- Eisenbahnbehörden
Eisenbahnbehörden zerfallen in Aufsichts behörden, denen die Wahrnehmung des staatlichen (Reichs-) Aufsichtsrechts über die Eisenbahnen (s. Eisenbahnrecht), und in Verwaltungs behörden, denen die Herstellung und Unterhaltung der Bahnen und der zugehörigen Anlagen, die Beschaffung und Instandhaltung der erforderlichen Betriebsmittel (s. Eisenbahnbetriebsmittel), die Ausführung und Überwachung des gesamten Betriebs- und Verkehrsdienstes und die Besorgung der damit verbundenen Geschäfte kommerzieller, finanzieller und administrativer Natur obliegt. In Deutschland ist das Reichseisenbahnamt (s. Eisenbahnamt) zur Ausübung der verfassungsmäßigen Aufsichtsrechte des Reiches über die Eisenbahnen bestellt. Daneben wird das staatliche Aufsichtsrecht wahrgenommen in Preußen von dem Ministerium der öffentlichen Arbeiten, für die Privatbahnen in unterer Instanz von den Präsidenten der Königlichen Eisenbahndirektionen; in Bayern von dem Ministerium des königlichen Hauses und des Äußern, für die Privatbahnen in erster Instanz von den Kreisregierungen; in Württemberg von dem Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, für die Privatbahnen in erster Instanz von der Generaldirektion der Staatseisenbahnen; in Sachsen von dem Ministerium des Innern für Tarif- und Fahrplanwesen und im übrigen von dem Finanzministerium, für die Privatbahnen außerdem durch besondere Kommissionen (Kreis- oder Amtshauptleute, bez. technisch gebildete Staatseisenbahnbeamte); in Baden und Hessen vom Finanzministerium, bez. durch besondere Kommissare, und in Elsaß-Lothringen für die Privatbahnen von der Abteilung IV. des Ministeriums für Elsaß-Lothringen, während die oberste staatliche Aussicht über die Reichseisenbahnen in Elsaß-Lothringen zugleich von deren oberster Verwaltungsbehörde, dem Reichsamt für die Verwaltung der Reichseisenbahnen, ausgeübt wird. In ähnlicher Weise ist den übrigen vorgenannten staatlichen Aufsichtsbehörden zugleich die oberste Leitung der Verwaltung der Staatsbahnen in den betreffenden Ländern übertragen. Unter diesen obersten Behörden teilen sich folgende E. in die Verwaltung der Staatsbahnen:
1) In Preußen sind mit Einführung der Neuordnung vom 1. April 1895 an Stelle der frühern 11 Eisenbahndirektionen und 75 Eisenbahnbetriebsämter in Wirksamkeit getreten: 20 Eisenbahndirektionen, in Altona, Berlin, Breslau, Bromberg, Danzig, Elberfeld, Erfurt, Essen a. Ruhr, Frankfurt a. M., Halle a. S., Hannover, Kassel, Kattowitz, Köln, Königsberg i. Pr., Magdeburg, Münster i. Westf., Posen, St. Johann-Saarbrücken und Stettin. Infolge Verstaatlichung der Hessischen Ludwigsbahn (s. Eisenbahnpolitik, S. 532) ist 1897 noch eine Königlich Preußische und Großherzoglich Hessische Eisenbahndirektion in Mainz hinzugekommen. Die Länge der einzelnen Bezirke schwankt zwischen 585 km (Berlin) und 1992 km (Königsberg i. Pr.). Im Durchschnitt entfallen auf jeden Bezirk 1551 km. Die Abweichungen von der Durchschnittslänge sind in der großen Verschiedenartigkeit der Betriebs- und Verkehrsverhältnisse der einzelnen Bahnlinien begründet. Unter der obern Leitung des Ministers der öffentlichen Arbeiten liegt den Direktionen die Gesamtverwaltung aller Linien ihrer Bezirke und die Entscheidung über Beschwerden gegen Anordnungen der Inspektionsvorstände ob. Anträge auf Tarifänderungen, Auslegung der Tarife, Frachterstattungen und andre den Gesamtbezirk einer Direktion betreffende Anregungen sind an die betreffenden Direktionen zu richten. Diesen sind für die Ausführung und Überwachung des örtlichen Dienstes Inspektionen unterstellt, deren Zahl und Bezirke je nach den Betriebs- und Verkehrsverhältnissen sehr verschieden bemessen sind. Der Geschäftsbereich der Eisenbahnbetriebsinspektionen umfaßt die Angelegenheiten des Betriebes, der Bahnunterhaltung und Bahnbewachung. Der Geschäftsbereich der Eisenbahnverkehrsinspektion umfaßt die Angelegenheiten des Abfertigungs- und Beförderungsdienstes. Der Geschäftsbereich der Eisenbahnmaschineninspektionen umfaßt die Angelegenheiten des Maschinendienstes sowie des Dienstes in den