Pflaumenbaum

Pflaumenbaum

Pflaumenbaum (Zwetschenbaum, Prunus Tourn., hierzu Tafel »Pflaumen«), Untergattung der Gattung Prunus (Familie der Rosazeen), Bäume oder Sträucher mit ganzen, breiten, gesägten Blättern, meist vor den Blättern erscheinenden, zu 1–2 stehenden, nicht langgestielten Blüten, meist leicht bereisten Früchten mit oder ohne Längsfurche und zusammengedrücktem Stein mit scharfen Seitenkanten. Der Zwetschenbaum (P. oeconomica Borkh., P. domestica L.), ein 6–8 m hoher Baum mit etwas pyramidenförmiger Krone, verwildert von sparrigem Wuchs, dornig und dann besonders Ausläufer bildend, mit elliptischen, kerbig gesägten, unterseits weichhaarigen Blättern, zu zweien oder dreien auf behaarten Stielen stehenden, etwas grünlichweißen Blüten und länglichen, violettblauen, weichen Früchten mit sich lösendem Stein, stammt vielleicht aus Turkistan und dem südlichen Altaigebirge und wird im österreichisch-türkischen Grenzbezirk seit 400 Jahren in großer Menge gebaut; südlich von der Donau bildet er ganze Wälder, deren Früchte 4–6 Wochen lang die Hauptnahrung der Bevölkerung sind, sie werden auch getrocknet und auf Branntwein (Sliwowitz) verarbeitet. Die Einführung des Pflaumenbaums in diese Gegenden fällt vielleicht mit dem Auftreten der Magyaren zusammen. Auch in Bosnien und Serbien wird der Zwetschenbaum in großer Anzahl kultiviert. In Nordamerika liefert besonders Kalifornien viele Pflaumen. Von dieser Art werden verschiedene Sorten kultiviert; aber nicht alle länglichen Pflaumen gehören hierher, auch gibt es wohl Blendlinge zwischen Zwetsche und echter oder Damaszener Pflaume. Das Holz ist ziemlich hart, schön braun, geädert und wird häufig als Atlasholz zu Tischlerarbeiten benutzt. Aus dem Stamme fließt Gummi (s. Kirschgummi); aus den Samen gewinnt man durch Pressen fettes Öl; bei Destillation mit Wasser geben die zerkleinerten Samen bittermandelartig riechendes, blausäurehaltiges Wasser. Die Krieche (Haferschlehe, Spilling, F. insititia L.). ein wenig oder nicht dorniger Strauch, treibt starke Wurzelausläufer, hat weichhaarige Triebe, breit elliptische, kerbig gesägte, besonders auf der Unterseite behaarte Blätter, auf schlanken, behaarten Stielen meist zu zweien stehende, weiße Blüten und hängende, runde, schwarzblaue Früchte mit weichem, süßem, am Steine fest anhängendem Fleisch. Sie findet sich in Mittel- und Südeuropa, in Nordafrika und im Orient und wird zum Teil als kleine Damaszener oder Johannispflaume kultiviert. In Gärten kommt sie mit gefüllten Blüten (oft unter dem Namen gefüllte Schlehe) vor. Als Varietät gilt die syrische oder Damaszener Pflaume (Damaszene, P. syriaca Borkh.), aus Syrien, die dort kleine Wälder bildet. Die Früchte sind in Form und Farbe ungemein verschieden; es gehören hierher alle Damaszener Pflaumen, aber auch manche damaszenenartige Zwetschen. Die Reineclaude (Ringlotte, P. italica Borkh.), ein Baum mit abgerundeter Krone, ziemlich dicken und langen, sehr bald unbehaarten Trieben, großen, runzeligen, elliptischen, stumpf kerbig gesägten, bald kahlen Blättern, zwei Drüsen am obern Ende des Blattstiels, meistens zu zweien auf unbehaarten Stielen stehenden, weißen Blüten und rundlicher, gelblicher, grünlicher oder rötlicher bis violettblauer Frucht mit grünlichweißem, härtlichem Fleisch und sich nicht lösendem Stein. Das Vaterland der Reineclaude ist unbekannt, vielleicht ist sie durch Kreuzung der Zwetsche und Damaszener Pflaume entstanden. Hierher gehören aber auch viele der zwetschenartigen Damaszener Pflaumen. Die Kirschpflaume (Myrobalane, türkische Pflaume, P. cerasifera Ehrh.) ist ein am Stamme meist weit herab verästelter Baum mit eirund-länglicher Krone, ohne Ausläufer, mit weißem Holz, bei schlechter Kultur dornig, mit unbehaarten Trieben, länglichen, nach der Basis zu verschmälerten, seltener elliptischen, meist nur längs des Mittelnervs auf der Unterseite behaarten Blättern, meist einzeln stehenden, weißen Blüten auf ziemlich langen, unbehaarten Stielen und runden, heller oder dunkler braunroten Früchten mit süßlichem, etwas festem und gelbem Fleisch. Die kleinern, schließlich gelbrötlichen Früchte heißen speziell Kirschpflaumen, die fast doppelt so großen, dunklern, braunroten Myrobalanen. Die Kirschpflaume wird zuerst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrh. genannt; sie wurde wohl aus dem Orient (sicher nicht aus Amerika) eingeführt, und von ihr stammen auch wahrscheinlich mehrere unsrer kultivierten Pflaumen ab. Der Schlehendorn (P. spinosa L., Schwarzdorn), ein sparriger Strauch mit zum Teil in Dornen auswachsenden Zweigen, elliptischen Blättern an schwach behaarten Zweigen, vor den Blättern ungemein zahlreich erscheinenden, einzeln stehenden, weißen Blüten mit kurzen, unbehaarten Stielen und blauer, rundlicher, fleischiger, aufrecht stehender Frucht. Der Schlehendorn findet sich in Europa und Asien, gehört vielleicht mit zu der Stammpflanze der zwetschenartigen Damaszenen, eignet sich trefflich als Heckenpflanze, wird auch als Zierstrauch in mehreren Varietäten kultiviert, liefert Dornwerk für die Gradierhäuser, Knotenstöcke und Nutzholz für Drechslerarbeiten. Blüten (flores Acaciae), Rinde und Früchte wurden früher arzneilich benutzt; auch bereitet man aus letztern wohl ein Mus und einen Fruchtbrei und benutzt die Blätter als Surrogat des chinesischen Tees. Von einer Abart, P. fruticans Weihe, in Gärten, werden die Früchte eingemacht und auf Wein verarbeitet.

