- Bleichen
Bleichen, die Zerstörung farbiger Substanzen, die als Verunreinigungen in und auf farblosen Körpern vorkommen und durch Waschen nicht zu beseitigen sind. Man benutzt zum B. chemische Einflüsse, die mit Vorsicht angewendet werden müssen, damit sie die zu bleichende Substanz nicht nachteilig verändern. Am häufigsten wird der Bleichprozeß auf Spinnfasern angewendet. Die vegetabilischen Spinnfasern bestehen aus farbloser Zellulose, enthalten aber außer den färbenden auch Fett, harz- und wachsartige Substanzen, der gerottete Flachs Pektinsäure etc., die Garne und Gewebe außerdem die bei ihrer Herstellung hinzugekommenen Substanzen, wie Leim, Dextrin, Stärke (von der Schlichte), Fett, Schmutz etc. Diese Verunreinigungen hüllen die färbenden Substanzen ein und entziehen sie der Wirkung der Bleichmittel. Man muß deshalb die Fasern zunächst reinigen, läßt aber vorteilhaft Reinigungs- und Bleichprozesse miteinander abwechseln und arbeitet stets mit stark verdünnten Flüssigkeiten, durch welche die Fasern nicht angegriffen werden.
Baumwollene Gewebe werden gesengt, eingeweicht, auf Haufen geworfen und der Gärung überlassen, um Bestandteile der Schlichte zu zersetzen, gewaschen und dann mit Kalkwasser behandelt, um Fett, harz- und wachsähnliche Substanzen zu verseifen. Man zieht die Stoffe mittels einer Maschine durch dicke Kalkmilch (5–7 Proz. Kalk vom Gewicht der Ware), behandelt sie dann in Bäuchkesseln mit Hochdruckdampf, spült sie gut mit Wasser, bringt sie in ganz schwache Salzsäure, um die Reste der Kalkseifen zuzersetzen, und wäscht sie gründlich aus. Ein zweites Bäuchen wird mit Natronlauge, Soda oder Harzseife vorgenommen, dann wird wieder sorgfältig gewaschen und der Stoff mit stark verdünnter Chlorkalklösung, die keine ungelösten Teile entfalten darf, imprägniert und der Luft ausgesetzt. Die Kohlensäure der Luft scheidet aus dem Chlorkalk unterchlorige Säure ab, welche die färbenden Substanzen zerstört. Das Vorurteil, daß die Chlorbleiche Gewebe stark angreife, ist bei der jetzigen rationellen Ausführung derselben unbegründet. Gefahren entstehen nur durch zu starke Chlorkalkbäder oder durch zu lange Einwirkung derselben, namentlich bei gleichzeitiger Einwirkung von Luft und Licht, und dann durch mangelhaftes Auswaschen der Säure, die sich in dem trocknenden Gewebe konzentriert und die Faser angreift. Die gechlorten Stoffe werden gewaschen, in schwache Salzsäure gelegt, um Reste von Chlorkalk zu zersetzen und Spuren von Eisen und Kalk zu lösen. Ein letztes, sehr sorgfältiges Waschen beseitigt die Salzsäure, und häufig spült man noch mit ganz schwacher Sodalösung. Waren, die weiß bleiben sollen, werden mit Ultramarin gebläut. Schließlich werden die Stoffe durch Wringmaschinen, Pressen, Quetschmaschinen, Zentrifugen entwässert und getrocknet. Der Bleichprozeß dauert 5 Tage, und die Stoffe verlieren etwa 5 Proz. ihres Gewichts. Statt des Chlorkalks sind auch Eau de Javelle, unterchlorigsaure Tonerde, übermangansaures Kali, Wasserstoffsuperoxyd empfohlen worden. Wasserstoffsuperoxyd (resp. Natriumsuperoxyd) gibt ein schöneres Weiß als Chlorkalk, ist aber noch zu teuer.
