- Tertiärformation
Tertiärformation (hierzu die Tafeln »Tertiärformation I-III« mit Text), in der Geologie Schichtensystem, jünger als die sogen. primären und sekundären Formationen und speziell jünger als die Kreideformation und älter als das Diluvium. Zusammen mit der Quartärformation (oder dem sogen. Posttertiär), die sich in das Diluvium und das noch jüngere Alluvium gliedert, bildet die T. oder das Tertiär (Name von G. Arduino, 1760) die känozoische Formationsgruppe. Charakteristisch für die Tertiärbildungen ist die scharfe Ausbildung der Klimazonenunterschiede, die sich besonders in der Beschaffenheit der Tier- und Pflanzenwelt äußert und in den vorausgehenden Formationen in gleichem Maße nicht vorhanden war. Eigentümlich ist ferner das Zurücktreten oder vollkommene Verschwinden vieler tierischer und pflanzlicher Formen, die noch dem mesozoischen Zeitalter einen fremdartigen, von der heutigen Schöpfung wesentlich verschiedenen Charakter ausprägten, und das Auftreten und Vorwalten von Pflanzen und Tieren, die den jetzt lebenden näherstehen. Die meisten Vorkommnisse der T. sind auf einzelne, voneinander isolierte Becken beschränkt, und nur von älterm Tertiärmaterial finden sich zusammenhängende, über weite Strecken ununterbrochen verbreitete Ablagerungen. In den isolierten Becken wechseln Schichten, in denen Meeresformen aufgehäuft sind, mit solchen, die brakkische Formen oder Süßwasser- und Landorganismen führen, oft in mehrfacher Folge. Einige dieser Eigentümlichkeiten der T., namentlich die zuletzt. erwähnten, erschweren die Parallelisierung und Etagierung der Schichten sehr bedeutend. Deshayes hatte gefunden, daß in den ältesten Schichten der T. etwa 97 Proz. aller Mollusken Arten angehören, die sich in unsrer heutigen Schöpfung nicht mehr vorfinden, daß dieser Prozentsatz für die mittlere T. auf etwa 81 sinkt und in den jüngsten Schichten nur noch 48 beträgt, so daß in diesen die Mehrzahl der Versteinerungen sich den Arten der Jetztwelt unterordnen läßt. Lyell fixierte 1832 diese drei Stufen als Eocän, Miocän und Pliocän. Neuere Untersuchungen haben zwar diese Zahlen wesentlich korrigiert, im allgemeinen aber doch die Zunahme noch lebender Formen in den jüngern Schichten bestätigt; ja, bei der Vereinzelung vieler tertiärer Ablagerungen bildet dieses prozentige Verhältnis zwischen noch lebenden und schon ausgestorbenen Arten oft die einzige Unterlage für die relative Altersbestimmung. Dagegen hat sich der Sprung vom Eocän zum Miocän als zu groß, dem Intervall zwischen Miocän und Pliocän nicht gleichwertig herausgestellt, weshalb Beyrich (1854) zwischen Eocän und Miocän noch Oligocän einschob. Eine ursprünglich von Mayer herrührende, von andern mannigfaltig geänderte Einteilung der Tertiärschichten unterscheidet zwölf Stufen, die nach hervorragenden Lokalitäten ihres Vorkommens benannt werden. Von ihnen gehören an dem
Mayers Originalbezeichnungen sind französisch. z. B. Tongrien, Mayencien, Helvetien etc. Dagegen trennt Hörnes die T. in nur zwei Abteilungen: das Alttertiär (Paläogen) und das Neutertiär (Neogen), von denen das erstere Eocän und Oligocän, das letztere Miocän und Pliocän umfaßt. Die »Übersicht der geologischen Formationen« (s. Geologische Formation) gibt einen Katalog aller wichtigen Tertiärablagerungen, während im folgenden nur einige in geographischer Anordnung besprochen werden sollen.