Lucas teilt die Pflaumen in zehn Familien: 1) Rundpflaumen, runde Damaszenen. Frucht rund, Längen- u. Breitendurchmesser gleich, als Tafelfrucht brauchbar. Fleisch saftreich, weich. Haut im Kochen säuerlich, zum Dörren untauglich. Sommertriebe kahl oder behaart. 2) Ovalpflaumen, längliche Damaszenen. Frucht oval, Längendurchmesser größer als der Breitendurchmesser, sonst wie bei Familie 1. 3) Eierpflaumen, Frucht eiförmig, groß und sehr groß, nach dem Stiel merklich verjüngt; Fleisch pflaumenartig, weich, nicht zum Dörren gut. Sommertriebe kahl oder behaart. 4) Edelpflaumen (Reineclauden), rund und rundlich, von sehr edlem, erhabenem Zuckergeschmack, mit etwas konsistentem Fleisch. 5) Wachspflaumen (Mirabellen), kleine, runde und rundliche Früchte, Fleisch konsistent, sehr süß, zum Dörren sehr brauchbar. Wuchs sparrig, vielästig. 6) Zwetschen, längliche, nach dem Stiel und Stempelpunkt hin verjüngte Früchte; Fleisch süß, fest, Schale ohne Säure, Sommertriebe meist kahl, mitunter behaart; zum Dörren sehr gut. 7) Halbzwetschen, Früchte von ovaler Form und zwetschenartigem Fleisch, nach Stiel und Stempelpunkt hin gleichmäßig abgerundet; Sommertriebe kahl oder behaart; zum Dörren brauchbar. 8) Dattelzwetschen, sehr lange, elliptisch geformte Früchte von mehr pflaumen- als zwetschenartigem Fleisch, Sommertriebe glatt; zum Dörren nicht brauchbar. 9) Haferpflaumen, runde Pflaumen, die als Tafelobst nicht brauchbar sind. 10) Spillingspflaumen, längliche Pflaumen, als Tafelobst ebenfalls nicht brauchbar. Jede Familie zerfällt in fünf Ordnungen: blaue, rote, gelbe, grüne, bunte Früchte; jede Ordnung in drei Unterordnungen: Fleisch am Stein gut, halb, nicht ablöslich. Zum Anbau sind besonders zu empfehlen: A. Rundpflaumen oder Damaszenen: bunter Perdrigon (Fig. 8), Kirkes' Pflaume (Fig. 1), Braunauer aprikosenartige Pflaume, Levine; B. Oval- oder Königspflaumen: Königspflaume von Tours, Esperens Goldpflaume (Fig. 13), Washington, Jefferson (Fig. 10), Lucas' Königspflaume, Anna Späth (Fig. 7); C. Eierpflaumen: Nienburger Eierpflaume (Fig. 12), violette Jerusalemspflaume; D. Edelpflaumen oder Reineclauden: frühe Reineclaude (Fig. 2), große Reineclaude (Fig. 5), Althanns Reineclaude, Meroldts Reineclaude, Reineclaude von Jodoigne; E.Wachspflaumen oder Mirabellen: Rangheris Mirabelle (Fig. 11), gelbe Mirabelle (Fig. 3), frühe von Bergthold; F. Zwetschen: Hartwiß' gelbe Zwetsche (Fig. 9), Fürsts Frühzwetsche (Fig. 4), große Zuckerzwetsche, italienische Zwetsche, Wangenheims Frühzwetsche, Eßlinger Frühzwetsche, Hauszwetsche (Bauernpflaume); G. Halbzweischen: Biondecks Frühzwetsche (Fig. 6), violette Diapré, Königin Viktoria, Frankfurter Pfirsichzwetsche, Freudenberger Frühpflaume. – Die Pflaumen enthalten:

