- Gelbfieber
Gelbfieber (Amarillfieber, fiebre amarilla, v. span. amarillo, gelb; Vomito negro, Amerikanische Pest; Febris flava, Typhus icteroïdes), eine in heißen Ländern, besonders an den Küsten und Inseln des Karaibischen Meeres, auf den Antillen, in Venezuela, Mexiko, Brasilien, auch an den südlichen Küsten der Vereinigten Staaten herrschende ansteckende Krankheit.
Die ersten Nachrichten über das Vorkommen des Gelbfiebers datieren aus dem Ende des 15. Jahrh. Schon Kolumbus verlor 1493 nach seiner Landung in Santo Domingo viele seiner-Leute an einer Krankheit, bei der sie gelb wie Safran wurden. Dann verbreitete sich das G. zuerst an der Ost-, dann an der Westküste von Amerika und erreichte im 18. Jahrh. New York. Nur von Zeit zu Zeit wird es dort durch Einschleppung epidemisch (in Boston, Philadelphia, New York). Im allgemeinen kommt es zwischen dem 45.° nördl. Br. und dem 35.° südl. Br. vor, also nur in tropischen und subtropischen Gegenden; südlich vom Äquator tritt es selten auf. Im allgemeinen sind auf der ganzen westlichen Hemisphäre die Ostküsten weit mehr der Sitz des Gelbfiebers als die Ufer des Stillen Meeres. An einzelnen Stellen der afrikanischen Westküste, besonders in Sierra Leone, und ebenso in einigen Küstenstädten Europas (Cadiz, Barcelona, Gibraltar) sind zu Anfang des 19. Jahrh. größere Epidemien vom G. vorgekommen, seit 1828 nur noch kleinere Epidemien, so 1839 in Brest, 1851 in Oporto etc., die stets durch verseuchte Schiffe eingeschleppt worden waren. Einzelne sporadische Fälle kommen nicht selten auf ankommenden Schiffen in europäischen Seehäfen vor. Da sich das G. nur bei Lufttemperatur von 21 bis 22° entwickeln kann, so herrscht es in Westindien vom Mai bis zum Oktober, auf dem amerikanischen Festland vom August bis Oktober und November, und eine erheblichere Ausbreitung in der gemäßigten Zone ist ausgeschlossen. Durch die Ausdehnung der Eisenbahnen etc., überhaupt durch den gesteigerten Verkehr, kommt jetzt auch das G. im Innern des amerikanischen Kontinents vor, wohin es offenbar verschleppt ist. Nur selten tritt das G. in Orten auf, die höher als 500 m ü. M. gelegen sind, jedoch wurde es auch schon bei einer Meereshöhe von 800 m beobachtet; bei 1500 m Meereshöhe wird es nie gefunden. Feuchtigkeit scheint die Entstehung zu begünstigen, auch wirlen ungünstige Bodenausdünstungen zur Erzeugung der Krankheit wesentlich mit. In Städten, die eigentliche Herde der Krankheit sind, beginnt sie meist in den schmutzigen und engsten Quartieren oder an den Kais. Ist das G. einmal ausgebrochen, so scheint es sich nach Art einer ansteckenden Krankheit, also auf kontagiösem Wege, zu verbreiten. Namentlich im Anfang einer Epidemie zeigen oft ein paar Wohnungen, eine Häuserreihe oder einzelne Straßen allein Erkrankungen, und wer solchen Ausbruchsherden fern bleibt, ist sicher vor der Krankheit, während ein vorübergehender Besuch dieser Orte sie hervorzurufen imstande ist. Namentlich durch Schiffe wird das G. weiter verschleppt, indem das faulende Wasser in den untern Kielräumen (Bilge- oder Bilschwasser), zumal unter dem Einfluß einer tropischen Hitze, für die Entwickelung des der Krankheit zugrunde liegenden spezifischen Giftstoffs sehr günstige Verhältnisse bietet. Aber auch durch Menschen, die vor der Krankheit fliehen, wird sie häufig weiter verbreitet und selbst in ganz fieberfreie Gegenden übertragen. Die Bösartigkeit des Gelbfiebers ist im Beginn einer Epidemie am heftigsten, manche Epidemien zeigen wieder mildern Charakter; die Empfänglichkeit des Menschen für das G. ist sehr verschieden. Europäer sind viel empfänglicher als Mischlinge, die afrikanischen Neger und die Mongolen scheinen immun zu sein. Am empfänglichsten sind die Fremden, besonders neu angekommene Europäer, und zwar um so mehr, aus einem je kühlern Land sie kommen, oder eine je kürzere Zeit sie sich in der Region des Gelbfiebers befunden haben. Wird ein Europäer erst nach ein- oder zweijährigem Aufenthalt im Lande vom G. befallen, so zeigt es mildern Charakter. Männer werden leichter befallen als Frauen, Erwachsene leichter als Kinder, kräftige und junge Individuen leichter als alte und schwächliche; die arme Arbeiterbevölkerung ist mehr gefährdet als begüterte Klassen. Nach Überstehung eines heftigen Gelbfieberanfalles tritt meist eine dauernde Immunität ein, die jedoch bei längerer Abwesenheit von Gelbfieberländern wieder verloren geht. Leichte Erkrankungen lassen nur eine geringe Immunität zurück, die jedoch hinreicht, um neue Erkrankungen leicht verlaufen zu lassen. Das G. gehört zu den Krankheiten, die auf den Fötus übertragen werden können.
