- Christine
Christine, 1) C., Königin von Schweden, Tochter Gustav Adolfs (s.d.) und Maria Eleonoras von Brandenburg, geb. 18. Dez. 1626, gest. 19. April 1689 in Rom. Bereits 1627 von den Ständen als Thronfolgerin anerkannt, stand sie nach dem Tod ihres Vaters (1632) lange unter einer von A. Oxenstierna geleiteten Vormundschaftsregierung, die zwar für ihre wissenschaftliche Ausbildung trefflich sorgte, sie aber absichtlich ihrer Mutter entfremdete, übernahm Ende 1644 selbständig die Regierung und brachte die Kriege Schwedens mit Dänemark (1645), bez. in Deutschland (1648) zu einem vorteilhaften Abschluß. Ursprünglich dem Großen Kurfürsten, ihrem Vetter, zur Gemahlin bestimmt, wies sie aus Abneigung gegen die Ehe diesen wie zahlreiche andre Bewerber ab und setzte 1649 bei den Ständen die Ernennung des Pfalzgrafen Karl Gustav, ihres Halbvetters, zu ihrem Thronfolger durch. In Europa durch den Beinamen »Pallas suecica« geehrt, weil sie Dichter, Künstler und Gelehrte (Grotius, Descartes, Salmasius u. a.) an ihren Hof zog, einen regen wissenschaftlichen Briefwechsel unterhielt und eine prächtige Münz-, Antiken- und Gemäldesammlung zusammenbrachte, erregte anderseits beim Volk ihre Verschwendungssucht, beim Adel ihre Begünstigung der Talente ohne Rücksicht auf Rang oder Geburt, bei der Geistlichkeit ihr Umgang mit Jesuiten und Calvinisten lebhaften Anstoß. Diese innern Verwickelungen machten sie schließlich regierungsüberdrüssig. Nachdem der Reichstag ihr 600,000 Mi. jährliche Revenuen angewiesen und sie ermächtigt hatte, diese Summe im Ausland zu verzehren, dankte sie 16. Juni 1654 ab und begab sich über Brüssel, wo sie Weihnachten 1654 insgeheim zum Katholizismus übertrat, und Innsbruck, wo sie Anfang November 1655 öffentlich das katholische Glaubensbekenntnis ablegte, nach Rom, wo sie nach der Firmung durch Papst Alexander VII. den Namen Christina Alexandra annahm. Den Sommer 1656 verlebte sie in Frankreich. Bei einem zweiten Aufenthalt daselbst (1657–58) ließ sie ihren Günstling und Oberstallmeister Monaldesco (s.d.) ermorden. Nach dem Tode Karl Gustavs (1660) begab sie sich aus Italien nach Schweden, wo sie sich jedoch durch Betonung ihrer katholischen Gesinnung die Gemüter entfremdete und eine neue, vollständige Entsagungsakte ausstellen mußte. 1661–62 weilte sie in Hamburg, dann in Rom. Während einer abermaligen Anwesenheit in Hamburg (1666–68) und in Schweden (1667) trat sie von neuem für die katholische Kirche in die Schranken. In Rom fortan der Mittelpunkt der geistlichen und gelehrten Kreise, machte sich C. als Stifterin einer Akademie (1674), der spätern Accademia clementina o reale, durch Veredelung der italienischen Sprache und Dichtkunst verdient. Nach dem Tode Johann Kasimirs (1672) erhob sie als dessen nächste Wasaverwandte auf seine Güter in Polen und Neapel vergeblich Anspruch. Kardinal Azzolino, ihr bester Freund und langjähriger Vertrauter, war ihr Universalerbe. Vgl. Arckenholtz, Mémoires de C., reine de Suède (Amsterd. 1751–60, 4 Bde.; auch deutsch und schwedisch); Woodhead, Memoirs of C., queen of Sweden (Lond. 1863, 2 Bde.); Grauert, C., Königin von Schweden und ihr Hof (Bonn 1838–42, 2 Bde.); Bain, C., queen of Sweden (Lond. 1889); H. E. Friis, Dronning C. af Sverrig (Kopenh. 1896; deutsch, Leipz. 1899); R. Schulze, Das Projekt der Vermählung Friedrich Wilhelms von Brandenburg mit C. von Schweden (Halle 1898); Gustafsson, Bidrag till historien om drottning Kristinas afsägelse och riksdagen 1654 (Stockh. 1887); (Burenstam,) La reine C. de Suède à Anvers et Bruxelles 1654–1655 (Brüss. 1891); Buffon, C. von Schweden in Tirol (Innsbr. 1884); Claretta, La regina C. di Svezia in Italia 1655–1689 (Turin 1892); Campori, C. di Svezia e gli Estensi (Modena 1877); Bildt, C. de Suède et le cardinal Azzolino (Par. 1899); O. Granberg, I, a galerie de tableaux de la reine C. de Suède (Stockh. 1896, auch schwedisch).
