Kieselgur

Kieselgur

Kieselgur (Kieselmehl, Bergmehl, Infusorienerde, Diatomeenpelit, Tripel), ein Kieselgestein, das sich im wesentlichen aus den aus amorpher Kieselsäure (Opal) bestehenden Panzern abgestorbener Diatomeen zusammensetzt, bildet eine leichte, mehlartige, weiße, graue, bräunliche oder blaßgrüne Masse, fühlt sich mager an, knirscht zwischen den Zähnen, besitzt ein großes Wasseraufsaugungsvermögen, ist unschmelzbar, unverbrennlich, widersteht bei gewöhnlicher Temperatur den meisten Chemikalien und enthält, wie der analog zusammengesetzte Polierschiefer (s. d.) und Tripel (s. d.), zwischen 75 und 90 Proz. Kieselsäure und 8–13 Proz. Wasser. K. bildet oft beträchtliche Lager im Tertiär und Quartär, häufig in der Nachbarschaft von Braunkohlen und Torf; das größte deutsche, bis 12 m mächtige Lager findet sich bei Hützel in der Lüneburger Heide; sehr viel K. wird auch auf der Grube Oberhohe unweit Celle gewonnen. Außerdem findet sich K. am Vogelsberg in Hessen, Ungarn, in Böhmen, in der Auvergne, in Toskana, Schweden, Finnland, auch im Untergrund von Berlin und in der Weichselniederung; in Oregon, Nevada und Kalifornien gibt es sogar mehr als hundert Meter mächtige Lager von K. K. dient zur Darstellung von Dynamit, in der Ultramarin-, Anilin- und Alizarinfabrikation, namentlich auch zur Darstellung von Wasserglas. Steinkitt, Zement, hydraulischer Mörtel, künstliche Steine werden häufig unter Mitbenutzung von K. hergestellt. Man benutzt sie zur Schnellfiltration, zum Entwässern von Niederschlägen, zu Feuchtigkeit absorbierenden Unterlagen und Bandagen, zur Darstellung billiger Farben, da sie sich wie Baumwolle färben läßt. In der Papierfabrikation verwendet man K. als Füllmaterial, ebenso dient sie zur Darstellung von Siegellack, Guttapercha und Kautschukwaren, zu Feuerwerkskörpern, schwedischen Streichhölzern etc. K. wird mit Brom getränkt (Bromum solidificatum), um letzteres leichter handhaben zu können. Sehr gute Dienste leistet K. zum Putzen von Metall und Glas, als Reinigungsmittel für fettige Gefäße und Maschinenteile. Die Prager Putzsteine sind aus der K. der Weichselniederung hergestellt. K. findet auch Verwendung in der Porzellan-, Schmalte- und Papiermaché-Fabrikation, zu Fayenceglasuren, gegen Hausschwamm, als Füllungsmittel für Hauswände, Fußböden, Gewölbe, feuerfeste Schränke, Eisspinde, sowohl um die Kälte als die Wärme abzuhalten. Ferner dient K. zur Herstellung künstlicher Bimssteine und Schleifsteine, feuerfester Steine, leichter Ziegel und leichten Stucks, als Umhüllungsmaterial für Dampfleitungsröhren und Leitungskanäle für geschmolzenes Metall in Gießereien etc. In der Landwirtschaft wurden auf Moorboden mit Kieselgurdüngung sehr günstige Resultate erzielt, da die leicht lösliche Kieselsäure den Graswuchs ungemein befördert. Auch der Gehalt mancher K. an phosphorsaurem Kalk wirkt sehr günstig. Zur Konsistentmachung von flüssigem Dünger hat K. ziemlich verbreitete Anwendung gefunden. In Schweden werden jährlich Hunderte von Wagenladungen solcher K. (Bergmehl) als Brotmehl und zwar mehr aus Liebhaberei als aus Not von den Landleuten verbraucht; auch in Finnland wird nicht selten Bergmehl dem Brot beigemengt. In Kriegszeiten (z. B. im Dreißigjährigen Kriege zu Kammin und andern Orten sowie noch 1719 und 1733 zu Wittenberg) hat solches Bergmehl mehrfach zur Sättigung dienen müssen.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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