Brunnen [1]

Brunnen [1]

Brunnen (hierzu Tafel »Brunnen«, mit Text), Vertiefungen des Bodens, in denen sich Grund- oder Quellwasser sammelt, das durch Schöpfeimer oder Pumpen zutage gefördert wird. Werden zutage tretende Quellen mit einem Brunnenkranz aus Bohlen oder Gemäuer umgeben, worin sich ein geregelter Wasserstand bildet, so hat man einen Brunnenkessel (Brunnenhaus, Brunnenstube), der oft mit dem Brunnendach bedeckt wird. Zur Abhaltung von Tagewasser umgibt man die erste Mauer im Abstand von 30–45 cm mit einer zweiten und stampft den Zwischenraum mit Ton aus, der Wasser nicht durchläßt. Zur Leitung des Wassers nach einem entfernten Konsumtionspunkt legt man eine Röhrenfahrt (Brunnenleitung) an, die mindestens 1 m unter der Erde liegen, gehörigen Fall haben und am Einla uf mit einem Sieb versehen sein muß, um Verunreinigungen und Verstopfungen zu vermeiden. Am Ende der Röhrenfahrt errichtet man einen senkrechten Brunnenstock (Post), in dem das Wasser bis zu einer Ausflußöffnung mit horizontalem Rohr aufsteigt.

Kesselbrunnen haben einen Schacht von 1–2 m Durchmesser, der in festem Erdreich mit Holzwerk abgetrieben und dann von unten nach oben ausgemauert wird. In lockerm Erdreich, oder wenn man das Eindringen von Obergrundwasser vermeiden will, gräbt man nur einige Fuß tief, legt auf den geebneten Boden einen mit Eisen beschlagenen Brunnenkranz aus Eichenbohlen (Grundring) und errichtet darauf ein Stück Brunnenmauer in Zement, wobei man vier eiserne Bolzen lotrecht mit vermauert. Entfernt man allmählich das Erdreich unter dem Brunnenkranz, so sinkt das Stück Mauerwerk herab, und man kann weiter mauern und weiter graben, bis der B. die erforderliche Tiefe erreicht hat. Bei günstiger Lage liefern Kesselbrunnen von 1–1,25 m Durchmesser 0,5–1 Lit. Wasser in der Sekunde, bei 2 m Weite 4–5 L., doch rechnet man der Sicherheit halber nur auf 0,20–0,25 dieser Ergiebigkeit. Steht die Sohle des Brunnens in seinem Sand, so wird letzterer bei starker Inanspruchnahme leicht aufgewühlt, man beschüttet deshalb die Sohle mit Kies. Im allgemeinen ist das Wasser um so besser, je stärker und gleichmäßiger der B. benutzt wird. Liefert eine tiefere Bodenschicht geringeres Wasser als die höhere, so schließt man den Zufluß des Wassers aus der tiefern Schicht durch eine Lage Zementbeton ab.

Zur Wasserförderung benutzt man bei Schöpfbrunnen einen Haspel mit einer darüber sich auswickelnden Kette oder einem Seil, woran zwei Eimer das Gewicht gegenseitig ausgleichen. Bei Ziehbrunnen hängt der Eimer mittels einer Kette oder einer Stange an dem langen Arm eines sich auf einer Säule in einer Gabel bewegenden Schwengels, dessen kurzer Arm mit einem Gegengewicht beschwert ist. Am häufigsten dienen aber zur Wasserförderung Pumpen. Damit sie von Einem Menschen bedient werden können, dürfen sie nicht über 13–16 cm im Stiefel weit sein und müssen bei 30–40 cm Hub einen Lastarm von der 1,5fachen und einen Kraftarm von der 2–3,51achen Länge des Hubes besitzen, so daß der Weg der Kraft nicht über 1,25–1,40 m beträgt. Die Saugröhre wird am untersten Ende mit einem durchlöcherten Senkkorb umgeben, damit kein Sand oder sonstiger Bodensatz mit aufgesaugt werde.

Zur Steigerung der Ergiebigkeit der B. hat man über dem Wasserspiegel einen luftverdünnten Raum erzeugt (Evakuationsbrunnen) und soll dadurch die Ergiebigkeit der B. um das Acht- und Mehrfache steigern können.

