- Münster [4]
Münster, 1) Hauptstadt der preuß. Provinz Westfalen und des gleichnamigen Regierungsbezirks und Landkreises, Stadtkreis, früher Hauptstadt des Bistums M., liegt 51 m ü. M., an der Aa und Werse sowie am Dortmund-Emskanal. Die Stadt zeigt mit ihren schönen Kirchen und altertümlichen Privatbauten noch vielfach den Charakter des Mittelalters und ist erst in neuerer Zeit über die im 18. Jahrh. niedergelegten und in Gartenanlagen umgewandelten Befestigungswerke hin ausgewachsen.
An öffentlichen Plätzen sind zu nennen: der von stattlichen Giebelhäusern mit Bogengängen umgebene Prinzipalmarkt, der Neuplatz mit dem Denkmal Kaiser Wilhelms I., der Domplatz mit dem Fürstenbergdenkmal, der Kanonengraben mit dem Friedensdenkmal, die Kreuzschanze mit dem Denkmal der Dichterin Annette v. Droste-Hülshoff, der Überwasser-Kirchplatz mit dem Overbergdenkmal, der Spiekerhof mit Monumentalbrunnen, auf dem die Statue des Kiepenkarl, Typus eines Marktgängers, sich befindet etc. Von den zu gottesdienstlichen Zwecken bestimmten Gebäuden (2 evangelische und 11 kath. Kirchen und eine Synagoge) sind bemerkenswert: der Dom (aus dem 12.–14. Jahrh.), merkwürdig durch die Verschmelzung des gotischen und romanischen Stils (vgl. Savels, Der Dom zu M., Münst. 1904); die gotische Liebfrauenkirche (um 1340 erbaul); die Lambertikirche mit dem 1898 vollendeten neuen Turm (die drei Eisenkäfige, in denen die Anführer der Wiedertäufer nach ihrer Hinrichtung an dem abgetragenen alten Turm aufgehängt wurden, sind an dem neuen Turm wieder angebracht); die Ludgerikirche (1170 im romanischen Stil errichtet, 1330 im gotischen Stil umgebaut); die St. Mauritzkirche (aus dem 12. Jahrh., 1859 restauriert) und die Ägidiikirche aus dem 18. Jahrh. In neuerer Zeit sind erbaut: die St. Josephskirche, die Kirche zum heiligen Kreuz, die Herz-Jesu- und die Erlöserkirche. Andre hervorragende Gebäude sind: das gotische Rathaus mit reich ornamentiertem Giebel, am Prinzipalmarkt, in dessen altem Saal (Friedenssaal) 24. Okt. 1648 der Westfälische Friede abgeschlossen wurde; das Schloß (1767 erbaut, früher bischöfliche Residenz) mit Parkanlagen und einem Botanischen Garten; das neue Stadthaus, das Provinzialmuseum (1905 im Bau begriffen) u.a. Zahlreiche altertümliche Privatbauten, die sogen. adligen Höfe, die als Winterresidenz des westfälischen Landadels dienen, befinden sich am Prinzipalmarkte, darunter der Erbdrostenhof und der Romberger Hof. Letzterer ist teilweise umgebaut und dient zum Teil als Theater und als Gesellschaftshaus.
Die Einwohnerzahl belief sich 1905 einschließlich der 1903 eingemeindeten Gemeinde Lamberti und von Teilen der Gemeinden Überwasser und Mauritz, mit der Garnison (ein Infanterieregiment Nr. 13, ein Kürassierregiment Nr. 4, ein Feldartillerieregiment Nr. 22 und ein Trainbataillon Nr. 7) auf 81,439 Seelen, davon (1900) 58,632 Katholiken, 10,711 Evangelische und 499 Juden. Die Industrie besteht vorzugsweise in Baumwollweberei, Färberei, Druckerei, der Fabrikation von Möbeln, Pianofortes, Zinkornamenten, Korbwaren, Maschinen, Emalliergeschirr, Parkettboden, Paramenten, Zementwaren etc., ferner hat M. mehrere Wagenbauanstalten, berühmte Goldschmiedereien für kirchliche und profane Geräte, Buchdruckerei, Bierbrauerei, Branntweinbrennerei, eine Kunstmühle und ein Elektrizitätswerk. Der Handel, unterstützt durch eine Reichsbankstelle (Umsatz 1904: 1458 Mill. Mk.), eine Handelskammer und durch die Lage am Dortmund-Emskanal, ist besonders lebhaft in Getreide, in Gruben-, Bau- und Nutzholz, Kolonial-, Manufaktur-, Woll- und Eisenwaren, landwirtschaftlichen Maschinen, Vieh etc. Den Verkehr in der Stadt vermittelt eine elektrische Bahn. Für den Eisenbahnverkehr ist die Stadt Knotenpunkt der Staatsbahnlinien M.-Bremen, M.-Sinsen, M.-Emden, M.-Rheda, M.-Gronau und M.