Kissingen

Kissingen

Kissingen, Bezirksamtsstadt und berühmter Badeort im bayr. Regbez. Unterfranken, an der Fränkischen Saale und durch die Zweigbahn Ebenhausen-K. mit der Staatsbahnlinie Meiningen-Schweinfurt verbunden, 201 m ü. M., hat eine evangelische, eine englische, 3 katholische und eine russ. Kirche, Synagoge, Denkmäler der Könige Ludwig I. und Max I. von Bayern und von Bismarck, Realschule, Amtsgericht, Theater, Wagenfabrikation, Wein- und Obstbau, Sandsteinbrüche und (1900) 4757 Einw., davon 704 Evangelische und 333 Juden.

Wappen von Kissingen.
Wappen von Kissingen.

Wiewohl die Salzquellen von K. schon im 9. Jahrh. erwähnt werden, finden sich doch erst im 16. Jahrh. bestimmte Nachrichten über die Benutzung derselben, und erst in der Neuzeit schwang sich K. zu einem Kurort ersten Ranges empor. 1815 zählte das Bad noch nicht viel über 200 Kurgäste, 1903: 23,430. Nach ihrer chemischen Zusammensetzung und den dadurch bedingten Wirkungen zerfallen die zu therapeutischen Zwecken benutzten Quellen in eisenhaltige Kochsalzquellen (Rákóczy und Pandur), einen kochsalzhaltigen Säuerling (die Maxquelle) und die zwei an Chlornatrium und Kohlensäure reichen Solthermen (Solensprudel und Schönbornsprudel). Der Rákóczy, die berühmteste und am häufigsten benutzte Quelle, entdeckt 1737, entspringt in einer Tiefe von 4 m aus Geröll mit starkem Geräusch und einer Temperatur von 10,7°. Sein Wasser ist nicht ganz kristallhell und spielt ins Bläuliche; geschöpft ist es wegen der starken Gasentwickelung fast undurchsichtig und von einem säuerlich-salzigen, etwas bitterlichen Geschmack. Der benachbarte Pandur, seit dem 16. Jahrh. unter dem Namen Badebrunnen bekannt, aus demselben Gestein mit gleicher Gasentwickelung entspringend, hat eine Temperatur von ebenfalls 10,7° und schmeckt reiner bittersalzig, kohlensäurehaltiger und reizender. Der Maxbrunnen, dem Kurhaus und dem Arkadenbau gegenüber, entspringt in 4 m Tiefe aus einer Felsenspalte mit leise knisterndem Geräusch, ist kristallhell, perlend, schmeckt angenehm säuerlich, salzig und prickelnd. Die Temperatur desselben beträgt 10°. Der Solensprudel, von den übrigen Mineralquellen eine gute Viertelstunde nördlich gelegen, entspringt aus dem Buntsandstein in einer Tiefe von über 100 m mit brausendem Aufschäumen, steigt und fällt periodisch um 3 m und liefert in einer Minute 500 Lit. sehr salziges, schwach eisenartig, säuerlich schmeckendes Wasser von 18° und 2–6000 L. Kohlensäure. Letztere wird zu Gasbädern in dem sogen. Salinen oder Gasbad unmittelbar über dem mit einer Glaskuppel überwölbten Sprudel benutzt. Etwa 3 km von K. entfernt, zwischen Dorf und Kloster Hausen, quillt der Schönbornsprudel aus 650 m tiefem Bohrloch, er ist dem Solensprudel ähnlich und liefert in einer Minute 5–6000 L. Wasser und 4–6000 L. Kohlensäure. Die Sole beider Thermen, die untereinander im genauen Zusammenhang stehen, findet gegenwärtig nur noch für das Salinenbadehaus und die Badeanstalten zu K. Verwendung. Die Salzbereitung aus den Solquellen hat seit 1868 aufgehört, doch wird Sole gradiert, um konzentrierte Sole und Mutterlauge für die Bäder zu gewinnen. Über die chemischen Bestandteile der drei Hauptquellen Kissingens s. die Tabelle »Mineralwässer IV a u. b«. Die Wirkung der Kissinger Mineralquellen beruht vorzugsweise auf ihrem Gehalt an Chlornatrium (Kochsalz) in Verbindung mit Eisen und ihrem Reichtum an Kohlensäure und äußert sich durch Anregung der Funktionen der Schleimhäute, gelinde Erregung der Darmtätigkeit, Steigerung des Appetits, Beschleunigung des Blutlaufs, also Beförderung des Stoffwechsels. Daher werden dieselben sowohl innerlich (als Getränk: Rákóczy, Pandur, Maxbrunnen) als äußerlich (in Form von Bädern: Salinen- u. Schönbornsprudel) mit vielem Erfolg angewendet und zwar Rákóczy, Pandur und Sole bei chronischen Katarrhen des Magens und Darmes und Trägheit der Funktionen dieser Organe, Stauungen im Gebiete des Pfortadersystems, Hämorrhoiden, bei Katarrhen der Gallengänge, bei Skrofulose, Rachitis und Gicht, Maxbrunnen und Molke bei chronischen Katarrhen der Rachen-, Respirations- und Blasenschleimhaut und des Nierenbeckens. Die Badeeinrichtungen in K. sind mustergültig. Es bestehen drei größere Badeanstalten für Solbäder, das schon erwähnte königliche Salinenbadehaus (Gasbad) über dem Solensprudel, das Badehaus am königlichen Kurhaus und die 1869 eröffnete großartige Aktienbadeanstalt: neues Kasino mit Lesesaal, Kurhaus, Konversationssaal, einem Pavillon aus Gußeisen, 1842 von König Ludwig I. über der Rákóczi- und Pandurquelle errichtet, der zugleich als Trinkhalle dient, und eine Wandelbahn. Außer den gewöhnlichen Solbädern werden auch Bäder in Kohlensäure, Salzdampf, Schlammbäder, Soleinhalationen verabreicht, ferner bestehen eine Molkenkur-, Kaltwasser-, pneumatische und elektrische Anstalt. Seit 1886 hat K. auch eine Heilanstalt für skrofulöse und rachitische Kinder. Die königlichen Badeanstalten sind von 1900 an samt Kurhaus, Wasserversendungsgeschäft für K., Bocklet und Brückenau (5–600,000 Krüge jährlich) auf 25 Jahre an den Hofrat Hessing in Göggingen verpachtet worden. Das Mineralwasser ward bereits im 17. Jahrh. in Krügen versendet. Vgl. Balling, Die Heilquellen und Bäder zu K. (9. Aufl., Kissing. 1886); Sotier, Bad K. (2. Aufl., Leipz. 1883); Werner, Bad K. als Kurort (3. Aufl., Berl. 1904); Diruf, K. und seine Heilquellen (6. Aufl., Würzb. 1892); Dietz, Die Kurmittel Kissingens bei den Erkrankungen der Atmungsorgane und des Halses (3. Aufl., das. 1899); Welsch, Anwendung und Wirkung der Heilquellen und Kurmittel von Bad K. (7. Aufl., das. 1902); Leusser, K. für Herzkranke (3. Aufl., das. 1904); Roth, Bad K. (das. 1901).