Rammpumpen (amerikanische, Nortonsche, Röhrenbrunnen, nach ihrer Anwendung bei der englischen Expedition gegen Abessinien auch abessinische B.) wurden in Deutschland schon 1815 von Nigge und 1831 von Melm ausgeführt. Sie werden hergestellt mittels gewalzter eiserner Gasröhren von 32 mm innerm und 46 mm äußerm Durchmesser, die sich durch Zusammenschrauben verschiedener Stücke auf eine Länge bis zu 9,5 m bringen lassen. Die zuerst einzurammende Röhre ist an einem Ende mit einer stählernen Spitze versehen und über dieser Spitze auf eine Länge von 30–40 cm ringsherum mit Löchern von 4 mm durchbohrt, so daß das Wasser leicht in das Rohr eindringen kann. Zwei Männer können den B. in kurzer Zeit herstellen. Man schraubt etwa 1 m von der Stahlspitze entfernt einen eisernen Klemmring 1) (Fig. 1, S. 502) auf das Rohr A, schiebt dann auf letzteres einen ca. 35 kg schweren eisernen Fallblock C, befestigt 2 m über demselben zwei Rollen B, über die von dem Fallblock aus zwei Seile laufen, und treibt nun das senkrecht gestellte Rohr in den Boden, indem die Arbeiter den Fallblock abwechselnd heben und fallen lassen. Nachdem das erste Rohr eingetrieben ist, wird ein zweites angeschraubt, an diesem der Rammapparat befestigt und so fortgefahren, bis Wasser erreicht ist, wovon man sich durch ein in das Rohr hinabgelassenes Senkblei leicht überzeugen kann. Hat man Wasser gefunden, so schraubt man eine Pumpe an das hervorstehende Ende des Rohres und erhält mittels derselben zuerst meist schlammiges, sehr bald aber reines Wasser. Der Röhrenbrunnen durchbricht zwar nicht festes Geflein, dringt aber in harte Bodenarten ein. Will man das Rohr herausheben, so läßt man das Fallwerk umgekehrt wirken. Röhrenbrunnen sind von gleicher Ergiebigkeit wie Kesselbrunnen. Dagegen versagen sie oft, nachdem sie längere Zeit unbenutzt gestanden haben, auch wird der Sauger leicht durch Inkrustationen, Schlammbildung oder Rost verstopft. Man zieht deshalb häufig das eiserne Rohr, mit dem der B. gebohrt wurde, heraus und ersetzt es durch ein Bleirohr mit Saugkopf aus Messingdrahtgewebe.

Fig. 1. Röhrenbrunnen, Kammpumpe.
Fig. 1. Röhrenbrunnen, Kammpumpe.

Auch benutzt man zum Bohren ein weiteres eisernes Rohr, führt in dieses das Bleirohr ein und hebt ersteres so weit, daß der Saugkopf frei wird. In diesem Falle kann man den Saugkopf, falls er in seinem Sande steht, mit Kies umschütten.

Die Beschaffenheit des Wassers eines Brunnens ist abhängig von dem Boden, in dem er steht, von der fehlerfreien Konstruktion des Brunnens selbst und von dem Grundwasser, das dem B. zugeführt wird. Je tiefer der B. ist, desto mehr kann eine Ver. unreinigung des Bodens ansgeschlossen werden, da in einer Tiefe von mehr als 4–5 m normalerweise keine Bakterien gefunden werden. Außerdem hat Wasser aus solcher Tiefe gleichmäßige Temperatur. Schädliche Bakterien können aber hineingelangen, wenn der Brunnenkessel nicht auszementiert oder durch glasierte Ziegeln mit Zementfugen ausgesetzt ist. Anderseits, wenn der Verschluß des Brunnenkopfes mangelhaft oder der Wasserabfluß aus den Pumpen schadhaft ist, so daß das abfließende Wasser wieder in den B. zurücklaufen kann. Auf diese Weise können Schmutzwässer aller Art von Düngerstätten, Spülkanälen, Aborten, Jauchegruben, Fabriken etc., die sich in der Nähe befinden, krankmachende Organismen in das Brunnenwasser gelangen. Früher begnügte man sich allgemein mit der chemischen, später mit der bakteriologischen Untersuchung, jetzt legt man das Hauptgewicht neben den beiden andern Faktoren auf die Lokalinspektion.

