Registerwesen

Registerwesen

Registerwesen, alle auf die Eintragung und Führung von amtlichen Listen (Rollen, Verzeichnissen, Übersichten) bezüglichen Vorschriften. Die Offenkundigkeit gewisser Rechtsverhältnisse, die für den Rechtsverkehr von Bedeutung sind, ist teils zur Beförderung der Verkehrssicherheit, teils im öffentlichen Interesse geboten. Dieser Zweck soll durch das gerichtliche R. erreicht werden. In Deutschland hat das R. allmählich im Verhältnis zu andern Staaten einen sehr großen Umfang und ebensolche Bedeutung angenommen. Augenblicklich gibt es hier das Börsen-, Genossenschafts-, Güterrechts-, Handels-, Muster-, Schiffs- und Vereinsregister. Da alle diese Register dem öffentlichen Interesse dienen, werden sie auch öffentliche Register genannt. Diese Öffentlichkeit wird dadurch zur Geltung gebracht, daß die Einsicht in die Register während der gewöhnlichen Dienststunden jedem ohne Nachweis eines besondern Interesses gestattet ist, daß jedem das Recht zusteht, von den Eintragungen gegen Erstattung der Kosten Abschriften zu fordern, daß endlich auch mit Ausnahme des Schiffsregisters die Eintragungen in die Register teils ganz, teils im Auszuge in öffentlichen Blättern bekannt gemacht werden. Zu diesen öffentlichen Blättern muß, soweit das Börsen-, Genossenschafts-, Handels- und Musterregister in Betracht kommt, stets der »Deutsche Reichsanzeiger« gehören. Das gerichtliche R. ist reichsgesetzlich den Amtsgerichten (Registergericht) übertragen und gehört zu den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Der Vereinfachung halber wird vielfach bei dem Landgericht das Register für eine Reihe dorthin gehöriger Amtsgerichte geführt. Der Richter, der das R. unter sich hat, wird als Registerrichter bezeichnet, gleichviel ob er Amtsrichter oder Landgerichtsrat ist.

Die Eintragungen in die Register erfolgen grundsätzlich auf Antrag, ausnahmsweise von Amts wegen. Die Anmeldungen zu Eintragungen sind in der Regel entweder persönlich bei dem Gerichte, bez. zu Protokoll des Gerichtsschreibers des Registergerichts zu bewirken oder in öffentlich beglaubigter Form einzureichen. Ausnahmen s. § 123, 125 des Binnenschifffahrtsgesetzes vom 15. Juni 1895 und § 14 des Gesetzes, betr. das Flaggenrecht der Kauffahrteischiffe vom 22. Juni 1899, wonach Glaubhaftmachung der dem Registergericht anzuzeigenden Tatsachen und Rechtsverhältnisse genügt. Die Beglaubigung erfolgt außer durch die Notare durch die sonst zuständigen Behörden und Beamten und, soweit das Genossenschaftsregister in Frage kommt, in den Fällen der § 6 und 36, Absatz 1 der Bekanntmachung des Bundesrats zum Genossenschaftsregister vom 1. Juli 1899 und § 71, Absatz 2 des Genossenschaftsgesetzes durch den Gemeindevorsteher und die Polizeibehörde. Die Eintragungen haben teils deklaratorischen, teils konstitutiven Charakter. In ersterer Beziehung beweisen sie mi allgemeinen nur, daß von den Anmeldenden in gesetzlich vorgeschriebener Form gewisse Erklärungen abgegeben sind, so daß also die Eintragung nur die eingetragenen Rechtsverhältnisse beurkundet. In einzelnen im Gesetz bestimmten Fällen wird den eingetragenen Rechtsverhältnissen aber erst durch die Eintragung Rechtswirksamkeit verliehen (konstitutive Wirkung). So wird in den Fällen der § 2 und 3, Absatz 2 des Handelsgesetzbuches erst durch die Eintragung der Firma die Kaufmannseigenschaft erworben. So entstehen die Aktiengesellschaft, die Aktienkommanditgesellschaft, die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die eingetragene Genossenschaft, der eingetragene Verein erst durch die Eintragung. Die Beschlüsse der General-, bez. Mitgliederversammlung dieser Gesellschaften auf Statutenänderung erlangen erst durch die Eintragung Wirksamkeit. Die Wirkung der Eintragung besteht in der Regel darin, daß der Erklärende die eingetragene Tatsache gegen sich als wahr gelten zu lassen hat.