2) Marie C., Königin und Regentin von Spanien, Tochter des Königs beider Sizilien, Franz I., und der Maria Isabella, der Tochter des Königs Karl IV. von Spanien, geb. 27. April 1806 in Neapel, gest. 22. Aug. 1878 in Le Havre, wurde 11. Dez. 1829 die vierte Gemahlin des Königs Ferdinand VII. von Spanien. Auf ihren Gemahl erlangte sie bald einen herrschenden Einfluß und zog sich hierdurch den Haß der apostolischen Partei sowie des Bruders des Königs, Don Carlos, zu, der sich noch steigerte, als Ferdinand VII. 29. März 1830 das Auto acordado vom 10. Mai 1713 umstieß und die alte kastilische Erbfolgeordnung wiederherstellte, nach der auch die Töchter zur Thronfolge berechtigt waren. Als nun 10. Okt. 1830 C. wirklich eine Tochter gebar, entspann sich ein erbitterter Kampf zwischen den Apostolischen unter Don Carlos und der Königin, die sich zu den Liberalen hinneigte. Auch Christinens zweites Kind, das sie 30. Jan. 1832 gebar, war eine Tochter. Sie behauptete sich jedoch in ihrem Einfluß auf den König, und als Ferdinand VII. 29. Sept. 1833 starb, wurden seine dreijährige Tochter Isabella in Madrid als Königin und C. als Regentin ausgerufen. Schon 28. Dez. 1833 vermählte sich C. in morganatischer Ehe mit Don Fernando Muñoz (geb. 4. Mai 1808), der damals in der königlichen Leibgarde diente, und den sie später zum Herzog von Rianzares erhob. Aber im Oktober 1833 brach in Aragonien und in den baskischen Provinzen ein Aufstand zugunsten des Don Carlos aus. Um eine Stütze gegen diesen zu gewinnen, neigte sich C. offen der liberalen Partei zu, deren Glieder daher Cristinos genannt wurden. Ihre der französischen Charte nachgebildete Verfassung, das Estatuto real, wuide bald durch andre noch liberalere Verfassungen verdrängt, wie denn C. stets auf das Regierungssystem ihres jedesmaligen Ministers einging. Doch konnte C. ihre Herrschaft nicht dauernd befestigen, obwohl sie über Don Carlos endlich den Sieg davontrug. Infolge einer durch das Gesetz über die Ayuntamientos (s.d.) veranlaßten Volksbewegung dankte sie 10. Okt. 1840 als Regentin ab und begab sich mit ihrem großen Vermögen nach Frankreich. Nach Esparteros Sturz kehrte sie 1843 wieder nach Madrid zurück und ließ sich 13. Okt. 1844 mit Muñoz, dem sie mehrere Kinder geboren hatte, kirchlich trauen; er starb 12. Sept. 1873. Die meisten Vorgänge in Spanien seit 1843 erfolgten unter ihrer Einwirkung; doch zog sie sich dadurch den Haß eines großen Teiles des Volkes so zu, daß sie sich beim Ausbruch der Revolution 1854 zu fliehen genötigt sah. Ende September 1864 kehrte sie noch einmal nach Spanien zurück. Indes war ihr Aufenthalt in Madrid nicht dauernd, und sie lebte meist im Ausland, wo sie ihr Vermögen in Sicherheit gebracht hatte.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.