- Lateinischer Münzvertrag
Lateinischer Münzvertrag (lateinische Münzkonvention, Convention monétaire), der Pariser Vertrag vom 23. Dez. 1865 zwischen Frankreich, Italien, Belgien und der Schweiz (mit Gültigkeit vom 1. Aug. 1866) zur Aufrechterhaltung der Frankenwährung im festen Verhältnis des Gold- und Silberwertes von 1:151/2. Durch diesen Vertrag, dem Griechenland 8. Okt. 1868 beitrat, verpflichteten sich die beteiligten Staaten, ihre Gold- und Silbermünzen in gleichem Schrot und Korn auszuprägen sowie gegenseitig an den öffentlichen Kassen ohne Rücksicht auf den Ursprung anzunehmen, Scheidemünzen allerdings bei jeder Zahlung nur bis 100 Fr. Die Kurantmünzen sollen 900, die Scheidemünzen 835 Tausendteile Feingehalt enthalten, letztere mit 3, Silberkurant mit 2 und Goldmünzen mit 1 Tausendteil Toleranz. Bei 1/2 kg = 32,25806 g Gewicht (kleinere Stücke entsprechend) soll das 100-Frankstück 35 mm Durchmesser haben und der Spielraum im Gewicht hier wie bei den 28 mm messenden 50-Frankstücken 1 Tausendteil sein, dagegen 2 Tausendteile bei den 21 und 19 mm großen zu 20 und 10 Fr., 3 Tausendteile bei den 5-Frankstücken in Gold zu 17 und in Silber zu 37 mm Durchmesser. Für Silberkurant ist 25, für die Scheidemünzen 10 bis herab zu 1 g das Normalgewicht; die 27 und 23 mm großen Stücke zu 2 und 1 Fr. dürfen um 5, die Stücke von 18 mm zu 50 Centimes um 7 und die zu 20 Centimes von 16 mm um 10 Tausendstel abweichen. Öffentliche Kassen brauchen kein Geld anzunehmen, dessen Gepräge durch den Umlauf verschwunden ist, oder das an Gewicht bei Goldmünzen 1/2, bei Silberkurant 1 vom Hundert verloren hat. Scheidemünzen (monnaies d'appointen argent) haben im Ausgabestaat gesetzlichen Umlauf bis zum Betrage von 50 Fr. bei jeder Zahlung an Private und unbegrenzt bei solchen an den Staat; letzterer soll sie umprägen, wenn die Schrift verwischt oder ihr Gewicht um 5 vom Hundert unter das tolerierte gesunken ist; sie sollen ferner noch während zweier Jahre nach dem Ablauf des Vertrages gegen Kurant umgewechselt werden; mehr als 6 Fr. Silberscheidemünze auf den Kopf darf kein Staat herstellen. Die Regierungen sind verpflichtet, alle die Prägung, Münzstörung und Falschmünzerei betreffenden Tatsachen einander mitzuteilen und Beistand zu leisten. Wird der Vertrag nicht vor Ablauf gekündigt, so gilt er von einem Jahr zum andern fort. Bezüglich der Goldmünzen zu 8 und 4 Gulden = 20 und 10 Fr. trat Österreich-Ungarn im Frühjahr 1874 (zeitweise) der Konvention bei. Um diese Zeit vereinbarte man, die übermäßige Ausprägung silberner Fünffranken zu beschränken, und stellte sie 1876 überhaupt ein. – Der Lateinische Münzvertrag wurde 5. Nov. 1878 unter Beitritt Monacos verlängert, die Prägung goldener 5-Frankstücke zugleich eingestellt und zugunsten Italiens, das sein Kleinpapiergeld einzuziehen beabsichtigte, die Annahme italienischer Scheidemünzen an den öffentlichen Kassen der andern Staaten zeitweise ausgeschlossen. Am 6. Nov. und für Belgien 12. Dez. 1885 kam ein neuer Vertrag zustande, nach dem jeder Staat silberne 5-Frankstücke wieder prägen kann, dann aber verpflichtet ist, den andern Vertragsstaaten