Tabelle

Die Pflaumen finden hauptsächlich Verwendung als Obst, frisch, eingemacht und getrocknet. Getrocknete Pflaumen (Backpflaumen) bilden einen wichtigen Handelsartikel; von den deutschen sind die Thüringer oder Saalpflaumen bevorzugt, auch die bayrischen oder fränkischen und die böhmischen. Große Geschäfte in Pflaumen machen mehrere Gegenden in Frankreich, von wo besonders die Prünellen u. Katharinenpflaumen kommen. Die größten und besten sind aber die türkischen Pflaumen aus den Ländern der untern Donau (Bosnien, Serbien, Dalmatien), die vielfach selbst nach Amerika ausgeführt werden. Auch Pflaumenmus wird in großen Quantitäten hergestellt; vgl. Obst (Verwertung), S. 882.

Der P. gedeiht mit seinen nach der Oberfläche sich ausbreitenden Wurzeln am besten in einem warmen, etwas schweren, feuchten Boden in geschützter Lage. Dicht geschlossenes Pflanzen im Verband und in Abständen von 4, höchstens 5 m befördert das Wachstum, die Tragbarkeit und Dauer. Trefflich gedeihen die Bäume auch als Zwischenpflanzung in Obstplantagen zwischen Äpfeln. Sie liefern etwa 30 Ernten und räumen dann den Apfelbäumen den Platz. Man vermehrt sie durch Samen oder Wurzelausläufer und veredelt am besten durch Okulieren oder Kopulieren. Als Unterlage benutzt man Hauszwetsche oder Haferschlehe, auch die Kirschpflaume. Aus Wurzelausläufern erzogene Stämme haben wieder die Neigung zu starkem Austreiben von Wurzelschossen. Mehrere Sorten, wie Damaszene, Reineclaude, sind aus Samen ohne Veredelung in derselben Sorte fortzupflanzen. Man erzieht den P. meist als Hochstamm, weniger als Pyramide und nur ausnahmsweise als Spalierbaum. – Die Pflaume kam durch Alexander d. Gr. nach Griechenland. Die Römer lernten sie hauptsächlich durch die Kriegszüge des Pompejus kennen und zwar zuerst die Spillinge und Mirabellen. Die Zwetsche erscheint zuerst vor etwa 400 Jahren in Ungarn und dürfte dorthin aus Turkistan gelangt sein. Das Wort Zwetsche (Zwetschke), obwohl von slawischem Klang, kommt doch in der slawischen Sprache nicht vor und soll aus dem griech. damaskenon entstellt sein.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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