[Artesische Brunnen.] Das in den Boden ein dringende Wasser wird oft von undurchlässigen Schichten aufgehalten und ist dann gezwungen, diesen zu folgen. Ist die wasserführende Schicht auch noch von einer undurchlässigen bedeckt, so kann das Wasser bei passender Neigung der Schichten einem sehr hohen hydrostatischen Druck ausgesetzt werden. Das an der Erdoberfläche bei a (Fig. 2) in die Schicht eindringende Wasser bewegt sich zwischen den undurchlässigen Schichten b und c und steht z. B. am Punkte d unter einem Druck gleich einer Wassersäule von der Höhe e f. Treibt man nun bei g ein Bohrloch nieder, so wird das Wasser nach Durchbohrung der Schicht b alsbald im Bohrloch aufsteigen, zutage treten und je nach Umständen sich auch noch im Strahl erheben. Derartige B., die also auf das Gesetz der kommunizierenden Röhren zurückzuführen sind, nennt man artesische. Die Möglichkeit ihrer Anlage hängt von dem geognostischen Bau der Gegend ab. Die meiste Aussicht auf Erfolg bieten weite, kesselförmige Talmulden oder Becken, deren Wände der Schichtung der Gebirgsmassen konform sind. Man hat indes artesische B. auch in weiten Ebenen erbohrt, und daß hier, wo die erforderlichen Höhen ganz zu fehlen scheinen, das Wasser dennoch emporgetrieben wird, erklärt sich aus der oft Hunderte von Quadratmeilen umfassenden Ausdehnung der Schichten. Das Wasser der artesischen B. stammt also unter Umständen aus sehr weiten Entfernungen und aus einem großen Gebiet. Letzterm Umstand verdanken sie ihren nie versiegenden Wasserreichtum. Das mit dem Erdbohrer hergestellte Bohrloch wird in lockerm Erdreich mit eisernen Röhren ausgekleidet. Bisweilen wird in der obern Schicht ein gewöhnlicher ausgemauerter Schacht angelegt, in dem sich das durch ein Pumpwerk weiter zu hebende Wasser sammelt, und das Bohrloch beginnt erst an der Sohle des Schachtes.

Fig. 2. Artesischer Brunnen.
Fig. 2. Artesischer Brunnen.

Steigt das Wasser über die Erdoberfläche empor, so wird noch ein besonderes Steigrohr errichtet, und in solchem Falle kann man mit dem Wasser Maschinen betreiben. In Algerien hat man das Wasser artesischer B. auf niedriger gelegene Wasserräder geleitet, in Amerika aber nutzt man den Druck aus, mit dem das Wasser ausströmt, und gewann z. B. mit einem B. in Dakota durch Aufstellen einer Peltonturbine 350 Pferdekräfte. Ebenso kann die Wärme des Wassers, die der großen Tiefe, aus der es emporsteigt, entspricht, zum Betriebe von Mühlen im Winter, zum Heizen von Gewächshäusern, Speisen von Fischteichen etc., namentlich auch für Bäder nutzbar gemacht werden. Ost entströmt dem Bohrloch auch Kohlensäure, die dann gleichfalls zu den Bädern verwertet wird. In ähnlicher Weise liefern manche artesische B. brennbare Kohlenwasserstoffgase und die amerikanischen Erdöl. Die größte Bedeutung haben artesische B. für wasserarme Gegenden. Die von französischen Ingenieuren seit 1855 an den Rändern der Sahara erbohrten B. ergießen täglich große Mengen Wasser über den Boden, und wo bisher im dürren Sande kein Hälmchen gedieh, wachsen jetzt zahlreiche Palmen. Ebenso hat man artesische B. mit Vorteil angewendet, wo gewöhnliche B. gar kein oder schlechtes Wasser liefern, wie an der Jademündung. – Geschichtliches über die B. s. im Text zur beifolgenden Tafel.

Vgl. Hagen, Handbuch der Wasserbaukunst, Bd. 1 (3. Aufl., Berl. 1870); Franzius und Sonne. Wasserbau (»Handbuch der Ingenieurwissenschaften«, Bd. 3, das. 1879); Petermann, Anlage und Ausführung von B. (Stuttg. 1871); König, Der praktische Brunnen- und Röhrenmeister (Jena 1872); Tecklenburg, Handbuch der Tiefbohrkunde, Bd. 4 (Leipz. 1890); Friedeberg, Anlage der Röhrenbrunnen (Berl. 1890); Fränkel, Untersuchungen über Brunnendesinfektion und den Keimgehalt des Grundwassers (in der »Zeitschrift für Hygiene«, 1889); Herzog, Wasserbeschaffung mittels artesischer B. (Wien 1895); Corazza, Geschichte der artesischen B. (das. 1901). Kunstgeschichtliche Werke: Heubach, Monumentalbrunnen Deutschlands (Leipz. 1902ff.); Correll, Deutsche B. des 16.–19. Jahrhunderts (Frankf. 1902,30 Tafeln).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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