Acetylēn

Acetylēn

Acetylēn (Äthin, Klumegas) C2H2 findet sich in geringer Menge im Leuchtgas, besonders im Olgas, entsteht aus den Elementen, wenn man den elektrischen Flammenbogen zwischen Kohlenspitzen in Wasserstoff erzeugt, beim Erhitzen von Chloroform mit Natrium, beim Behandeln von Äthylenbromid mit alkoholischer Kalilauge, aus Äthylen, Alkohol- und Ätherdämpfen im glühenden Rohr, bei unvollständiger Verbrennung von Leuchtgas und wird durch Zersetzung von Calciumkarbid mit Wasser dargestellt: CaC2+2H2O = C2H2+Ca(OH)2. 1 kg Calciumkarbid liefert etwa 340 Lit. A. Bei der Zersetzung des Calciumkarbids durch Wasser wird viel Wärme entwickelt; trifft das Wasser auf überschüssiges Calciumkarbid, so entstehen infolge starker lokaler Erhitzung benzol- und teerartige Produkte, und wenn sich das Gas dabei unter Druck befindet, können Explosionen eintreten. Zur Vermeidung dieser Übelstände sind viele Apparate konstruiert worden. Bei dem Apparat von Pintsch fällt das zerkleinerte Karbid durch ein Rohr auf einen unter Wasser befindlichen drehbaren Rost. Das entwickelte Gas entweicht durch das Wasser, während das gebildete Kalkhydrat durch den Rost fällt und durch ein am Boden des Apparats befindliches Mannloch nach Bedarf entfernt wird. Das rohe A. enthält geringe Mengen Phosphorwasserstoff, Schwefelwasserstoff, Ammoniak etc. und einen schwefelhaltigen Körper, der ihm einen höchst unangenehmen Geruch verleiht. Das A. ist um so reiner, je sorgfältiger bei der Darstellung Erhitzung vermieden wird, und kann durch Chlorkalk leicht gereinigt werden. A. ist ein farbloses Gas von angenehm ätherischem Geruch, spez. Gew. 0,906, verflüssigt sich bei 0° unter einem Druck von 21,5 Atmosphären. Die kritische Temperatur ist 37°, der kritische Druck beträgt 68 Atm. Das spezifische Gewicht des flüssigen A. bei 0° beträgt 0,45, es erstarrt bei schnellem Verdunsten und schmilzt dann wieder bei -81°. Bei 18° löst Wasser sein gleiches Volumen A., Alkohol 6 Vol., Aceton 25 Vol., bei 12 Atm. Druck 300 Vol. Es brennt mit hell leuchtender, stark rußender Flamme. A. ist sehr leicht zersetzlich, durch den elektrischen Funken oder eine Knallquecksilberpatrone zerfällt es in Wasserstoff und Kohlenstoff, und hierbei wird so viel Wärme frei wie bei der Verbrennung des gleichen Volumens Wasserstoff zu Wasser. Bei gewöhnlichem Druck pflanzt sich diese Zersetzung in reinem A. nicht über die nächste Umgebung hinaus fort, bei einem Druck von mehr als 2 Atm. explodiert aber die ganze Masse. Viel stärker und leichter explodiert das flüssige A. Mit 1,25–20 Vol. Luft bildet A. ein explosives Gemenge. Die Entzündungstemperatur des A. liegt bei 480°. Beimengungen von Äthylen, Olgas machen A. auch unter höherm Druck unempfindlich gegen Knallquecksilberzündung, auch die Lösung in Aceton explodiert nicht. Mit Wasserstoff verbindet sich A. zu Äthylen, mit Chlor verpufft es im Sonnenlicht, mit Kalilauge bildet es im Tageslicht Essigsäure, auch polymerisiert es sich leicht, indem aus 3 Molekülen A. 1 Mol. Benzol C2H2 entsteht. Die beiden Wasserstoffatome im A. sind durch Metalle ersetzbar. Die Alkali und Erdalkalimetallverbindungen sind in der Hitze beständig und entwickeln mit Wasser A. Acetylenkupfer und Acetylensilber, aus ammoniakalischer Kupferoxydul-, bez. Silberlösung durch A. gefällt, sind beständig gegen Wasser, aber trocken äußerst explosiv. Beim Einatmen größerer Mengen von A. wirkt es betäubend. Man benutzt A. in der chemischen Analyse zur Fällung des Kupfers aus seinen Lösungen, in der Technik als Heizgas für Gasmotoren (1 kg Calciumkarbid liefert etwa 2 Pferdestunden). Der hohe pyrometrische Effekt der entleuchteten Acetylenflamme wurde ausgenutzt zur Konstruktion eines Schmelz ofens für Temperaturen von 1500° und darüber, ein Acetylengebläse kann das Knallgasgebläse ersetzen. Von Kieselgur und einem sauerstoffabgebenden Körper aufgesogenes flüssiges A. wird als Sprengstoff empfohlen. (Flüssiges A. ist ein Sprengstoff im Sinne des Reichsgesetzes vom 9. Juni 1884.) Die Stahlindustrie benutzt A. zum Zementieren von Stahl und um Stahlgeräten bis zu einer gewissen Tiefe größern Gehalt an Kohlenstoff zuzuführen. Unter einem Druck von 2 Atm. liefert 1 cbm A. bei Zersetzung durch einen elektrischen Funken oder einen glühenden Draht 1 kg sehr weichen leichten Ruß. Größte Verwendung findet A. als Leuchtgas (s. d.). Es wurde 1836 von Edmund Davy entdeckt, als er Kaliumkarbid mit Wasser übergoß (Kalium = Klumia). Willson stellte es in Amerika im großen aus Calciumkarbid dar und suchte 1894 mit Dickerson die Acetylenbeleuchtung einzuführen. Vgl. Tenner, Fabrikation des Calciumkarbids und des A. und seine Verwendbarkeit (Schöneb. 1896); Pictet, L'Acétylène (Bas. 1896); Liebetanz, Handbuch der Calciumkarbid- und Acetylentechnik (2. Aufl., Leipz. 1899); Vogel, Acetylenzentralen (Halle 1901); »Jahrbuch für A. und Karbid« (das., seit 1900); Zeitschrift: »A. in Wissenschaft und Industrie« (das., seit 1898).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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