-Hamm sowie der Eisenbahn Neubeckum-M. Von Behörden haben in M. ihren Sitz: das Oberpräsidium der Provinz Westfalen, das Provinzial-Schul- und das Medizinalkollegium, das Konsistorium, ein Bischof, ein Domkapitel und Generalvikariat, die Provinzial-Steuerdirektion, eine Generalkommission, die Provinzialverwaltung, die königliche Regierung, das Landratsamt des Landkreises M., ein Landgericht, eine Eisenbahndirektion, Oberpostdirektion, die Landschaft der Provinz Westfalen, das Staatsarchiv, die Landesversicherungsanstalt, die Provinzial-Feuersozietät etc.; ferner das Kommando des 7. Armeekorps, der 13. Division, der 3. Kavallerieinspektion, der 25. Infanterie-, 13. Kavallerie-, 13. Feldartillerie- und der 7. Gendarmeriebrigade. Die städtischen Behörden zählen 15 Magistratsmitglieder und 48 Stadtverordnete. Unter den Bildungsanstalten steht die Universität, die 1902 durch Angliederung der juristischen Fakultät an die ehemalige, nur aus theologischer und philosophischer Fakultät bestehende Akademie gegründet wurde, und deren völliger Ausbau durch Errichtung auch einer medizinischen Abteilung in naher Aussicht steht, obenan. Zu ihr gehören eine Bibliothek, ein archäologisches Museum, ein physikalisches Institut, ein chemisches Institut, naturhistorisches Museum, zootomisches Laboratorium, anatomisches, physiologisches und botanisches Institut, landwirtschaftliche Versuchsstation etc. Die Zahl der Studierenden belief sich im Sommersemester 1905 auf 1500. Sonst hat M. noch 3 Gymnasien, ein Realgymnasium, eine Realschule, ein Priester-, ein Lehrerinnen- und ein israelitisches Lehrerseminar, eine Baugewerkschule, eine Zeichenschule für Kunst und Gewerbe, ein Konservatorium der Musik, einen Zoologischen Garten etc. Ferner bestehen mehrere Klöster, 2 Waisenhäuser, eine Provinzial-Irrenanstalt (Marienthal), eine Provinzial-Augenklinik, eine orthopädische Anstalt, ein Zuchthaus, mehrere Vereine für Kunst und Wissenschaft und für Wohltätigkeits- und Fürsorge-Einrichtungen. – Zum Landgerichtsbezirk M. gehören die 18 Amtsgerichte zu Ahaus, Ahlen, Beckum, Bocholt, Borken i. W., Burgsteinfurt, Dülmen, Haltern, Ibbenbüren, Koesfeld, Lüdinghausen, M., Ölde, Rheine, Tecklenburg, Vreden, Warendorf und Werne.
M. wird zuerst um 800 erwähnt, als Karl d. Gr. dem für die Sachsen ernannten Bischof Liudger diesen Ort (Mimigardevord) zum Wohnort anwies. Der jetzige Name, von monasterium (Wohnungen der Stiftskanoniker) kommt im 11. Jahrh. auf. Bald nach 1186 erhielt M. Stadtrecht, wurde vom Bischof Hermann II. befestigt und blieb bisch oflich, obgleich der Bischof 1277 der Stadt, die seit Ende des 13. Jahrh. der Hansa angehörte, politische Zugeständnisse machte. 1532 neigte sich die Stadt, mit Ausnahme des Domkapitels, dem Lutherischen zu und ward 1535 der Schauplatz der politisch-religiösen Bewegungen der Wiedertäufer (s. d.). Nach tapferer Gegenwehr wurde M. 24. Juni 1535 von dem Bischof erobert und der evangelische Gottesdienst unterdrückt. Hier ward 1648 der Westfälische Friede geschlossen. Die Bischöfe besaßen nur sehr beschränkte Herrschaftsrechte; erst Bischof Bernhard von Galen nahm 1661 die Stadt, die ihm im Einverständnis mit Holland den Gehorsam verweigerte, mit Gewalt, erbaute eine Zitadelle und entriß den Bürgern ihre Privilegien. Doch residierten die Bischöfe selten in M. Die 1818 neu errichtete Akademie wurde 1902 in eine Universität verwandelt. Vgl. Erhard, Geschichte Münsters (Münst. 1837); Keller, Geschichte der Wiedertäufer und ihres Reichs in M. (das. 1880); Detten, M., seine Entstehung etc. (das. 1887); Schulte, Verfassungsgeschichte Münsters im Mittelalter (Dissertation, das. 1897); Engler, Die Verwaltung der Stadt M. 1802–1813 (Hildesh. 1905); Philippi, 100 Jahre preußischer Herrschaft im Münsterlande (Münst. 1904); Hellinghaus, Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt M. (das. 1898, Bd. 1); Krumbholtz, Die Gewerbe der Stadt M. bis zum Jahre 1661 (Leipz. 1898); Pieper, Die alte Universität M. 1773–1818 (Münst. 1902); Detmer, Bilder aus den religiösen und sozialen Unruhen in M. während des 16. Jahrhunderts (das. 1902–04, 3 Tle.); Bahlmann, Münster i. W. und seine Sehenswürdigkeiten (2. Aufl., das. 1902).
