Stanhope [3]

Stanhope [3]

Stanhope (spr. ßtännöp), 1) James, erster Graf von, engl. Staatsmann, aus der Familie der Grafen von Chesterfield stammend, geb. 1673, gest. 4. Febr. 1721, diente unter Wilhelm III. in Flandern und erwarb sich den Rang eines Obersten. Unter der Königin Anna ward er Mitglied des Parlaments und später Gesandter bei den Generalstaaten. Im Spanischen Erbfolgekrieg diente er unter General Peterborough in Spanien, eroberte 1708 als Generalmajor Port Mahon und die Insel Menorca, siegte, zum Oberbefehlshaber der englischen Truppen in Spanien befördert, im Sommer 1710 bei Almenara und Saragossa und führte den Erzherzog Karl nach Madrid, verzögerte dann aber den notwendigen Rückzug und wurde mit 6000 Mann bei Brihuega im Dezember d. J. gefangen und erst 1712 ausgewechselt. König Georg I. ernannte S. 1714 zum Staatssekretär und Mitglied des Geheimen Rates. 1716 begleitete S. den König von Hannover und entwarf mit dem Abbé Dubois, Abgesandten Frankreichs, die Präliminarien zu der Tripelallianz, die am 4. Jan. 1717 im Haag zwischen England, Frankreich und den Generalstaaten abgeschlossen wurde; er wurde dafür 1717 zum ersten Lord des Schatzes, Kanzler der Schatzkammer und Peer unter dem Titel Viscount S. von Mahon ernannt. 1718 vermittelte er die Quadrupelallianz und wurde hierauf zum Grafen von S. erhoben.

2) Charles, dritter Graf von, Enkel des vorigen, geb. 3. Aug. 1753 in Genf, gest. 15. Dez. 1816, löste im Alter von 18 Jahren eine Preisaufgabe der Akademie zu Stockholm über die Pendelschwingungen, trat 1780 ins Unterhaus, wo er der Opposition angehörte, und nach seines Vaters Tod 1786 ins Oberhaus. Die Ideen der französischen Revolution hatten in ihm einen begeisterten Vertreter. Als die Habeaskorpusakte suspendiert ward, blieb er aus dem Parlament weg und erschien erst 1800 wieder. S. erfand eine seinen Namen tragende eiserne Druckerpresse (s. Presse, S. 284), verbesserte die Stereotypie und schrieb mehrere Abhandlungen über Mathematik und Mechanik, die sich in den »Philosophical Transactions« finden. Sein Sohn Philip Henry, vierter Graf von S. (1781–1855), war der Gönner Kaspar Hausers (s. Hanser 2).

3) Lady Esther, Tochter des vorigen, geb. 12. März 1776 in London, gest. 23. Juni 1839, war von der Natur mit imposantem Äußern, scharfem Verstand und geistiger Energie ausgerüstet, erhielt aber keine geregelte Erziehung. Später leitete sie das Hauswesen ihres unverheirateten Oheims Pitt und führte dessen Briefwechsel. Nach Pitts Tod (1806) zog sie sich mit einem geringen mütterlichen Erbteil und einer Staatspension von 1200 Pfd. Sterl. nach Wales zurück. Nach mehrjährigen Reisen durch Griechenland und die Türkei beschloß sie, sich in Syrien eine neue Heimat zu gründen. Der Glanz, den sie um sich verbreitete, und ihr geheimnisvolles Wesen machten dort großen Eindruck. Anfangs wohnte sie in einem griechischen Kloster, später zu Dschihun unweit Sidon, mitten im Libanon. Die Syrer pflegten sie Königin von Tadmor, Zauberin von Dschihun und Sibylle des Libanon zu nennen und glaubten sie durch Verbindung mit der Geisterwelt im Besitz großer Schätze. Bei Ibrahim Paschas Einfall in Syrien spornte sie die Drusen zum Widerstand an und flößte jenem solche Achtung ein, daß er sie um Neutralität bat. Ein Haupthebel ihres Einflusses war ihre großartige Wohltätigkeit, bis sie später völlig verarmte. Nur von einigen treuen Arabern umgeben, starb sie in Dschihun. Man setzte sie in der Gruft zu Mar Elias bei. Ihr Arzt veröffentlichte: »Memoirs of the Lady Hesther S.« (Lond. 1845, 3 Bde.; neue Ausg. 1848; deutsch, Stuttg. 1846).

4) Philip Henry, Viscount Mahon, fünfter Graf von, engl. Geschichtschreiber, geb. 31. Jan. 1805 auf Walmer Castle, gest. 24. Dez. 1875, Enkel von S. 2), trat 1830 in das Parlament, wo er als strenger Tory die Reformbill heftig bekämpfte. Nach deren Annahme war er im Ministerium Peel-Wellington vom Dezember 1834 bis April 1835 Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt, ward im Juli 1845 Sekretär der indischen Kontrollbehörde, mußte aber beim Sturze des Ministeriums Peel im Juli 1846 zurücktreten und gehörte nun im Unterhaus zur Partei der Peeliten. 1855 trat er nach seines Vaters Tod ins Oberhaus, wirkte aber hauptsächlich in verschiedenen Kommissionen und gelehrten Gesellschaften, unter anderm als Präsident der Society of Antiquaries, als Lord-Rektor der Universität Aberdeen, als Vorstandsmitglied des Britischen Museums etc. Von seinen Schriften sind hervorzuheben: »Life of Belisarius« (Lond. 1829, 2. Aufl. 1848); »History of the war of the succession in Spain« (1834, neue Ausg. 1850); »History of England from the treaty of Utrecht to the peace of Aix-la-Chapelle« (1836, 2 Bde.; später fortgesetzt bis zum Frieden von Versailles, 5. Aufl. 1858, 7 Bde.; deutsch von Steger, Braunschw. 1855, 8 Bde.); »Life of the Great Condé« (1842, zuerst französisch geschrieben, englisch 1845; neue Ausg. 1848); »Life of William Pitt« (dem Jüngern, 1861–62, 4 Bde.; 4. Aufl. 1879, 3 Bde.); »History of England comprising the reign of Queen Anne« (1870; 4. Aufl. 1873, 2 Bde.); »Miscellanies« (1863, neue Folge 1872); »French retreat trom Moscow and historical essays« (1876); »Notes of conversation with the duke of Wellington« (1848); »Historical essays«, eine Auswahl seiner für die »Quarterly Review« gelieferten Artikel (Lond. 1848, neue Ausg. 1861). Er gab auch die »Letters of Philip Dormer Stanhope. Earl of Chesterfield« (neue Ausg., Lond. 1853, 5 Bde.) und »Memoirs by Sir Robert Peel« (das. 1856–57, 2 Bde.) heraus.

5) Edward, zweiter Sohn des vorigen, geb. 24. Sept. 1840 in London, gest. 21. Dez. 1893, erzogen in Harrow und Oxford, wurde 1865 Rechtsanwalt in London und 1874 als konservativer Abgeordneter ins Unterhaus gewählt. Er war 1875–78 Sekretär im Handelsamt, 1878–80 Unterstaatssekretär für Indien, Unterrichtsminister vom Juni bis August 1885, Präsident des Handelsamtes von da an bis zum Februar 1886. In Lord Salisburys zweitem Ministerium war er 1886–87 Kolonial- und 1887 bis 1892 Kriegsminister.


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