Bennigsen

Bennigsen

Bennigsen, alte niedersächs. Adelsfamilie, erbaute im 13. Jahrh. die Burg B. im hannöverschen Kreis Springe und teilte sich 1618 in die Linien zu Banteln und B. Bemerkenswert sind:

1) Levin August Theophil, Graf von, russ. General, geb. 10. Febr. 1745 in Braunschweig, gest. 3. Dez. 1826 in Hannover, trat, nachdem er seit 1760 im hannöverschen Heer gedient hatte, 1773 in das russische Heer ein. 1774 und 1778 focht er gegen die Türken; nach dem Sturm auf Otschakow unter Potemkin wurde er 1790 Oberst. 1792 und 1794 kämpfte er in Litauen. Im Kriege mit Persien 1796 tat er sich bei der Einnahme von Derbent hervor. Der Zar Paul überhäufte ihn mit Gnadenbezeigungen. Dennoch war B. eins der Häupter der Verschwörung gegen ihn (23. März 1801). Von Kaiser Alexander wurde er 1804 zum Generalgouverneur von Litauen ernannt. Im Oktober 1806 rückte er mit einem starken Hilfskorps in Preußen ein und behauptete seine Stellung bei Pultusk gegen die Franzosen (26. Dez. 1806). Kaiser Alexander ernannte ihn dafür 1. Jan. 1867 zum Oberbefehlshaber der Armee. In der Schlacht bei Eylau (7.–8. Febr.) durfte sich B. noch für den Sieger halten; seine Niederlage bei Friedland in Ostpreußen (14. Juni) hatte jedoch den Frieden von Tilsit zur Folge. Seitdem lebte B. bis 1812 auf seinen Gütern bei Wilna. 1812 nahm er als Generalstabschef Kutusows an der Schlacht bei Borodino teil und schlug Murat bei Tarutino (18. Okt.). Anfang 1813 wurde er zum Oberbefehlshaber der sogen. polnischen Armee ernannt und rückte Anfang Juli in das Herzogtum Warschau ein. Nachdem er 12. Okt. Saint-Cyr bei Dohna geschlagen hatte, traf er am Abende des 17. vor Leipzig ein. Am 18. Okt. erhielt er den Befehl über den rechten Flügel der Verbündeten und erstürmte am 19. die Grimmaische Vorstadt. Hier wurde er von Kaiser Alexander I. in den Grafenstand erhoben und kündigte dem König von Sachsen die Gefangenschaft an. Dann schloß er Torgau, Wittenberg und Magdeburg ein und befehligte auch die Truppen, die Saint-Cyr in Dresden beobachteten. Vom Dezember 1813 bis März 1814 blockierte er Hamburg. Darauf ward er zum Oberbefehlshaber der südlichen Armee ernannt, die in Bessarabien gegen die Türken aufgestellt wurde, nahm aber 1818 seine Entlassung. Er verfaßte: »Gedanken über einige Kenntnisse, die einem Offizier der leichten Kavallerie nötig sind« (2. Aufl., Wilna 1805).

2) Alexan der Levin, Graf von, hannöv. Staatsmann, Sohn des vorigen, geb. 21. Juli 1809 in Zakret bei Wilna, gest. 27. Febr. 1893 in Banteln, studierte in Göttingen die Rechte, trat 1830 in den hannöverschen Staatsdienst, schied aber 1840 wegen Kränklichkeit aus. 1841 wählte ihn die Provinziallandschaft der Fürstentümer Kalenberg, Göttingen und Grubenhagen zum Schatzrat; dadurch ward er Mitglied der Ersten Kammer, des Obersteuerkollegiums und der Generaldirektion der indirekten Steuern. Am 20. März 1848 mit der Bildung eines neuen Ministeriums beauftragt, erhielt er das Portefeuille des Auswärtigen und des königlichen Hauses sowie den Vorsitz, nahm aber schon 28. Okt. 1850 seine Entlassung. Auch jetzt suchte er als Mitglied und als Präsident der Ersten (später der Zweiten) Kammer zwischen dem Ministerium und den Liberalen zu vermitteln. Als er aber auch in Fragen (Domanialausscheidung u. a.), die die persönlichsten Interessen des Monarchen berührten, opponierte, fiel er in Ungnade und wurde auch auf Grund einer Urlaubsverordnung vom 14. Jan. 1857 aus der Kammer ausgeschlossen. 1864 sendete ihn die Hauptstadt als ihren Vertreter in die Zweite Kammer, die ihm aufs neue den Vorsitz übertrug. 1881–83 war er welfisches Mitglied des Reichstags.