Zu den ältesten Bildungen der T. gehören die untersten Schichten des Paris-Londoner Beckens, das schon während der Eocänperiode einer wiederholten Ausfüßung unterlag, was sich in dem Wechsel der Versteinerungen deutlich ausspricht. Oft genannt werden die Pariser Grobkalke (Calcaire grossier), reich an Tierresten, von denen die Tafel I Korallen (Turbinolia sulcata, Fig. 3), Schnecken (Cerithium hexagonum, Fig. 11) und Zweischaler (Crassatella ponderosa, Fig. 14), die Tafel II Fischzähne (Carcharodon heterodon, Fig. 6, und Otodus obliquus, Fig. 5) darstellt. Etwas älter ist der Sand von Cuise und der London ton (London clay), dem die Kauplatte eines Rochens (Myliobatis punctatus, Tafel II, Fig. 2) entstammt; noch älter (paleocän) sind die Thanettone und -Sande, jünger die plastischen Tone von Barton und Beauchamp, aus denen als Repräsentanten von Süßwasserschnecken Lymnaeus pyramidalis u. Planorbis enomphalus abgebildet sind (Tafel I, Fig. 10 u. 5). Die jüngern Schichten des Beckens fallen dem Oligocän zu, so namentlich der Gips des Montmartre (Paläotherienschichten), an dessen reiche Reste (Palaeotherium, Anoplotherium commune, Tafel III, Fig. 12 u. 5) sich die berühmten Untersuchungen Cuviers anknüpften, sowie der Sandstein von Fontainebleau. An der Grenze zwischen Oligocön und Miocän stehen die Süßwasserkalke von Beauce, und ungefähr gleichalterig sind die Indusienkalke der Auvergne, Kalke, durchspickt mit Phryganeenhülfen (Indusien, Tafel II, Fig. 4), die aus kleinen zusammengekitteten Konchylien bestehen. Noch jünger sind die Faluns der Touraine und der Bretagne, muschelreiche Sande und Mergel, aus denen Tafel I, Fig. 4, einen Seestern (Scutella striata) abbildet, sowie ähnliche Schichten am Bolderberg bei Hasselt, bei Diest in Belgien (Bolderien und Diestien). In England sind außerdem pliocäne Schichten vertreten, der sogen. Crag, der sich in mehrere Etagen (Red crag, Norwich crag etc.) gliedern läßt.
Eine rein marine Fazies des Untertertiärs bilden die weitverbreiteten Nummulitenschichten, eine aus Kalksteinen, Sandsteinen und Schiefern bestehende Ablagerung, von der die ältesten Schichten etwa dem Pariser Grobkalk, die jüngsten der untern Abteilung des Oligocäns entsprechen. Die Kalksteine bestehen mitunter wesentlich aus großen Foraminiferen (Nummuliten, s. Tafel I, Fig. 1 u. 2, und untenstehende Abbildung); die mit dem Kalk zuweilen wechselnden Sandsteine und Schiefer (Flysch und Macigno, s. übrigens auch Kreideformation) führen Fucus-Arten.
Besonders ausgezeichnet sind die Nummulitenschichten durch ihre vertikale Mächtigkeit und ihre große horizontale Erstreckung. In den Ländern am Mittelmeere beginnend, beteiligen sich Nummulitengesteine an der Zusammensetzung der Pyrenäen, Alpen, Apenninen und Karpathen, durchziehen Kleinasien, sind im Himalaja und in Indien vertreten und von Java, Sumatra, Borneo, den Philippinen, ebenso aus Nordafrika (Ägypten und Libysche Wüste) bekannt. In verschiedenen Niveaus führen sie fischreiche Schichten, so in einem tiefern, am Monte Bolca in Norditalien (s. Rhombus minimus auf Tafel II, Fig. 1), mit denen auch die Basalttuffe von Ronca fast gleichalterig sind, in einem höhern ein schwarzes, den alten Tonschiefern oder Dachschiefern vollkommen gleichendes Gestein, den Fischschiefer von Glarus (Glarner Schiefer), in noch höherm Niveau (Ungarn) solche mit dem Knochenfisch Meletta crenata. An einzelnen Stellen, so in Bayern, werden die Nummulitengesteine glaukonitisch und gehen in oolithische Eisenerze über, die z. B. bei Sonthofen und am Kressenberge gewonnen werden; an andern Orten in den Alpen (Häring) finden sich kohleführende Schichten. Ungefähr gleichalterig, teils eocän, teils bereits oligocän oder gar miocän, sind die besonders für Württemberg und die Schweiz wichtigen Bohnerze, die kleine Becken oder Ausfüllungen von schlotähnlichen Vertiefungen in Jurakalken bilden, denen sie wegen dieser lokalen Verknüpfung lange beigezählt wurden, während ihre