Aus der Bezeichnung der einzelnen Register ergibt sich auch im allgemeinen die Kategorie der Rechtsverhältnisse, denen sie dienen.

1) Das Börsenregister, das in je eins für Waren und Wertpapiere zerfällt, ist bestimmt zur Eintragung derjenigen physischen oder juristischen Personen und derjenigen Handelsgesellschaften, die sich beteiligen wollen an Börsenterminsgeschäften in Waren oder Wertpapieren, d. h. an Kauf- oder sonstigen Anschaffungsgeschäften auf eine fest bestimmte Lieferungszeit oder mit einer fest bestimmten Lieferungsfrist, wenn sie nach Geschäftsbedingungen geschlossen werden, die von dem Börsenvorstand für den Terminhandel festgesetzt sind, und wenn für die an der betreffenden Börse geschlossenen Geschäfte solcher Art eine amtliche Feststellung von Terminspreisen (§ 29 und 35 des Börsengesetzes vom 22. Juni 1896) erfolgt (§ 55 und 48 des zitierten Börsengesetzes).

2) In das Genossenschaftsregister können nur Gesellschaften von nicht geschlossener Mitgliederzahl eingetragen werden, die dem § 1 des Genossenschaftsgesetzes vom 1. Mai 1889 genügen, d. h. diejenigen, welche die Förderung des Erwerbes oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes bezwecken. Das Genossenschaftsregister dient vor allem dazu, diejenigen Rechtsverhältnisse einer eingetragenen Genossenschaft, die für deren kaufmännischen Verkehr von erheblichem Interesse sind, in möglichster Vollständigkeit und in zuverlässiger Weise zur öffentlichen Kenntnis zu bringen. Dahin gehört das Statut, die Mitglieder des Vorstandes (§ 10 des Genossenschaftsgesetzes), jede Änderung des Statuts (§ 16 G.-G), jede Änderung in der Zusammensetzung des Vorstandes sowie eine Beendigung der Vertretungsbefugnis von Mitgliedern desselben (§ 28 G.-G.), jede im Wege der Klage bewirkte Aufhebung eines Generalversammlungsbeschlusses, der bereits eingetragen war (§ 51 G.-G.), die Auflösung der Genossenschaft (§ 78–82,102 G.-G.), die Bestellung oder Änderung der Liquidatoren, bez. der Beendigung der Vertretungsbefugnis derselben (§ 84 G.-G.), die Herabsetzung der Haftsumme bei Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht (§ 133 G.-G.), die Zulassung mehrerer Geschäftsanteile bei Genossenschaften derselben Art oder Veränderungen nach dieser Richtung (§ 134 G.-G.), die Umwandlung einer bestehenden Genossenschaft in eine solche mit andrer Haftart (§ 143, 145 G.-G.).

3) Das Güterrechtsregister ist bestimmt für die im Bürgerlichen Gesetzbuch selbst vorgeschriebenen Eintragungen der güterrechtlichen Verhältnisse der Ehegatten. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch werden in dieses Register eingetragen: die Beschränkung oder Ausschließung der Schlüsselgewalt (§ 1357, Absatz 2 B. G.-B.) sowie die Aufhebung einer solchen Beschränkung oder Ausschließung oder Änderung der Verwaltung und Nutznießung des Mannes, die Aufhebung oder Änderung einer eingetragenen Regelung der güterrechtlichen Verhältnisse (§ 1371, 1431, 1435, 1441, 1470, 1526, 1545, 1548, 1549, 1587 B. G.-B., Artikel 16 des Einführungsgesetzes zum B. G.-B.), der Einspruch des Ehemannes gegen den Betrieb eines Erwerbsgeschäfts oder Handelsgeschäfts durch die Frau oder der Widerruf der Einwilligung sowie die Zurücknahme des Einspruchs oder Widerrufs (§ 1405, 1452, 1519, Absatz 2; 1525, Absatz 2; 1549 B. G.-B., Artikel 16; Artikel 36, Nr. 1 des Einführungsgesetzes zum B. G.-B.). Auch das gesetzliche Vorbehaltsgut (§ 1366, 1367 B. G.-B.) ist der Eintragung in das Güterrechtsregister unterworfen. Die Eintragungen in das Güterrechtsregister können richtiger Ansicht nach immer erst nach Eingehung der Ehe erfolgen.

