das. 1900); de Terra, Soziale Verkehrspolitik (Berl. 1895); Derselbe, Im Zeichen des Verkehrs (das. 1899).


Abfertigungsgebühr für 100 kg bis 50 km 6 Pf., von 51–100 km 9 Pf., über 100 km 12 Pf.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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