seine dort umlaufenden 5-Frankstücke auf Sicht in Gold umzuwechseln oder zurückzuzahlen, auch muß er sich deren Zurückweisung gefallen lassen. Die Schweiz behielt sich für den Fall solcher Ausprägungen das Recht des Austritts aus dem Bunde var. Im Falle der Kündigung hat jeder Staat bis zum 1. Okt. des auf die Kündigung folgenden Jahres die Silberkurantmünzen des andern einzuziehen und bis zum 15. Jan. des darauffolgenden Jahres seine eignen Münzen zurückzunehmen und in Gold- oder 5-Frankstücken mit dem Gepräge des andern Teiles, eventuell in Tratten (einlösbar in Münzen oder Banknoten des empfangenden Staates) zu bezahlen. Für einzelne Staaten treten besondere Bestimmungen ein. So braucht Belgien nur die Hälfte seines in Frankreich bleibenden Überschusses an diesen Münzen bar oder in Wechseln zu bezahlen; die andre Hälfte soll auf dem Wege des Handels zurückfließen, zu welchem Behuf sich Belgien verpflichtet, fünf Jahre nach Ablauf des Münzvertrages keine Änderung in seinem Münzsystem vorzunehmen; sollte sein in Frankreich verbleibender Restbetrag mehr als 200 Mill. Fr. betragen, so löst Belgien den Überschuß gleichfalls bar oder in Wechseln ein. Frankreich hat an die Schweiz bei Zurückziehung seiner silbernen 5-Frankstücke nur Schweizer 5-Frankstücke oder Gold, letzteres jedoch im Höchstbetrag von 60 Mill. Fr., Italien an die Schweiz im gleichen Falle 20 Mill. in Gold oder Schweizer 5-Frankstücken (Maximum der Rückzahlung in bar oder Tratten 30 Mill.) zu zahlen. Da die Schweiz wenig Silberkurant geprägt hat, so erlangt sie nach Auflösung des Bundes die tatsächliche Goldwährung. – Weil die Silberscheidemünzen aus Italien immer wieder abflossen, schied das Königreich durch Übereinkommen vom 15. Nov. 1893 in bezug auf den freien Verkehr dieser Münzgattung aus und löste die von öffentlichen Sammelstellen der andern vier Staaten eingezogenen Stücke mit Goldmünzen und Wechseln ein, abgenutzte für vollwichtig. Beim Erlöschen des Vertrages bleibt die Pflicht der Zurücknahme aller in den übrigen Staaten etwa noch umlaufenden italienischen Münzen bestehen; jene dürfen die Einfuhr und Italien die Ausfuhr solcher Scheidemünzen verbieten. Den andern Staaten steht das Recht einer ähnlichen Maßregel zu. Am 29. Okt. 1897 einigte man sich auf Erhöhung des Kontingents an monnaies divisionnaires für Frankreich um 130, für Belgien um 6, für die Schweiz um 3 und für Italien um 30 Mill. Fr., wovon jeder Staat 3 Mill. aus Barren prägen darf, während zu den übrigen allein dem Verkehr entzogene Kurantmünzen verwendet werden dürfen. Der Schweiz wurde endlich 15. Okt. 1902 eine Vermehrung um 12 Mill. Fr., d.h. auf 12 Fr. für den Kopf, wegen des starken Kleinverkehrs erlaubt. Dasselbe Münzsystem haben Spanien, Bulgarien, Rumänien, Serbien und die meisten südamerikanischen Staaten, teilweise auch Finnland und Rußland angenommen. S. auch Frank (S. 825) und Währung. Vgl. Bamberger, Die Schicksale des Lateinischen Münzbundes (Berl. 1885); Burkhardt-Bischoff, Die Lateinische Münzkonvention und der internationale Bimetallismus (Basel 1886).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.