K., unter dem Namen Kizziche schon im 9. Jahrh. vorkommend, war bis 1291 Besitztum der Grafen von Henneberg, von denen sich ein Zweig nach der nahe bei K. romantisch gelegenen Burg Bodenlaube nannte, und ging 1394 durch Kauf an das Hochstift Würzburg über, mit dem es an Bayern fiel. Vgl. v. Bibra, Geschichte der Burg und des Amtes Bodenlauben bei Bad K. (Kissing. 1903). Am 10. Juli 1866 bildete K. den Schauplatz eines blutigen Gefechts zwischen den Bayern und Preußen. Die bayrische Armee hatte die Fränkische Saale von Waldaschach bis Hammelburg in einer Länge von über 20 km besetzt; das wichtige Défilé bei K. war von zwei Regimentern (dem 11. und 15.) und dem 5. Jägerbataillon der Division Zoller besetzt. Die Brigade Kummer rückte als Vorhut der preußischen Division Goeben auf K., die Brigade Wrangel nach dem Altenberg zu. Dieser wurde unbesetzt gefunden, durch den Übergang über die Saale bei der Lindesmühle der Feind in der linken Flanke umgangen und durch. den gleichzeitigen Frontangriff zur Räumung Kissingens gezwungen. Kurz nach Mittag wurde auch der letzte Punkt, der Kirchhof, von den Preußen erstürmt. Die Bayern, durch die Division Feder verstärkt, nahmen eine neue Stellung auf dem Sinnberg. Auch dieser ward am Nachmittag genommen, doch am Abend gegen 61/2 Uhr wurde die ermüdete Brigade Wrangel von frischen Bataillonen der Division Stephan bei Nüdlingen angegriffen. Wrangel zog sich zuerst auf Winkels zurück, sammelte hier seine Truppen und rückte gegen den Feind vor, den er nach hartem Kampf zum Weichen brachte. Die Bayern verloren im ganzen 50 Offiziere, 1171 Mann, die Preußen 36 Offiziere, 863 Mann. Den Gefallenen ist in der Nähe des Kirchhofs ein Denkmal errichtet. Vgl. v. Goeben, Das Treffen bei K. (3. Aufl., Darmstadt 1894); Hoenig, Das Gefecht bei K. (Kissing. 1901); v. Lettow-Vorbeck, Geschichte des Krieges von 1866 in Deutschland, Bd. 3 (Berl. 1902). In K. schoß 13. Juli 1874 der Fanatiker Kullmann auf den Fürsten Bismarck, woran seit 1877 eine Bronzestatue des Fürsten in den Anlagen bei der Saline erinnert.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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