Reste (Säugetierknochen und Zähne) sie der T. zuweisen. Auf die eocäne und unteroligocäne, aus Nummulitenschichten und Flysch bestehende Schichtenreihe der Alpen folgt eine Ablagerung von meist feinern, lockern Sandsteinen und Konglomeraten, die man in der Schweiz und in Oberschwaben, wo sie typisch entwickelt ist, als Molasse bezeichnet. Früher hatte man eine Molasseformation annehmen zu dürfen geglaubt; indessen gehören die Schichten verschiedenen Stufen des Oligocäns und des Miocäns an und bergen teils meerische (Meeresmolasse), teils Süßwasserformen (Süßwassermolasse). Aus der miocänen obern Meeresmolasse (grauen Molasse) bildet die Tafel II die Haifischzähne von Lamna cuspidata, Fig. 3, und Notidanus, Fig. 6, b) ab. Der untern oder roten Süßwassermolasse (aquitanische Stufe), die z. B. am Rigi als bunter roter Mergel und Sandstein entwickelt ist und hier auch grobepolygene Konglomerate, sogen. Nagelfluh (s. d.), einschließt, gehören die Braunkohlen von Miesbach und am Peißenberg in Südbayern, im Kanton Waadt etc. an; der obern Süßwassermolasse, dem obern Miocän (Tortonische Stufe), werden die Plattenkalke von Öningen in Oberbaden zugerechnet, die einen ganz außerordentlichen Reichtum an pflanzlichen und tierischen Formen enthalten, unter den letztern jenen Riesensalamander (Andrias Scheuchzeri, Tafel II, Fig. 9), den Scheuchzer 1732 als Homo diluvii testis beschrieb. Die Schichten, die im W. Deutschlands das zuerst. ein marine, später aber sich allmählich aussüßende Mainzer Becken auf beiden Seiten des Rheins, mainaufwärts bis Aschaffenburg, nördlich zwischen Taunus und Vogelsberg bis gegen Gießen, bilden, sind teils Oligocän, teils Miocän. Zu ersterm zählen unter anderm die unteroligocänen Petrolsandmergel von Pechelbronn u. a. O. im Elsaß, die Asphaltkalke von Lobsann im Unterelsaß, ferner die mitteloligocänen Meeressande von Weinheim, Alzey etc., unter deren Resten namentlich die einer Meeressirene (Halitherium Schinzi, Tafel III, Fig. 2) bemerkenswert sind, die Septarien- oder Rupeltone mit Resten der Muschel Leda Deshayesiana (Tafel I, Fig. 15), die oberoligocänen Cyrenenmergel, so benannt nach den zahlreichen Schalen der Muschel Cyrena semistriata (Tafel I, Fig. 12), die Cerithienschichten, bald kalkig, bald sandig ausgebildet und oft reich an Schneckengehäusen von Cerithium plicatum (Tafel I, Fig. 16), und die lokal (bei Hochheim etc.) entwickelten Landschneckenkalke. Dem Miocän werden Tone, Sande, Mergel und Kalke, in ihrer untern Abteilung (Corbiculaschichten) oft ganz erfüllt von Schalen der Muschel Corbicula Faujasi, in ihrer obern Abteilung (Litorinellen- oder Hydrobienkalk) reich an Gehäusen der kleinen Schnecke Litorinella (Hydrobia) acuta (Tafel I, Fig. 6) und an Schalen der Muschel Dreissena Brardi (Tafel I, Fig. 13) und Sandsteine mit Pflanzenabdrücken, sogen. Blättersandsteine (z. B. von Münzenberg in Hessen), beigerechnet. Als pliocän gelten dann die Eppelsheimer Sande (Dinotheriensand, Knochensand), die viele Säugetierreste, unter ihnen auch die auf Tafel III, Fig. 1 u. 6, abgebildeten von Rhinoceros incisivus und Dinotherium giganteum, enthalten. Von dem großen Wiener Becken, das sich über Niederösterreich, Ungarn, einen Teil von Böhmen und Mähren erstreckt, sind höchstens die ältesten, reinmarinen Schichten (die sogen. Horner Schichten) dem Oligocän beizuzählen; das Gros der allmählich sich immer mehr aussüßenden Bildungen gehört dem Miocän und dem Pliocän an. Lokale Benennungen sind, von unten nach oben geordnet: a) der Leithakalk (Nulliporenkalk), ein fast nur aus Versteinerungen, zumal von Mollusken (unter diesen auch Pleurotoma cataphracta, Pectunculus pilosus, Tafel I, Fig. 9 u. 18), bestehender konglomeratischer Kalk, und der Tegel, ein kalkhaltiger Ton (nach seiner Verbreitung bei Baden unfern Wien auch Badener Tegel genannt), beide wohl parallele Fazies ein und derselben Bildungsperiode (Mediterranstufe), b) Cerithienschichten (sogen. Sarmatische