Knochenkohle

Knochenkohle

Knochenkohle (Beinschwarz,Knochenschwarz, Spodium), bei Abschluß der Luft bis zur vollständigen Verkohlung ihrer organischen Substanz erhitzte Knochen. Die Knochen enthalten 63–70 Proz. mineralische Stoffe (hauptsächlich phosphorsauren Kalk) und in innigster Verbindung mit diesen eine stickstoffreiche, beim Kochen mit Wasser Leim bildende Substanz; diese zersetzt sich beim Erhitzen unter Entwickelung brennbarer Gase, wässeriger ammoniakalischer und teerartiger Flüssigkeit und hinterläßt stickstoffhaltige Kohle, die sich durch ihre Mischung mit den mineralischen Substanzen in äußerst seiner Verteilung befindet. Erhitzt man die K. bei Zutritt der Luft, so verbrennt die Kohle, und es bleibt weiße Knochenasche zurück. Die Knochen enthalten auch Fett, dessen Zersetzungsprodukte die Beschaffenheit der Kohle beeinträchtigen. Es empfiehlt sich daher, die Knochen zu entfetten, und zwar mit Benzin, weil durch Kochen mit Wasser organische Substanz verloren geht, das Fabrikat also ärmer an Kohle wird. Zur Darstellung der K. benutzt man Knochenkörnungen, die bei der Herstellung von Knochenmehl gewonnen werden und aus den härtesten und dichtesten Teilen der Knochen bestehen. Zur Verkohlung dienen zylindrische eiserne Töpfe, die man in Reihen auseinander stellt, so daß einer den andern dicht verschließt, während der oberste einen Deckel erhält. Die Fugen werden mit Lehm verschmiert. Diese Töpfe werden in einem Flammofen aufgestellt, in dem die Flamme gleichmäßig zwischen den Topfreihen durchzieht. Die aus den Töpfen entweichenden Gase entzünden sich und tragen zur Erhitzung wesentlich bei. Öfen für kontinuierlichen Betrieb enthalten senkrechte eiserne Röhren, die man von oben beschickt und von unten unter Luftabschluß entleert, nachdem in ihrem mittlern Teil die Verkohlung erfolgt ist. Die flüchtigen Produkte der Verkohlung werden durch einen Exhaustor abgesogen und kondensiert; die nicht kondensierbaren Gase und Dämpfe leitet man in die Feuerung, um sie zum Heizen zu benutzen und zugleich die übeln Gerüche zu zerstören. Bisweilen werden die Gase nach ihrer Reinigung mit Schwefelsäure etc. als Leuchtgas benutzt; sie besitzen etwa dreimal so große Leuchtkraft wie Steinkohlengas. Man erhält aus den Knochen etwa 60 Proz. K., deren Menge durch Sortieren, Ausstäuben und besonders durch etwa nötiges Brechen noch vermindert wird. Sie enthält im Mittel 10 Proz. Kohle, 78 Proz. phosphorsauren Kalk, 8 Proz. kohlensauren Kalk, ferner geringe Mengen phosphorsaure Magnesia, Gips, lösliche Salze, Schwefelcalcium, Sand etc.; an der Luft nimmt sie 7–10 Proz. Feuchtigkeit auf. Wegen des Gehalts an löslichen Salzen muß die K. für viele Zwecke vor der Benutzung mit heißem Wasser gewaschen werden.

K. zeigt die Struktur der Knochen, ist hart, klingend, intensiv schwarz, haftet an der Zunge und erhitzt sich, wenn sie im frisch ausgeglühten Zustand mit Wasser in Berührung kommt, sehr stark, unter Umständen bis zur Selbstentzündung. Sie absorbiert verschiedene Stoffe und wird namentlich in der Zuckerfabrikation benutzt, um Kalk, Salze und Farbstoffe aus dem Saft zu entfernen. Ist das Absorptionsvermögen der K. vollständig erschöpft, so kann sie von den aufgenommenen Substanzen befreit und von neuem benutzbar gemacht werden. Bei dieser Wiederbelebung zieht man den absorbierten Kalk, der sich unmittelbar nach der Benutzung als Ätzkalk in der K. befindet (aber bald in kohlensauren Kalk übergeht), durch sehr stark verdünnte Salzsäure aus; man kocht auch die Kohle mit Sodalösung, um aufgenommenen Gips in kohlensauren Kalk zu verwandeln, und behandelt sie dann mit Salzsäure. Zur Zerstörung der aufgenommenen organischer Substanz überläßt man die K. (auch wohl vor dem Säuern) einem Gärungs- und Fäulnisprozeß (teils auf Haufen, teils in warmem Wasser), wobei sich viele Gase entwickeln und Verbindungen entstehen, die schließlich mit dem Salzen durch sorgfältiges Waschen entfernt werden können. Statt die K. gären zu lassen, kocht man sie auch mit Ätznatron, besonders wenn sie viel Gips enthält. Schließlich dämpft oder kocht man die Kohle, trocknet sie und glüht sie in einem Ofen mit senkrechten, verschließbaren Röhren. Abfälle von der Bereitung und Benutzung der K. werden zur Darstellung von Superphosphat, Phosphorsäure, Phosphor, als schwarzer Farbstoff (Elfenbeinschwarz), zum Schwärzen des Leders und als Zusatz zur Stiefelwichse, auch zum Düngen, benutzt. Auf den Vorzug, den die K. bezüglich ihres Entfärbungsvermögens vor andrer, namentlich vegetabilischer Kohle besitzt, machte Figuier 1811 aufmerksam. Auf die Empfehlungen von Derosne, Payen und Pluvier wurde sie sehr bald allgemein in der Zuckerfabrikation benutzt; aber erst Dumont verwendete 1828 gekörnte K. in feststehenden metallenen Filtern und entdeckte die Möglichkeit der Wiederbelebung.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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