Leinenfaser enthält viel mehr Verunreinigungen als Baumwolle, und namentlich erfordert die Entfernung der Pektinsäure häufigere Anwendung von alkalischen Langen, nur darf man nicht Kalk benutzen, da dieser die Faser angreift. Eine irische Methode besteht aus folgenden Operationen: Kochen mit Soda, Spülen, Ausquetschen, Chloren, Spülen, Säuren, Spülen, Kochen mit Soda, Spülen, Chloren, Spülen, Säuren, Spülen. Das auf diese Weise halbgebleichte Garn wird in ähnlicher Weise weiter behandelt, auch auf dem Rasen gebleicht, bis es marktfertig ist. Der Verlust beträgt 25–20 Proz. Bei Leinengewebe werden die einzelnen Operationen wiederholt durch Rasenbleiche unterbrochen. Man breitet die Gewebe auf den Rasen, hält sie beständig feucht und setzt sie der Luft und dem Licht aus. Hierbei wirken das in der Luft enthaltene Ozon, Wasserstoffsuperoxyd und salpetrigsaures Ammoniak bleichend. Reine Rasenbleiche wird im Großbetrieb nicht mehr angewendet.
Hanf wird nur selten und dann ähnlich wie Flachs gebleicht. Jutegewebe behandelt man mit Wasserglaslösung, dann mit unterchlorigsaurem Natron, spült, säuert mit verdünnter Salzsäure, die wenig schweflige Säure enthält, spült und trocknet. Oder man behandelt die Jute mit warmer Sodalösung, spült, gibt ein kaltes Bad von übermangansaurem Kali, dann von schwefliger Säure und spült.
Bei der elektrischen Bleicherei werden aus verdünnten Lösungen von Kochsalz (Chlornatrium), Chlormagnesium etc. auf elektrischem Wege Bleichflüssigkeiten (s.d.) dargestellt, die meist weniger als 0,5 Proz., selten mehr als 1 Proz. bleichendes Chlor enthalten. In diesen Lösungen besitzt die Gewichtseinheit bleichenden Chlors eine doppelte und größere Bleichkraft als in Chlorkalklösungen, sie zerstören energischer die Farbstoffe und greifen weniger die Faser an. Eine wissenschaftliche Erklärung dieser Tatsache konnte bisher nicht gegeben werden. Die ersten elektrischen Bleichflüssigkeiten stellte Hermite um 1880 aus Meerwasser, später aus Chlormagnesium dar. Diese Bleichflüssigkeiten sind leichter zersetzbar als die aus Kochsalz bereiteten, aber der Bleicheffekt der Gewichtseinheit bleichenden Chlors wächst mit der Zersetzbarkeit. Auch schwache Lösungen sind leichter zersetzbar als starke. Die Anwendung der elektrischen Bleichflüssigkeiten stimmt im allgemeinen mit der der Chlorkalklösungen überein, doch ist auch vorgeschlagen worden, das zu bleichende Material in denselben Behälter zu bringen, in dem sich der Elektrolyseur befindet, und Goppelsröder leitet den mit Salzlösung imprägnierten Kattun durch Walzen, die als Elektroden dienen.
Zum B. vergilbter, gebrauchter Wäsche zerreibt man 4–8 g Chlorkalk mit wenig Wasser zu einem zarten Brei, verdünnt ihn mit 1 oder 2 Lit. Wasser, gießt die Flüssigkeit durch ein Tuch in einen Eimer Wasser und läßt die Wäsche darin 24 Stunden liegen. Dann spült man, gibt ein Bad, welches so viel Salzsäure enthält, daß es wie scharfe Limonade schmeckt, und spült nach einigen Stunden recht sorgfältig. Sehr empfehlenswert ist auch die Anwendung einer stark zusammengeschüttelten Mischung von je 100 g Ammoniak und Terpentinöl, die man in einen Eimer Wasser gießt. Man bringt sofort die gewaschene und sorgfältig gespülte Wäsche hinein, arbeitet sie gut durch, wringt sie aus und trocknet an der Sonne im Freien. Die Wirkung des Terpentinöls beruht auf Ozonbildung, die trockne Wäsche zeigt keinen Terpentingeruch.
