Stuttgart

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Stuttgart (hierzu der Stadtplan mit Registerblatt), Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Württemberg und des württemberg. Neckarkreises, bildet als Stadtdirektionsbezirk S. (mit der Vorstadt Berg, dem Stadtteil Kannstatt [s. d.], dem Vorort Gablenberg, dem Vorort Gaisburg [s. d.], der Karlsvorstadt Heslach, dem Stadtteil Ostheim, der Vorstadt Untertürkheim [s. d.] und dem Vorort Wangen [s. d.]) ein besonderes Oberamt, liegt im kesselförmig erweiterten Tale des hier überdeckten Nesenbachs, das 1 km von der Stadt in das Neckartal ausläuft, von Weinbergen, Gärten und Villen rings umgeben, im Zentrum 245 m ü. M., und wird durch die 1100 m lange Königs- und die sich an diese anschließende Marienstraße in die »obere« (im NW.) und die »untere Stadt« (im SO.) geteilt, von denen letztere auch die Altstadt in sich schließt. Außer den genannten Straßen sind die Neckar-, Olga-, Reinsburg-, Silberburg- und Rotebühlstraße, ferner die eine prächtige Aussicht auf die Stadt gewährende Hohenheimer Straße und Neue Weinsteige sowie unter den Plätzen der Schloßplatz, der Alte Schloßplatz, der Karlsplatz mit dem Reiterstandbild Kaiser Wilhelms I., die Planie, der Dorotheen-, der Bismarck-, der Hegel- und der Charlottenplatz, der Feuersee- und der Marktplatz hervorzuheben.

Wappen von Stuttgart.
Wappen von Stuttgart.

Den Schloßplatz zieren schöne Anlagen, inmitten deren sich die 34,09 m hohe, mit einer Konkordia gezierte Jubiläumssäule (1841 zur Feier des 25jährigen Regierungsjubiläums König Wilhelms I. errichtet) erhebt, auf dem Alten Schloßplatz steht das von Thorwaldsen modellierte Standbild Schillers. Von den öffentlichen Anlagen und Promenaden sind noch zu nennen: der Schloßgarten (mit der Danneckerschen Nymphengruppe, der Eberhardsgruppe von Paul Müller, der Hylasgruppe und den zwei Pferdebändigern von Hofer, s. Tafel »Bildhauerkunst XV«, Fig. 6), der sich bis in die Nähe von Kannstatt zieht, der Silberburggarten, die Planie mit den Denkmälern Bismarcks und Moltkes (Büsten, von Donndorf modelliert), der Stadtgarten, die Anlagen bei der Seidenstraße, am Bopfer die Neue Weinsteige etc. Von den zu gottesdienstlichen Zwecken bestimmten Gebäuden (18 evangelische, eine reformierte, 4 katholische und 7 protestantische Sektenkirchen, eine griechisch-kath. Kapelle, eine englische Kirche und eine Synagoge) sind hervorzuheben: die Stiftskirche (1436–1531 erbaut), mit zwei Türmen; die Leonhardskirche (1470 bis 1491 im gotischen Stil erbaut), vor ihr ein steinerner Kalvarienberg von großem Kunstwert; die Hospitalkirche (1471–93 erbaut), mit vielen Grabmälern, darunter das Reuchlins, und dem Modell der Christusstatue von Dannecker; die prachtvolle, 1865–76 im gotischen Stil von Leins ausgeführte Johanniskirche; die englische Kirche; die neue Garnisonkirche von Dollinger (1879) im romanischen Stil, die Friedens-, die Paulus- und die Matthäuskirche im gotischen Stil; die alte kath. Eberhards- und die von Egle 1873–79 erbaute kath. Marienkirche, die neue kath. Nikolauskirche, die Elisabethenkirche und die 1860 im maurischen Stil ausgeführte Synagoge. Von weltlichen Gebäuden sind zu nennen: das Neue Residenzschloß im französischen Renaissancestil (1746–1807 erbaut); das Alte Schloß, in dessen Hof sich das bronzene Reiterstandbild des Grafen Eberhard im Bart (von Hofer) befindet; das nach dem Brande von 1902 neuerbaute Hoftheater (Interimstheater); die sogen. Akademie, ein Nebenbau des Schlosses (früher Sitz der Karlsschule, jetzt die königliche Handbibliothek, den königlichen Leibstall, die Schloßwache etc. enthaltend); der im italienischen Stil erbaute Wilhelmspalast; das Kronprinzenpalais, im römischen Palaststil ausgeführt (gegenüber das Denkmal Danneckers); das Palais des (verstorbenen) Prinzen Hermann von Sachsen-Weimar; das Ständehaus; das Museum der bildenden Künste (1838–43 im italienischen Palaststil erbaut), mit der Reiterstatue des Königs Wilhelm, von Hofer; das Gebäude der königlichen Bibliothek; der Königsbau (1856–60 von Leins ausgeführt), mit Läden, der Börse und großen Sälen; der Königin Olga-Bau und das Hotel Marquardt, beide in monumentalem Stil gehalten, am Schloßplatz; das prächtige neue, in spätgotischem Stil erbaute, 1905 eingeweihte Rathaus; die Gebäude des Staatsarchivs und der Naturaliensammlungen; das Kanzleigebäude; das neue Justizgebäude; der Hauptbahnhof; das neue Postgebäude; das Museum; das Landesgewerbemuseum (großartiger Prachtbau von Neckelmann, 1896 eröffnet); die 1860–65 von Egle erbaute Technische Hochschule; die schöne, über den Neckar bei Kannstatt führende König Karlsbrücke etc Außer den bereits genannten hat S. noch Denkmäler vom Herzog Christoph, vom König Wilhelm im Hofe der Gemäldegalerie, König Karl und seiner Gemahlin Olga, von Mörike, Hauff, Haidlen, Gerok, Fr. List, Liszt, Robert Mayer und F. Th. Vischer sowie viele schöne Monumentalbrunnen. Denkmäler in Büstenform von Moser, Schwab, Uhland, Kerner etc. zieren die Ecken der gleichnamigen Straßen. Bemerkenswert sind auch die schön gelegenen Friedhöfe; auf dem großen Prag-Friedhof ein neugebautes Krematorium.