Betriebs- und Nebenwerkstätten. Für die Hauptwerkstätten, einschließlich der zugehörigen Magazine, sind Werkstätteninspektionen bestellt, denen insbes. auch die Annahme der Werkstättenarbeiter obliegt. Die Unterhaltung und Überwachung der elektrischen Telegraphen-, Signal- und sonstigen Sicherungsanlagen gehörten anfänglich zum Geschäftsbereich von Telegrapheninspektionen, die aber 1902 aufgelöst wurden, und deren Dienstgeschäfte z. T. den Betriebsinspektionen übertragen, z. T. auf die Direktionen übergegangen sind. Durch die Beseitigung einer Zwischeninstanz, der Betriebsämter, und größere Ausdehnung des persönlichen Verkehrs mit den Transportinteressenten wurde eine wesentliche Vereinfachung des Geschäftsganges erreicht. Dagegen wird durch die große Zahl kleinerer Bezirke für die unmittelbare Leitung des Betriebsdienstes und dessen Zerlegung in Stations- und Fahrdienst einer- und Maschinen- (Lokomotiv-) Dienst anderseits die Einheitlichkeit dieses Dienstzweiges nachteilig beeinflußt. Vgl. Eichler, Übersicht der Verwaltungsbezirke der königlich preußischen und großherzoglich hessischen Staatseisenbahnen (6. Aufl., Bresl. 1901); »Übersichtskarte der Verwaltungsbezirke der königlich preußischen Eisenbahndirektionen«, bearbeitet im Ministerium der öffentlichen Arbeiten (4 Blatt, Berl. 1901).
2) Für die bayrischen Staatsbahnen sind innerhalb der dem Ministerium des königlichen Hauses und des Äußern unterstellten Generaldirektion fünf Abteilungen tätig: 1) für Verwaltung und Personenangelegenheiten, 2) für Betrieb, Fahrdienst, Transportwesen, Fahrordnung, 3) für Güterdienst- und Tarifangelegenheiten, 4) für Maschinen-, Signal-, Elektrizitäts-, Telegraphen- und Telephonwesen sowie Wagenbeschaffung und Konstruktion, 5) für Neubau, Bahnunterhaltung, Hochbau-, Regie- und Materialwesen. Die unmittelbare Leitung und Beaufsichtigung des Dienstes wird von 10 Betriebsdirektionen (anfänglich Oberbahnämter genannt) ausgeführt. Die Errichtung eines eignen Verkehrsministeriums steht zum 1. Jan. 1904 bevor.
3) Die Verwaltung der sächsischen Staatsbahnen hat 1899 eine den inzwischen wesentlich veränderten Verhältnissen entsprechende Neugestaltung erfahren. Die jetzige Generaldirektion ist einerseits durch Erweiterung ihrer Befugnisse gegenüber dem Finanzministerium, anderseits durch Übertragung einer Reihe minder wichtiger Geschäfte an die ihr untergeordneten Dienststellen entlastet worden. Die bisherigen sechs Betriebsoberinspektionen sind in Betriebsdirektionen (mit erweiterten Befugnissen) umgewandelt, deren Vorstand die Dienstbezeichnung »Eisenbahndirektor« erhalten hat. Die bei der Generaldirektion bestehenden Bureaus (wie Transportoberinspektion, Maschinenoberinspektion etc.) sind ihrer bisherigen Selbständigkeit entkleidet und als technische Bureaus der Generaldirektion einverleibt. Außer den 6 Betriebsdirektionen sind der Generaldirektion 6 Maschineninspektionen, 4 Werkstätteninspektionen und 3 Telegrapheninspektionen unterstellt.
4) In Württemberg und Baden liegt die unmittelbare Leitung und Beaufsichtigung des Betriebes sowie der Neubauten und der Ergänzungsbauten je einer Generaldirektion ob, unter der Betriebsinspektionen für den Betriebs- und Abfertigungsdienst und besondere Ämter (Kommissionen) für die Bahnbauten stehen. Verwaltung und Betrieb von Privatbahnen sind unter Oberleitung eines Verwaltungsrates (Aufsichtsrates) meist einer Direktion übertragen. Näheres über die E. (normalspurige Bahnen) in nachfolgender Übersicht.
Die deutschen Eisenbahnverwaltungsbehörden.
(Hierzu die Karte »Staats- und Privatbahnen im Deutschen Reiche«.)
A. Staatsbahnen (47,573,54 km).
Militäreisenbahn (Königl. Direktion in Berlin; 70,62 km).
Bayern. Generaldirektion der königlich bayrischen Staatseisenbahnen in München. Der Betrieb ist zehn Betriebsdirektionen (in Augsburg, Bamberg, Ingolstadt, Kempten, München, Nürnberg, Regensburg, Rosenheim, Weiden und Würzburg) zugeteilt (5895,36 km).
Sachsen. Königliche Generaldirektion der sächsischen Staatseisenbahnen in Dresden, für sämtliche Eisenbahnen im Königreich Sachsen (3027,32 km).