Stufe, noch miocän), c) Congerienschichten, mit zahlreichen Einschlüssen von Congerien, zumal Congeria subglobosa (Tafel I, Fig. 17 u. 19), und Melanopsiden, z. B. Melanopsis Heldreichi und Martiniana (Tafel I, Fig. 7 u. 8), d) oberer Tegel und e) Belvedereschichten (c, d und e bilden die Pontische Stufe, pilocän). Gleichalterig den miocänen Ablagerungen sind die wichtigen Steinsalzablagerungen in Galizien (Wieliczka, Kalusz), Ungarn, Siebenbürgen, Südrußland, in Persien und Sizilien, von denen Wieliczka jährlich gegen 11/2 Mill. Ztr. Steinsalz liefert. In Norddeutschland (Kassel, Bünde bei Osnabrück, Egeln bei Magdeburg, in der Mark etc.) sind zahlreiche Tertiärbildungen bekannt, durch Bedeckung seitens jüngerer Schichten in eine große Anzahl kleiner Becken geteilt und meist dem Oligocän angehörig. Als technisch wichtiges Produkt führen diese Schichten Braunkohlen (s. d.), die teils dem Unteroligocän (z. B. bei Halle, Zeitz, Helmstedt etc.), teils dem Miocän (in der Mark, Lausitz, in Pommern, Mecklenburg, im Habichtswald etc.) angehören und in ersterm Fall älter (oder gleichalterig), in letzterm Falle jünger als die Bernstein (s. Text hinter Tafel III) führenden Schichten des Samlandes sind. Zwischen diesen kohleführenden Schichten sind, abgesehen von dem mitteloligocänen marinen Septarienton, auch noch andre marine Niveaus entwickelt, so die unteroligocänen Sande von Egeln und Latdorf, die oberoligocänen Sande und Mergel von Kassel, Bünde etc., die Glimmersande von Kottbus etc. und die kalligsandigen, versteinerungsreichen Konkretionen von Parchim in Mecklenburg, die nach ihrer Verbreitung bei Sternberg, im Diluvium auf sekundärer Lagerstätte, als Sternberger Kuchen bezeichnet werden. Etwa gleichalterig mit den miocänen Braunkohlen sind die marinen Sande und Tone von Sylt, Glückstadt, Lüneburg, Dingden, das muschelreiche sogen. Holsteiner Gestein; einer jüngern Stufe entsprechen die Posener Flammentone und die Polierschiefer- und Kieselgurablagerungen und Basalttuffe im Habichtswald und Vogelsberg. Italien besitzt außer den obenerwähnten alttertiären Gesteinen auch weit jüngere, besonders auf der Nordseite des Apennin typisch entwickelte Schichten, die als Subapenninenformation zusammengefaßt werden. Sie sind bis zu mehreren Hunderten von Metern mächtig und namentlich in der Gegend von Turin (Asti) und Parma (Castel Arquato) reich an Arten, die fast ausnahmslos mit noch lebenden mittelmeerischen oder tropischen identisch sind. Tafel II, Fig. 7, gibt einen Taschenkrebs (Cancer quadrilobatus) aus diesen Schichten. Auch jenseit des Ozeans, in Nordamerika, ebenso in Indien (s. Asien, S. 858), sind zahlreiche Tertiärbildungen bekannt, die reiche Funde, namentlich an höhern Tieren, geliefert haben. Auf Island, Spitzbergen, Grönland und Grinell-Land treten miocäne Braunkohlen auf, die einen Rückschluß auf das damals herrschende warme Klima gestatten. Über die Verbreitung der T. s. Tafel »Geologische Formationen VI«, über die Lagerung der T. Tafel »Geologische Formationen I u. II«, Fig. 3. Über Pflanzen- und Tierwelt, nutzbare Mineralien etc. s. den Text auf der Rückseite der Tafel III.
Vgl. Cuvier, Recherches sur les ossements fossiles, etc. (Par. 1812, letzte Ausg. 1836); Deshayes, Description des coquilles fossiles des environs de Paris (das. 1824–37, 3 Bde.); die Schriften von Heer: Über das Klima und die Vegetationsverhältnisse des Tertiärlandes (Winterthur 1860) und Flora fossilis arctica (Zürich u. Winterthur 1868–83, 7 Bde.); Hörnes und Reuß, Die fossilen Mollusken des Tertiärbeckens von Wien (Wien 1851–71); v. Könen, Das marine Mitteloligocän Norddeutschlands (Kassel 1869), Das norddeutsche Unteroligocän etc. (Berl. 1889 ff.) und Das Miocän Norddeutschlands (2 Tle., Marb. 1872 u. Stuttg. 1882); Berendt, Das Tertiär der Mark Brandenburg (Berl. 1885); Lepsius, Das Mainzer Becken (Darmst. 1883) und Geologie von Deutschland (Stuttg. 1887 ff.).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.