Die Zahl der Einwohner belief sich 1905 mit den eingemeindeten Orten und der Garnison (ein Grenadierregiment Nr. 119, ein Infanterieregiment Nr 125, ein Dragonerregiment Nr. 26 und eine Abteilung des Feldartillerieregiments Nr. 13) auf 249,286 Seelen (1805 erst 20,000,1870: 90,000 Einw.), davon 203,045 Evangelische, 40,024 Katholiken und 3895 Juden, bei der Berufszählung vom 12. Juni 1907 auf über 260,000. Die industrielle Tätigkeit ist nicht unbedeutend. Hervorragend sind besonders die Maschinenfabrikation, der Pianoforte- und Harmoniumbau sowie die polygraphischen Gewerbe. Außerdem hat S. noch bedeutende Farben-, Geldschrank-, Möbel-, Parkettboden-, Zigarren-, Chemikalien-, Wagen- und Reiseartikelfabrikation, Eisen- und Glockengießerei, Fabriken für Trikot- und Wollwaren, Baumwollen- und Wollenzeuge, Teppiche, Leder, Papier, Posamentier- und Kautschukwaren, Parfümerien, Bijouterie-, Glas-, Porzellan-, Gold- und Silberwaren, mechanische und optische Instrumente, Schokolade etc. Der bedeutende Handel wird unterstützt durch eine Handels- und Gewerbekammer, eine Börse, durch 27 Konsulate fremder Länder, eine Reichsbankhauptstelle (Umsatz 1906: 3551 Mill. Mk.), die königliche Hofbank, Württembergische Notenbank, Württembergische Bankanstalt, Württembergische Landesbank, Württembergische Vereinsbank, Württembergische Hypothekenbank und durch den Württembergischen Kreditverein, die Allgemeine Rentenanstalt und andre Geldinstitute, darunter die Stuttgarter Lebensversicherungsbank, die Württembergische Privatfeuerversicherung, der Allgemeine Deutsche Versicherungsverein und die Württembergische Landesversicherungsanstalt. Im Buchhandel ist S. nächst Leipzig der wichtigste Platz Deutschlands. Alljährlich findet hier eine Buchhändlermesse für Süddeutschland statt. Bekannt sind auch die Tuch-, Möbel- und Ledermesse sowie die dortigen Hopfen- und Pferdemärkte. Dem Verkehr in der Stadt dienen elektrische Straßenbahnen. Für den Eisenbahnverkehr ist S. mit fünf Bahnhöfen Knotenpunkt der Staatsbahnlinien Bretten-Friedrichshafen, Kannstatt-Nördlingen, S.-Hochdorf und der Filderbahn. Vorortbahnen sind in der Entstehung begriffen. An Bildungsanstalten und ähnlichen Instituten hat S. eine Technische Hochschule (Sommersemester 1907: 748 Studierende), eine tierärztliche Hochschule, eine Akademie der bildenden Künste, 3 Gymnasien, ein Realgymnasium, 4 Oberrealschulen, ein Mädchengymnasium, eine Baugewerke- und eine Kunstgewerbeschule, ein Konservatorium für Musik, eine höhere Handelsschule, eine Hebammenlehranstalt, eine Turnlehrerbildungsanstalt, ein höheres Lehrerinnenseminar, eine Blindenanstalt (Nikolauspflege) u. a. Unter den Sammlungen für Kunst und Wissenschaft ist die königliche Sammlung, bestehend aus einer Bibliothek (s. Tafel »Bibliotheksgebäude I, 6, u. III, 3«) von über 400,000 Bänden, Gemälde-, Skulpturen-, Antiken-, Münzen- und Naturaliensammlung, die wichtigste. Außerdem gehören hierher: die Sammlung vaterländischer Altertümer, die Gemäldesammlung des Museums der bildenden Künste und die des Württembergischen Kunstvereins, die permanente Kunstausstellung, die Sammlungen der Zentralstelle für Gewerbe und Handel im Landesgewerbemuseum, die Sammlung des Vereins für Handelsgeographie in der Gewerbehalle, der Zoologische Garten etc. An Wohltätigkeitsanstalten besitzt S. zehn große Spitäler, darunter das Bürgerhospital, das Katharinenhospital, die Diakonissenanstalt, die Olgaheilanstalt u. a., sodann die Paulinenhilfe (orthopädische Heilanstalt), ein Waisenhaus, eine Rettungsanstalt (Paulinenpflege) etc. sowie zahlreiche gemeinnützige Vereine. Groß ist die Zahl der in S. erscheinenden Zeitschriften und Zeitungen, darunter der Schwäbische Merkur (s. d.), das Neue Tagblatt, der demokratische »Beobachter«, das katholische Deutsche Volksblatt u. a. S. ist Geburtsort des Philosophen Hegel, des Architekten Heideloff, der Dichter Hauff, Schwab u. a.