Der Regierungsbezirk Münster (s. Karte »Westfalen«) umfaßt 7253 qkm (131,73 QM.), zählt (1905) 818,062 Einw. (112 auf 1 qkm), darunter (1900) 105,582 Evangelische, 589,807 Katholiken und 3743 Juden, und besteht aus den 12 Kreisen:
über die 4 Reichstagswahlkreise des Regierungsbezirks M. s. Karte »Reichstagswahlen«. Vgl. Bahlmann, Der Regierungsbezirk M. (Münst. 1893).
2) (M. im Gregoriental) Kantonshauptstadt und Luftkurort im deutschen Bezirk Oberelsaß, Kreis Kolmar, im Münstertal, an der Fecht und der Eisenbahn Kolmar-Metzeral, 380 m ü. M., hat eine schöne evangelische und eine kath. Kirche, Realschule, Amtsgericht, Oberförsterei, Hauptzollamt, bedeutende Baumwollspinnerei und -Weberei, Bleicherei und Appretur, Käsefabrikation (Münsterkäse) und (1905) 6078 Einw., davon 2973 Evangelische. In der Nähe die Ruine Schwarzenberg und der Schloßwald mit Musterwirtschaft. Der Ursprung der Stadt geht auf ein 634 begründetes Benediktinerkloster zurück. Dieses trat 1235 die Vogtei an das Reich ab, infolgedessen M. die Rechte einer Reichsstadt erlangte und 1364 in den Zehn-Städtebund des Elsaß trat. Die großartige Industrie wurde 1780 von A. Hartmann begründet. Das Münstertal, von der Fecht durchflossen, hat auf den südlichen Bergabhängen noch Weinbau; auf den Bergwiesen wird Alpenwirtschaft betrieben, die den berühmten Münsterkäse (jährlich etwa 500,000 kg) erzeugt. Vgl. Rathgeber, M. im Gregoriental (Straßb. 1874); Calmet, Histoire de l'abbaye de Munster (Kolmar 1882); Hecker, Die Stadt und das Tal zu M. im St. Gregoriental (Münst. 1890); »Das Münstertal«, Touristenführer (2. Aufl., Straßb. 1897). – 3) (M. in Hessen) Dorf in der hess. Provinz Starkenburg, Kreis Dieburg, an der Gersprenz und der preußisch-hessischen Staatsbahnlinie Offenbach-Reinheim, hat eine kath. Kirche, Eisengießerei, Hasenhaarschneiderei, Likörfabrik, 2 Mahl- und eine Sägemühle und (1905) 2620 Einw. – 4) Dorf im württemberg. Neckarkreis, Oberamt Kannstatt, an der Staatsbahnlinie Untertürkheim-Kornwestheim, hat eine evang. Kirche, ein Schloß, Eisengießerei, Ziegelbrennerei, Weinbau und (1905) 3272 Einw. – 5) (Beromünster) Dorf im schweizer. Kanton Luzern, Bezirk Sursee, 656 m ü. M., mit Sekundärschule, Progymnasium, Chorherrenstift aus dem 10. Jahrh. und (1900) 978 kath. Einwohnern. Großartige, kulturhistorisch interessante Prozession am Himmelfahrtstag (4–5000 Personen, wovon 200 Berittene); um 1470 bestand hier schon eine Buchdruckerei, angeblich die älteste der Schweiz. Vgl. M. Riedweg, Geschichte des Kollegialstiftes Beromünster (Luzern 1881); K. A. Kopp, Die Stiftsbibliothek von Beromünster (das. 1902–03). – 6) (Moutier-Grandval) Flecken und Bezirkshauptort im schweizer. Kanton Bern, im romantischen Münstertal, einem Juratal, das unterhalb gegen Courendlin hin einen von steilen Kalksteinfelsen eingerahmten Engpaß bildet, an der Birs, 540 m ü. M., an der Eisenbahn Biel-Basel, mit Schloß, 2 Kirchen, Uhrmacherei, Glasbläserei, Töpferei, Ziegeleien, Viehzucht und (1900) 3090 Einw., darunter 856 Katholiken. – 7) (rätoroman. Müstair) Dorf im gleichnamigen Tale des schweizer. Kantons Graubünden, 1248 m ü. M., mit 594 kath. Einwohnern und einem Benediktinerinnenkloster mit Erziehungsanstalt für Mädchen. Das Münstertal (Val Müstair), vom Rambach, einem Zufluß der Etsch, durchströmt, ist eins der höchsten und rauhesten der in Dörfern bewohnten Täler Europas (bei Cierfs 1664 m), gehört 18 km weit der Schweiz, 7 km weit Tirol an und verkehrt mit dem Engadin durch den Buffalora- und Ofenpaß, mit Bormio (Worms) durch die neue Umbrailstraße über das Wormser Joch. Es ist auf Schweizer Boden von einem fast gänzlich rätoromanischen, größernteils reformierten Hirtenvölklein von (1900) 1509 Seelen bewohnt, die sechs Gemeinden (Cierfs, Fuldera, Lü, M., Sta. Maria, Valcava) bilden. Seit 1748 gehört das untere Tal von Taufers ab zu Tirol.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.