Die Wolle enthält viel Wollschweiß, der von den Hautdrüsen des Schafes abgesondert wird, Schmutz, Pflanzenreste etc. Durch eine Vorwäsche werden die löslichen Bestandteile des Wollschweißes entfernt, dann folgt die Entfettung durch Waschen mit gesamtem Urin, Seife, Soda etc., am besten in einer Maschine, die die Wolle nur in einer Längsrichtung fortbewegt und dadurch das Verfilzen vermeidet. Da Alkalien die Wollfaser angreifen, müssen sie sehr schonend angewendet werden. Die ausgedehnteste Verwendung findet die Seife, in neuester Zeit auch Schwefelkohlenstoff, Ligroin etc. Beim Spinnen wird die Wolle mit Olivenöl oder Baumwollsamenöl eingefettet und deshalb das Garn auf einer Garnwaschmaschine mit Seife gewaschen. Zum Waschen von Geweben dient eine Strang- oder Breitwaschmaschine. Zum B. benutzt man gasförmige schweflige Säure. Diese zerstört aber die Farbstoffe nicht, sondern bildet mit ihnen farblose Verbindungen, durch deren allmähliche Zersetzung die Wolle wieder vergilbt. Man läßt das Gas 6–8 Stunden auf die feuchte Wolle einwirken und spült dann gründlich. Ein gelblicher Ton wird durch Indigkarmin, Methylviolett etc. verdeckt. Auch wässerige schweflige Säure, Natrium- und Wasserstoffsuperoxyd werden zum B. von Wolle benutzt.
Seide wird durch Behandeln in einem Kalifeisenbad bei 95° entbastet und in verdünnter Sodalösung gespült. Zum Weißkochen wird sie in Seifenlösung (10 Proz. Seife vom Gewichte der Seide) gekocht, mit Sodalösung, dann mit Wasser gewaschen, mit gasförmiger schwefliger Säure oder Wasserstoffsuperoxyd gebleicht u. gespült. Der Gewichtsverlust beträgt bei vollständigem B. (Entschälen) 25–30 Proz. Souples und Ecrus sind unvollständig entschälte Seiden.
Roß-, Kuh- und Kälberhaare werden ähnlich wie Wolle gebleicht, auch Holz kann nur mit schwefliger Säure gebleicht werden. Elfenbein bleicht man in einer Mischung von Terpentinöl und Alkohol, welche in einer höchstens zur Hälfte gefüllten Flasche einige Tage an der Sonne gestanden hat. Über B. von Fetten, Ölen, Wachs s. die betr. Artikel.
Die Rasenbleiche ist ein sehr altes Verfahren, das um die Mitte des 18. Jahrh. in Holland, Böhmen, Schlesien etc. sehr vollkommen ausgeübt wurde. Berthollet lehrte 1785 das fabrikmäßige B. mit Chlorwasser, das aber überall Opposition fand. 1792 entdeckte Berthollet das Chlorkali, das mit viel weniger Unbequemlichkeit gehandhabt werden kann als Chlorwasser; aber seine Entdeckung wurde durch die des Chlorkalkes 1798 durch Tennant in Glasgow überholt. Durch unvorsichtige Anwendung geriet die Chlorbleiche in großen Mißkredit, und erst als die Prozesse mit mehr Behutsamkeit ausgeführt wurden, gewann die neue Bleichmethode festen Fuß, zunächst in Anwendung auf Baumwollenstoffe, viel später für Leinwand. Die wesentlichste Förderung erfuhr der Bleichprozeß zugleich durch die Einführung von Maschinen. Das B. mit übermangansaurem Kali wurde 1866 von Tessié du Motay und Maréchal erfunden. Vgl. Romen, Bleicherei, Färberei und Appretur der Baumwoll- und Leinenwaren (Berl. 1879–86, 2 Bde.); Stein, Bleicherei etc. der baumwollenen Gewebe (Braunschw. 1884); Trey, Anlage, Konstruktion und Einrichtung von Bleicherei- und Färbereilokalitäten (Berl. 1889); Herzfeld, Das Färben und B. von Baumwolle, Wolle, Seide, Jute, Leinen etc. im unversponnenen Zustand (das. 1889–93, 3 Tle.; 1. Teil in 2. Aufl. 1900); Derselbe, Die moderne Baumwoll-Stückbleicherei (Frankf. 1895); Joclet, Vollständiges Handbuch der Bleichkunst (2. Aufl., Wien 1895); Hummel, Färberei u. Bleicherei (deutsch von Knecht, 2. Aufl., Berl. 1891); Steinbeck, B. und Färben der Seide und Halbseide (das. 1895); Schoop, Elektrische Bleicherei (Stuttg. 1900); Hölbling, Die Fabrikation der Bleichmaterialien (Berl. 1902).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.