- Wolf [2]
Wolf (Canis Lupus L., s. Tafel »Raubtiere III«, Fig. 3), Raubtier aus der Gattung Hund (Canis), 1,15 lang, mit 45 cm langem Schwanz, etwa 85 cm hoch, mit hagerm Leib, breiter, gestreckter, spitziger Schnauze, breiten, spitzen, aufrechten Ohren, ziemlich hohen, dürren Beinen, lang herabhängendem, langhaarigem Schwanz und einer Schwanzdrüse (Violdrüse). Der Pelz ist gewöhnlich fahl graugelb mit schwärzlicher Mischung, unterseits und an der Stirn heller, oft weißlichgrau, an der Schnauze gelblichgrau mit Schwarz gemischt, an den Wangen gelblich. Im Sommer ist die Färbung mehr rötlich, im Winter mehr gelblich, in nördlichen Ländern mehr ins Weiße geneigt, in südlichen mehr schwärzlich. Gebirgswölfe sind meist groß und stark, die Wölfe der Ebene kleiner und schwächer, aber nicht weniger raublustig. Gegen früher weit zurückgedrängt, findet sich der W. noch in fast ganz Europa; er ist in Nord- und Mitteldeutschland und in England ausgerottet, dagegen in Ungarn, Galizien, Kroatien, Krain, Serbien, Bosnien, Rumänien, Polen, Rußland, Skandinavien noch häufig. Er findet sich auch in den Atlasländern, in Nordost- und Mittelasien und in Nordamerika. Einzelne Wölfe verlaufen sich jährlich aus Rußland, Frankreich und Belgien nach Ost- und Westpreußen, Posen, den Rheinlanden und Oberschlesien. Der W. bewohnt dichte Wälder, in Mitteleuropa nur die der Hochgebirge, im Süden die Steppe, in Spanien auch Getreidefelder, schweift weit umher, oft 50–70 km in einer Nacht, lebt im Frühjahr und Sommer einzeln, zu zweien oder dreien, im Herbst in Familien, im Winter in zahlreichen Meuten. Nur in einsamen Wäldern zeigt er sich bei Tage, in bevölkerten Gegenden wird er meist erst in der Dämmerung rege. Er jagt Säugetiere, auch seinesgleichen, Vögel und allerlei Kleingetier, frißt aber auch Aas und Pflanzenstoffe, namentlich Obst. Im Herbst und Winter nähert er sich den Ortschaften, durchläuft Dörfer und Städte, überfällt das weidende Vieh und wagt sich in Meuten auch an Pferde und Rinder. Dabei würgt er viel mehr, als er fressen kann, und wird dadurch, namentlich im Winter, zur Geißel für Hirten und Jagdbesitzer. Den Menschen vermeidet er soviel wie möglich; ein Weib oder Kind greift er wohl an, aber an den Mann gehen in der Regel nur vom Hunger gepeinigte Meuten. Solange er nicht Hunger fühlt, ist er feig und furchtsam; vom Hunger gestachelt, wird er aber mutig, tollkühn und trotzt dann jedem Schreckmittel. Der W. erreicht ein Alter von 12–15 Jahren. Die Ranzzeit währt von Ende Dezember bis Mitte Februar. Das Weibchen wirft nach einer Tragzeit von 63–64 Tagen an einem geschützten Platze im Walde 3–9, gewöhnlich 4–6 Junge, die 21 Tage blind bleiben, sich ganz wie junge Hunde benehmen, bei Gefahr von der Mutter verschleppt werden und im dritten Jahr fortpflanzungsfähig sind. Mit dem Hund erzeugt der W. fruchtbare Bastarde, die in der Regel mehr dem W. als dem Hunde gleichen. Jung aufgezogene Wölfe werden sehr zahm und zeigen große Anhänglichkeit an den Herrn. Die Spur des Wolfes hat Ähnlichkeit mit der eines großen Hundes, ist aber länger. Außerdem schnürt der W. beim Traben genauer als dieser. Man erlegt den W. auf Treibjagen am sichersten, nachdem er vorher bei einer Neue fest eingespürt ist, und verlappt, wenn man Jagdzeug zu Verfügung hat, den Distrikt, in dem er steckt, da er die Lappen sehr gut respektiert. Außerdem wird er auf der Schießhütte, durch Luder angekirrt, geschossen, auch im Tellereisen sowie im Schwanenhals und in Fallgruben gefangen. In den russischen Steppen wird er vielfach mit starken Windhunden (Barsoi) gehetzt. Die meisten Wölfe werden gegenwärtig mit Strychnin vergiftet, indem man ein getötetes Schaf damit imprägniert und auf die bekannten Wechselstellen der Wölfe wirft. Man jagt den W. überall, um ihn zu vertilgen, aber auch des Pelzes halber (s. Wolfsfelle). Die Haut wird auch gegerbt und zu Handschuhen, Pauken- und Trommelfellen benutzt. Das grobe Fleisch, das selbst der Hund verschmäht, essen Kalmücken und Tungusen. – Den Alten war der W. wohl bekannt, man sprach von ungeheuerlichen oder gespenstischen Eigenschaften des Tieres. Dem Apollon waren W. und Rabe heilig. In der deutschen Mythologie werden dem Siegesgott zwei Wölfe und zwei Raben beigelegt, die als streitlustige, tapfere Tiere dem Kampfe folgen und sich auf die gefallenen Leichen stürzen. Loki verfolgte in Wolfsgestalt den Mond und drohte ihn zu verschlingen. Verschiedene Teile des Wolfes galten als heilkräftig. Schuhe aus Wolfsfell lassen die Kinder zu tapfern Männern erwachsen. Gewöhnlich zeigt sich der W. der Sage diabolisch, bald falsch und boshaft, bald als ein Narr. Die Nacht und der Winter sind die Zeit des Wolfes; geächtete Verbrecher trugen nach der Sage des Mittelalters ein caput lupinum. Der W. Ysengrin der Mythe besitzt viel von der diabolischen Verschlagenheit des Fuchses. Bastardsöhne des mythischen Wolfes leben in der bürgerlichen Gesellschaft, behalten aber ihre Wolfsgewohnheiten bei (vgl. Werwolf). Indischer W., s. Schakal. Roter W., s. Mähnenwolf.-Schwarzer W., Spinne, s. Malmignatte.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.