Von Behörden haben in S. ihren Sitz: das Staatsministerium und sämtliche Zentralstellen des Landes, ein Oberlandes- und ein Landgericht, ein Oberbergamt und ein Bergamt, ein Hauptsteueramt und ein Hauptzollamt, das evangelische Konsistorium, der katholische Kirchenrat und die israelitische Oberkirchenbehörde, die Generaldirektion der Staatsbahnen und die der Posten und Telegraphen, die Oberrechnungskammer, das Statistische Landesamt, die Forstdirektion, eine Stadtdirektion, eine Münze (Münzzeichen F) etc.; ferner das Generalkommando des 13. Armeekorps, das Kommando der 26. Division, der 51. Infanterie- und der 26. Kavalleriebrigade. Die städtischen Behörden setzen sich zusammen aus 32 Gemeinderats- und 32 Bürgerausschußmitgliedern. Preußen, Bayern, Österreich-Ungarn und Rußland unterhalten in S. Gesandtschaften. – Zum Oberlandesgerichtsbezirk S. gehören die acht Landgerichte zu Ellwangen, Hall, Heilbronn, Ravensburg, Rottweil, S., Tübingen und Ulm; zum Landgerichtsbezirk S. die acht Amtsgerichte zu Böblingen, Eßlingen, Leonberg, Ludwigsburg, S. (Stadt), S.-Kannstatt, S. (Amt) und Waiblingen. – In der Umgebung der Stadt sind bemerkenswert: die am Ende des Schloßgartens liegende und zum Stadtbezirk gehörige gewerbreiche Vorstadt Berg mit königlicher Villa, die königlichen Lustschlösser Rosenstein und Wilhelma; gegenüber die 1905 einverleibte Stadt Kannstatt (s. d.); im Süden die Silberburg, der Gesellschaftsgarten des Museums; über derselben die 340 m hohe Reinsburg mit schönen Villen am Abhang; weiterhin die Uhlandshöhe, 354 m ü. M., mit Anlagen, einem Pavillon und der Uhlandslinde; ferner der Bopserbrunnen (Bopser 481 m ü. M.) und die Schillerhöhe, in deren Nähe das Dorf Degerloch; im SW. der Stadt das Jägerhaus mit Aussichtsturm, sämtlich mit schöner Aussicht; das Lustschloß Solitüde mit Wildpark; endlich die Feuerbacher Heide.

S., nach einem Gestütgarten oder Fohlenhof genannt, wird zuerst 1229 erwähnt, ging 1312 dem Grafen Eberhard verloren, wurde ihm aber 1316 zurückgegeben. Seitdem war S. hauptsächlichster Sitz der Grafen von Württemberg und wurde gegen Ende des 15. Jahrh. ihre dauernde Residenz, bis Herzog Eberhard Ludwig 1727 und nochmals Karl Eugen 1764 einige Zeit in Ludwigsburg Hof hielten. Bis 1822 stand S. unter einer eignen Regierung, seitdem sind Stadt und Bezirk mit dem Neckarkreis vereinigt und bilden als Stadtdirektion ein eignes Oberamt. Vom 6.–18. Juni 1849 hielt der Rest der deutschen Nationalversammlung, das sogen. Rumpfparlament, in S. seine Sitzungen. Im September 1857 fand hier eine Zusammenkunft zwischen Alexander I. von Rußland und Napoleon III. statt. Vgl. Pfaff, Geschichte der Stadt S. (Stuttg. 1845–47, 2 Bde.); Wochner, S. seit 25 Jahren (das. 1871); Seytter, Unser S., Geschichte, Sage und Kultur (das. 1903); »S. Führer durch die Stadt und ihre Bauten« (Festschrift, das. 1884); Hartmann, Chronik der Stadt S. (das. 1886); Sittard, Zur Geschichte der Musik und des Theaters am württembergischen Hof (das. 1890–91, 2 Bde.); Barth, Stuttgarter Handel etc. in alter Zeit (das. 1896); Bach, Stuttgarter Kunst 1794–1860 (das. 1900); Ströhmfeld, S. und Umgebung in Wort und Bild (das. 1902); Weinberg, Führer durch die Haupt- und Residenzstadt S. (das. 1906); »Chronik der Haupt- und Residenzstadt S.« (seit 1898 jährlich, hrsg. vom Gemeinderat).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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