- Harnverhaltung
Harnverhaltung (Dysurie, Ischurie, Harnstrenge), das vollständige Aufhören der Ausleerung des Harns, setzt voraus entweder, daß in den Nieren kein Harn mehr abgeschieden wird, wie bei verschiedenen Formen der Nierenentzündung, bei absolutem Wassermangel im Körper, wie bei Cholera etc. (Anurie), oder daß der in der Harnblase angesammelte Harn aus irgend einem mechanischen Grunde nicht durch die Harnröhre abfließen kann (retentio). Die Entleerung der Harnblase kann verhindert werden durch Entzündungen und Lähmungen derselben, durch Blasensteine, welche die Harnröhre verlegen, durch Vergrößerung der Vorsteherdrüse (besonders häufig bei alten Männern), durch narbige Verengerung der Harnröhre etc. Es kann aber auch die H. oberhalb der Harnblase ihren Sitz haben; z. B. kann sich ein Nierenstein in einem Harnleiter einklemmen und diesen verschließen, während sich der andre durch reflektorischen Krampf verengert und keinen Urin durchläßt. Die H., namentlich die Anurie, ist ein gefahrdrohender, oft nach kurzer Dauer tödlicher Zustand. – H. kommt bei Haustieren nicht selten vor. Die Ursachen sind Verschluß der Harnröhre durch Harnsteine u. dgl., Geschwülste etc. in der Umgebung der Harnröhre, die diese zusammendrücken, sowie abnorme Zustände der Muskulatur der Harnblase und Harnröhre, die sowohl gelähmt als krampfig zusammengezogen sein kann. Harnsteine sind besonders häufig bei Ochsen (s. Harnsteine). Beim Pferde befindet sich über der Ausmündung der Harnröhre in der Eichel eine Grube, deren schmieriger Inhalt steinhart und pflaumengroß werden und dann die Harnröhrenmündung zusammendrücken kann; dieses Hindernis ist leicht zu entfernen. Im übrigen ist jedenfalls tierärztliche Behandlung (bei Harnsteinen Operation) erforderlich. Die Symptome sind bei allen Tieren ähnlich: sie zeigen Schmerzen und Unruhe, versuchen häufig, Harn zu entleeren, indem sie eine entsprechende Stellung einnehmen und heftig pressen; dabei wird Harn gar nicht oder nur tropfenweise, bez. in auffällig dünnem Strahl, bisweilen mit Blut vermischt, entleert. Übrigens kann die H. mit Kolik verwechselt werden, weil die Tiere Leibschmerzen zeigen. Häufiger ist bei Pferden die umgekehrte Verwechselung: weil kolikkranke Pferde Stellungen wie beim Harnlassen einnehmen, täuschen sie Laien leicht H. vor. Im Gegensatz zur H. kommt auch ein fortwährendes unwillkürliches Harntröpfeln vor (unvollkommener Blasenschluß), wodurch beim Männchen die den Penis umhüllende Hauttasche (Schlauch) wund werden kann. Eine ähnliche Wirkung hat es, wenn Pferde nicht, wie normal, den Penis beim Harnlassen aus dem Schlauch vorschieben können (Hosenpisser). Vgl. Pflug, Krankheiten des uropoetischen Systems unsrer Haustiere (Wien 1876).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.