Württemberg. Generaldirektion der königlich württembergischen Staatseisenbahnen in Stuttgart, für sämtliche Eisenbahnen im Königreich Württemberg (1904,15 km).
Baden. Generaldirektion der großherz. bad. Staatseisenbahnen in Karlsruhe, für sämtliche bad. Bahnen (1634,67 km).
Oldenburg. Großherzogliche Eisenbahndirektion in Oldenburg (550,68 km).
Mecklenburg. Großherzogliche General-Eisenbahndirektion zu Schwerin (1105,14 km).
Sachsen-Weimar. Weimar-Berka-Blankenhainer Eisenbahn, dem Staate Sachsen-Weimar gehörig und im Privatbetrieb der Betriebsverwaltung thüringischer Nebenbahnen zu Weimar (32,16 km).
Elsatz-Lothringen. Kaiserliche Generaldirektion der Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen zu Straßburg, für sämtliche Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen und die Wilhelm-Luxemburger Eisenbahn (1937,63 km).
B. Privatbahnen unter Staatsverwaltung (119,26 km).
Birkenfelder Eisenbahn (5,23 km). Königliche Eisenbahndirektion St. Johann-Saarbrücken.
Farge-Vegesacker Eisenbahn (10,5 km). Königliche Eisenbahndirektion zu Hannover.
Ilmebahn (17,47 km). Königliche Eisenbahndirektion Hannover. Kreis Oldenburger Eisenbahn (43,4 km). Königliche Eisenbahndirektion zu Altona.
Zittau-Reichenberger Eisenbahn (26,61 km) und Zittau-Oybin-Jonsdorfer Eisenbahn (16,05 km). Königliche Generaldirektion der sächsischen Staatseisenbahnen zu Dresden.
C. Privatbahnen unter eigner Verwaltung (4545,69 km).
Auf beifolgender Karte ist das Gebiet der preußisch-hessischen Staatsbahnen sowie ihrer Direktionsbezirke durch verschiedenfarbiges Flächenkolorit, das der übrigen Staatsbahnen durch Randkolorit kenntlich gemacht.
5) In Österreich ist 1896 ein eignes Eisenbahnministerium gebildet und eine Neuordnung der E. eingeführt worden. Die Befugnisse der bisherigen Generaldirektion sind teilweise auf das neugeschaffene Eisenbahnministerium, teils auf die neuen Staatsbahn- (früher Betriebs-) Direktionen in Wien, Linz, Innsbruck, Villach, Triest, Pilsen, Prag, Olmütz, Krakau, Lemberg und Stanislau übergegangen, die fortan dem Eisenbahnministerium unmittelbar untergeordnet sind. Diesem liegt hauptsächlich die Ausstellung der allgemeinen Grundsätze für alle Dienstzweige, die Sorge für ihre Durchführung und die Wahrung des einheitlichen Geistes der Verwaltung ob. Ein Eingreifen in die unmittelbare Verwaltung ist nur da vorgesehen, wo besonders wichtige Interessen in Frage kommen, wie bei der Änderung von Tarifen, beim Bau neuer Bahnen, bei Herstellung der Betriebsmittel, bei Finanz- und Personalfragen von größerer Bedeutung u. dgl. m. Dagegen fällt die örtliche Verwaltung in den Wirkungskreis der neuen Staatsbahndirektionen, die also die mit den ausgedehntesten Machtvollkommenheiten ausgestatteten Ausführungsorgane der neuen Zentralbehörde bilden. In der untersten Dienstführung sind für die einzelnen Betriebszweige getrennte Dienststellen, Bahnunterhaltungssektionen, Bahnstationsämter oder (bei größerer Bedeutung) Bahnbetriebsämter (für den Verkehrs- und kommerziellen Dienst), Heizhaus- und Werkstättenleitungen und Materialmagazinleitungen geschaffen. Für die Verwaltung einzelner Lokalbahnen oder von Teilstrecken, die mit dem Hauptnetz nicht in unmittelbarer Schienenverbindung stehen, sind mehrere oder auch alle diese Dienststellen unter der Bezeichnung »Betriebsleitung« vereinigt. Neugeschaffen ist auch ein dem Ministerium unmittelbar unterstelltes »Zentralwagendirigierungsamt«, dem die Verwaltung des gesamten Wagenparks der Staatsbahnen und die einheitliche Verfügung darüber zufällt. Die bisherige Generalinspektion der österreichischen Eisenbahnen ist auch nach der Neuordnung als ein dem Ministerium unmittelbar unterstelltes Hilfsorgan zur Beaufsichtigung und Prüfung des Bauzustandes und Betriebes der Privatbahnen sowie auch der Staatsbahnen bestehen geblieben. Ebenso ist die Einrichtung des Staatseisenbahnrats beibehalten; für die Staatsbahndirektionen sind Beiräte geschaffen. Vgl. den jährlich in Wien erscheinenden »Eisenbahn-Schematismus für Österreich-Ungarn«.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.