Die Inkubationszeit des Gelbfiebers beträgt 2 bis 25 Tage, dann bricht es unter Schüttelfrost, hohem Fieber, starkem Kopfschmerz aus. Die anfänglich starke Pulsbeschleunigung macht bald, trotz hohem Fieber, einer verhältnismäßigen Verlangsamung des Herzschlages Platz. Dabei bestehen Rücken- und Wadenschmerzen und große geistige Stumpfheit. Nach bald vorübergehender Ruhe tritt, abgesehen von ganz leichten Fällen, eine Periode erneuter Verschlimmerung und Fiebersteigerung mit gefährlichen Komplikationen ein, die vor allem durch Herzschwäche, Gelbsucht, schwarzes Erbrechen, akute Nierenentzündung mit Harnverhaltung gekennzeichnet ist. In diesem Stadium tritt häufig unter heftigen Delirien und tiefer Benommenheit der Tod ein, etwa am 6.- 8. Tag. In andern Fällen führen die einzelnen Komplikationen langsamer zum schlimmen Ausgang, vor allem zurückbleibende Nierenentzündungen, Eiterungen, Drüsenabszesse. Die Gelbsucht, die dem G. zu seinem Namen verholfen hat, jedoch durchaus nicht in allen Fällen vorhanden ist, manchmal erst unmittelbar nach dem Tod eintritt, bei Genesung noch mehrere Wochen anhält, beruht auf einer akuten, fettigen Entartung der Leber. Das schwarze Erbrechen entsteht, indem durch das Krankheitsgift eine schwere Gefäßschädigung zustande kommt, die zu Blutungen in den Magen führt; durch die Magensäure wird das Blut schwarz verfärbt. Derselbe Umstand führt zu Darmblutungen u. blutigen Durchfällen, ferner zu zahlreichen Blutungen in Gehirn und Rückenmark. Die nie fehlende Nierenentzündung bringt starken Eiweißgehalt des Harns mit sich. Die Sterblichkeit schwankt bei verschiedenen Epidemien sehr beträchtlich, sie beträgt 15–75 Proz.
Der das G. erregende Mikroorganismus ist noch nicht sicher bekannt. Auch die Eintrittspforte, durch die das G. in den Körper gelangt, ist unbekannt; wahrscheinlich tritt es mit der Atmung in die Lungen ein. Mit dem Trinkwasser wird es nicht verbreitet. Der Erreger hält sich dicht am Erdboden, daher sind Erdgeschoßwohnungen am meisten gefährdet. Die Ausbreitung einer Epidemie hält sich an die menschlichen Verkehrswege, durch Waren und Gegenstände wird es selten verbreitet, meist durch kranke Personen. Der Erreger bleibt in infizierten Örtlichkeiten monatelang ansteckungsfähig, auch ohne Vermittelung kranker Personen. Epidemien dauern meist bis zum Eintritt der kältern Jahreszeit; nur in dem heißen Klima der oben genannten Heimstätten des Gelbfiebers besteht es endemisch während des ganzen Jahres und breitet sich von hier aus in immer neuen Epidemien aus. Prophylaktisch muß man möglichst alles Faulende, alle Ansammlungen von Unrat, stagnierendes Wasser etc. entfernen oder zerstören, die Schiffe rein halten; Fremden ist namentlich in bezug auf geistige Getränke mäßige Lebensweise zu empfehlen. Gegen die Einschleppung der Krankheit durch Schiffe in die Seehäfen müssen Quarantänemaßregeln gehandhabt werden, sobald ein Schiff aus einem Hafen, wo das G. herrscht, nach kurzer Überfahrt ankommt. Die Behandlung der Krankheit kann nur eine symptomatische sein. Man sorgt für passende Diät, reicht kühle Getränke, sehr empfohlen wird die frühzeitige Anwendung von Abführmitteln. Das heftige Erbrechen stillt man mit Eisstückchen, Selterwasser, Opiaten, Senfteigen auf den Magen. Außerdem werden im Lähmungsstadium erregende Mittel gegeben. Versuche, durch spezifische Schutzimpfung gegen G. vorzugehen, sind bis jetzt im allgemeinen so wertlos geblieben wie die zahlreichen vermeintlichen Entdeckungen des Erregers; Finlay-Habana hält Moskitos, ähnlich wie bei Malaria, für Überträger des Gelbfiebergiftes und läßt Menschen von schwach infizierten Moskitos stechen zur Immunisierung gegen das G.; die Sache ist jedenfalls noch nicht spruchreif. Vgl. Liebermeister, Das G. (in Ziemssens »Handbuch der speziellen Pathologie«, 2. Bd., 3. Aufl., Leipz. 1888); Wagner, Das gelbe Fieber (Stuttg. 1879); Sodré u. Couto, Das G. (deutsch von Kahane, in Nothnagels »Spezieller Pathologie und Therapie«, Wien 1901); Sanarelli, Etiologia e patogenesi della febbre gialla (Tur. 1897); Anderson, Yellow fever in the West Indies (Lond. 1898); Scheube, Die Krankheiten der warmen Länder (3. Aufl., Jena 1903).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.