3) Rudolf von, deutscher Staatsmann, geb. 10. Juli 1824 in Lüneburg, gest. 7. Aug. 1902 in Bennigsen, studierte in Göttingen und Heidelberg die Rechte, trat 1846 in den Staatsdienst, ward 1850 Justizkanzleiassessor in Aurich, 1852 Stellvertreter des Staatsanwalts in Hannover, 1854 Richter am Obergericht in Göttingen. 1855 zu Aurich in die Zweite Kammer gewählt, nahm er, da ihm die Erlaubnis zum Eintritt versagt ward, 1856 seinen Abschied und bewirtschaftete sein Familiengut B. am Deistergebirge. 1856 in Göttingen in die Zweite Kammer gewählt, trat er bald an die Spitze der liberalen und nationalen Opposition gegen das Ministerium Borries (s. d.). 1859 half er den Deutschen Nationalverein gründen und war bis 1867 dessen Vorsitzender. 1866 bemühte er sich vergebens, Hannover vor dem Bündnis mit Österreich zu bewahren; nach der Annexion trat er als Abgeordneter in das preußische Abgeordnetenhaus und den norddeutschen, später den deutschen Reichstag und gehörte bald zu den Führern der nationalliberalen Partei. Das Abgeordnetenhaus wählte ihn wiederholt zum Vizepräsidenten und 1873 bis 1879 zum Präsidenten. 1868 wählte ihn der hannöversche Provinziallandtag zum Landesdirektor. Mit Erfolg wirkte er für das Zusammenwirken seiner Partei mit der Regierung und Bismarck und brachte 1874 das Kompromiß über die Militärfrage und 1876 das über die Justizgesetze ein. Nachdem Bismarcks Plan, ihn 1878 ins Ministerium zu ziehen, an Bennigsens Verlangen, auch Stauffenberg und Forckenbeck (s. d.) zu Ministern zu machen, gescheitert war, trat eine Verstimmung zwischen B. und dem Kanzler ein, die sich infolge Ablehnung des Sozialistengesetzes 24. Mai 1878 und Bennigsens Opposition gegen die neue Zoll- und Wirtschaftspolitik noch steigerte. Die konservativ-ultramontane Mehrheit wählte ihn 1879 nicht wieder zum Präsidenten des Abgeordnetenhauses, und da seine vermittelnde Politik aussichtslos war, legte B. 10. Juni 1883 seine Mandate nieder. Erst 1887 bei der Bildung des Kartells ließ er sich wieder in den Reichstag wählen, dessen Mitglied er bis 1898 blieb. Vom 29. Aug. 1888 bis zu seinem Rücktritte 31. Dez. 1897 entwickelte er als Oberpräsident von Hannover eine weitgreifende Wirksamkeit. Zu seinen i 70. Geburtstag erschienen biographische Schriften von A. Kiepert (2. vermehrte Aufl., Hannov. 1902) und E. Schreck (das. 1894).

4) Rudolf von, Sohn des vorigen, geb. 12. Mai 1859, studierte die Rechte, trat in den Staatsdienst und wurde 1888 Landrat in Peine. Seit 1893 kommissarisch mit der obersten Leitung der Finanzverwaltung in Deutsch-Ostafrika betraut und 1895 zum Finanzdirektor ernannt, versah er gleichzeitig den Posten des Oberrichters und führte 1896–97 die Geschäfte des Gouvernements. Seit Juni 1898 zeitweilig in der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes beschäftigt, war er 1899 bis Frühjahr 1902 der erste Gouverneur von Deutsch-Neuguinea; auch die Marianen und Karolinen waren ihm unterstellt.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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