4) Das Handelsregister dient zur Eintragung der Handelsfirmen, deren Träger ein Einzelkaufmann und zwar ein Vollkaufmann (Gegensatz: Minderkaufmann, § 4 des Handelsgesetzbuches) ist, der Rechtsverhältnisse der fünf Handelsgesellschaften im technischen Sinne, nämlich: der offenen Handelsgesellschaft, der Kommanditgesellschaft, der Aktiengesellschaft, der Kommanditgesellschaft auf Aktien und der Gesellschaft mit beschränkter Haftung, ferner der in den § 33, 36 des Handelsgesetzbuches bezeichneten juristischen Personen und endlich der Prokuren.

5) Durch das Musterregister soll der Urheber eines Musters oder Modells oder dessen Erben gegen Nachbildung dieses Musters oder Modells geschützt werden. Geschützt werden nur die sogen. Geschmacksmuster, d. h. diejenigen, denen in Zeichnung, Farbe, Raumverhältnissen eine eigentümliche Gestalt zum Zwecke der Befriedigung des Geschmacks oder des ästhetischen Gefühls gegeben ist, die als Vorbilder für die Form von Industrieerzeugnissen dienen. Voraussetzung dieser Geschmacksmuster und Modelle ist aber vor allem, daß sie neu und eigentümliche Erzeugnisse (Originale) sind. Ist das Vorbild für Flächenerzeugnisse bestimmt, so wird es als Muster bezeichnet; als Vorbild für plastische Erzeugnisse heißt es Modell. Die Schutzfrist beginnt mit der Anmeldung, event. mit der Hinterlegung des Musters oder Modells, falls die Hinterlegung später als die Anmeldung erfolgt. Sie kann auf 15 Jahre ausgedehnt werden. Ein neues Verfahren zur Herstellung von Vorbildern von Industrieerzeugnissen untersteht nicht dem Schutze des Musterschutzgesetzes. Für eine Produktionsmethode (Gebrauchsmuster) ist der Patentschutz anzurufen.

6) Die Schiffsregister sind für Dampfschiffe und andre Schiffe mit eigner Triebkraft, deren Tragfähigkeit mehr als 15,000 kg beträgt, sowie für sonstige Schiffe mit einer Tragfähigkeit von mehr als 20,000 kg (Binnenschiffe) bestimmt (§ 120 des Gesetzes, betreffend die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt vom 15. Juni 1895), ferner für die zur Führung der Reichsflagge befugten Kauffahrteischiffe (Seeschiffe, § 4 des Gesetzes, betreffend das Flaggenrecht der Kauffahrteischiffe vom 22. Juni 1899). Zur Führung der Reichsflagge sind die Kauffahrteischiffe nur dann berechtigt, wenn sie im ausschließlichen Eigentum von Reichsangehörigen stehen (§ 2).

Das Vereinsregister ist bestimmt für die Eintragung derjenigen Vereine, deren Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist (§ 21 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Es sind dies die sogen. Vereine »mit idealen Tendenzen«, zu denen alle Vereine zu wissenschaftlichen, künstlerischen, wohltätigen, gemeinnützigen, religiösen, geselligen, sozialen, politischen und Unterrichtszwecken gehören, also alle Gesang-, Turn-, Sport-, Museums-, Kunst-, Künstler-, Wohltätigkeits-, Armen-, Bildungs-, Unterstützungs-, Beruffach-, landwirtschaftliche, landsmannschaftliche, Beamten-, Frauenvereine, Ressourcen, Kasinos, Lesekränzchen, kaufmännische, technische, juristische Gesellschaften. Vgl. Cohn, Das Handels- und Genossenschaftsregister (2. Aufl., Berl. 1901); Kurtz, Das gerichtliche R. (das. 1901); Brand, Die Registersachen in der gerichtlichen Praxis (das. 1906); Lindemann, Die Reichsgesetzgebung über gerichtliche Registerführung (das. 1906).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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