- Vatikān
Vatikān, Palast des Papstes in Rom, auf dem Monte Vaticano (Vaticanus mons, bis 62 m ü. M.), im nordwestlichen Stadtteil, dem Borgo (oder Città Leonina), auf dem rechten Tiberufer gelegen (vgl. den Plan von Rom, Bd. 17). Die erste Anlage des Vatikans soll unter Papst Symmachus zu Anfang des 6. Jahrh. entstanden sein. Eugen III. (1150), Cölestin III. und Innozenz III. erweiterten den Palast, der während des »avignonesischen Exils« der Päpste verfiel. Erst nach ihrer Rückkehr (1378) wurde er päpstliche Residenz (bis 1308 war es der Lateran) und fortdauernd vergrößert, namentlich durch Nikolaus V. (1450), der unter anderm die Bibliothek, die Stanze, die Borgiagemächer errichtete, Sixtus IV. (Sixtinische Kapelle, 1473–81), Innozenz VIII. (Belvedere, 1486–92), Alexander VI. (Borgiaturm), Julius II. (Bramantes Loggien und Belvederehof), Paul III. (Cappella Paolina, 1540), Sixtus V. (jetzige Bibliothek), Clemens VIII. (neue Papstwohnung am Damasushof), Urban VIII. (Berninis Scala Regia), Pius VI. (Museumsäle beim Belvedere), Pius VII. (Braccio Nuovo), Pius IX. (Prachttreppe zum Damasushof). Der V. bildet infolgedessen einen sehr unregelmäßigen Baukomplex von ca. 55,000 qm Fläche, der in verschiedenem Niveau nördlich vom Petersplatz und der Peterskirche am Abhang des Monte Vaticano aufsteigt, dessen Rücken der päpstliche Garten bedeckt, nördlich und westlich von der Stadtmauer begrenzt. Er zählt 20 Höfe, über 200 Treppen und einige tausend Räume. Der Haupteingang ist bei dem von der Schweizergarde bewachten Bronzeportal am Petersplatz. Von hier gelangt man über die prächtige marmorne Scala Pia zum Damasushof und dem päpstlichen Wohnpalast, über, die perspektivisch sich verkürzende Scala Regia (von Bernini) zur Sixtinischen Kapelle (s. d.), der Sala Regia (von Antonio da Sangallo dem Jüngern angelegt, 1573 vollendet) und der Paulinischen Kapelle (gleichfalls von Sangallo, mit Fresken Michelangelos). Im zweiten Stockwerk liegen die Stanzen, vier Säle, die Raffael im Auftrag Julius' II. und Leos X. 1508–20 mit herrlichen Fresken schmückte (s. Raffael, S. 567), daneben die Kapelle San Lorenzo (von Nikolaus V. erbaut und 1447–1450 von Fiesole mit Fresken geschmückt) und die Loggien von Raffael, mit den reizendsten Ornamenten (nach antiken Vorbildern) und mit biblischen Szenen bemalt. Die vatikanische Gemäldesammlung ist von Pius VII. begründet. Die hochberühmten Antikensammlungen des Vatikans, die bedeutendsten der Welt, umfassen das Museo Pio-Clementino, das Museo Chiaramonti und den Braccio Nuovo, die Galleria dei Candelabri, die Galleria Lapidaria (mit Inschriften und Grabsteinen), das ägyptische Museum, das etruskische Museum (mit Vasen, Terrakotten, Bronzearbeiten, Goldschmuck etc.). In der Sammlung der Wandteppiche sind solche nach Raffaels Zeichnungen (1515). Vgl. Helbig, Die vatikanische Skulpturensammlung etc. (2. Aufl., Leipz. 1899); Amelung, Die Skulpturen des vatikanischen Museums (Berl. 1903, Bd. 1). Die vatikanische Bibliothek, wegen der Zahl, Wichtigkeit und Seltenheit der Handschriften die bedeutendste Sammlung in Europa, hauptsächlich von Sixtus IV. begründet, später durch die Heidelberger Bibliothek, die Bibliothek der Königin Christine von Schweden etc. vermehrt, umfaßt 50,000 Manuskripte und 300,000 Bände. Vgl. Müntz und Fabre, La bibliothèque du Vatican an 15. siècle (Par. 1887); Müntz, La bibliothèque du Vatican an 16. siècle (das. 1886); de Rossi, La biblioteca della sede apostolica (Rom 1884). In den Räumen der Bibliothek befindet sich das Profanmuseum mit Kunstgegenständen aller Art. Das vatikanische Archiv (in 25 Gemächern neben dem großen Bibliotheksaal) enthält alle den Heiligen Stuhl und die Kirchenregierung betreffenden Dokumente, namentlich viele Tausende von päpstlichen Registerbüchern seit Innozenz III. (seine Benutzung ist 1881 von Leo XIII. freigegeben worden; vgl. Löwenfeld, Zur Geschichte des päpstlichen Archivs, im »Historischen Taschenbuch«,6. Folge, Bd. 5 u. 6, Leipz. 1886–87), das Museo Cristiano (Funde aus den Katakomben) und eine Münzsammlung. Der V. enthält ferner die päpstliche Mosaikfabrik, die päpstliche Münze und eine Waffensammlung. An den Palast schließen sich die vatikanischen Gärten an. Vgl. Letarouilly, Le Vatican et la Basilique de Saint-Pierre de Rome (mit 264 Tafeln, Par. 1878–82); Goyau, Pératé und Fabre, Le Vatican (das. 1901, 2 Bde.; deutsch, Einsiedeln 1898); Baumgarten, Der Papst (Münch. 1905).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.