Kolík

Kolík

Kolík (Leib-, Bauchschmerz, Bauchgrimmen, Enteralgie, Colica), im weitern Sinne jeder heftigere Bauchschmerz, im engern Sinn aber nur derjenige Schmerz, wobei eigentliche anatomische Veränderungen der Eingeweide, z. B. entzündliche, nicht vorhanden sind, wo vielmehr der Schmerz nur ein Nervenschmerz, ein Krampf ist, der anfallsweise auftritt, und wobei die Gedärme hörbar und fühlbar sich heftig bewegen. Ursprünglich bezeichnete man mit K. nur Schmerzen, die im Dickdarm (colon) ihren Sitz haben (daher der Name: dolor coli). Die Ursachen der K. sind sehr mannigfaltig, und daher unterschied man früher vielerlei Koliken. Am häufigsten veranlaßt sie der Darminhalt, namentlich zu große Mengen oder ungeeignete Beschaffenheit der Speisen, gärende oder unverdauliche Substanzen, oder Ansammlung von Gasen, Kotmassen, Fruchtkernen, Würmern oder Giften und Medikamenten (Bleivergiftung, Colica saturnina, Kupfervergiftung, C. cuprica). Andre Ursachen liegen in Störungen des Nervensystems, wie dies bei Hysterischen und bei Hypochondern nach Gemütsbewegungen häufig beobachtet wird, oder die K. entsteht durch Fortpflanzung eines Reizes auf die Därme, z. B. von der Gebärmutter, der Leber, den Nieren, Hoden etc. aus, oder aber nach Erkältungen der Füße etc. als rheumatische K. Hauptsymptom der K. ist der Schmerz, dessen Heftigkeit und Ausdehnung sehr verschieden sind. Als sein Hauptsitz wird gewöhnlich die Nabelgegend bezeichnet, er verbreitet sich aber auch oft um dieselbe herum und geht nach Mastdarm und Blase. Druck auf den Bauch lindert den eigentlichen Kolikschmerz in der Regel, und die Kranken pressen sich sogar selbst die Faust auf den zusammengekrümmten Leib im Gegensatz zu Leibschmerz aus andern Ursachen, z. B. Darmkatarrh, Bauchfellentzündung. Ein weiteres Symptom bilden die heftigen Zusammenziehungen der Gedärme, die man oft sehen oder wenigstens fühlen kann. Der Stuhl ist in der Regel angehalten, doch kommt auch Diarrhöe vor, und gleichzeitig ist dann auch nicht selten Erbrechen vorhanden. Unruhe, Unbehagen, kalte Schweiße, kalte Hände und Füße, unregelmäßiger Puls, Krämpfe, Ohnmachten begleiten die heftigern Anfälle meistenteils. Die Erkennung der K. ist in den meisten Fällen nicht schwer, schwieriger schon ist die Entscheidung über die ihr zugrunde liegende Ursache. Bei heftigen Koliken muß man immer auch Verdacht auf Vergiftung hegen. Ist die Ursache entfernt, so schwindet auch die K., und da man bei ihrer einfachen Form jene meist entfernen kann, so ist auch die Voraussage in der Regel günstig. Ist die Ursache der K. nicht erkennbar, so reicht man schmerzstillende Mittel, besonders Opium oder Morphium, auch warme Umschläge auf den Leib lindern den Schmerz. Nieren- und Gallensteinkolik sind heftige Schmerzanfälle beim Durchtritt von Steinen durch die Harn- oder Gallenwege; sie erfordern oft Einspritzung von Morphium unter die Haut. Menstrualkolik besteht in Schmerzanfall vor und bei Eintritt der Menstruation (s. Dysmenorrhöe).

K. kommt bei allen Haustieren, weitaus am meisten beim Pferde vor, das durch den Bau seiner Verdauungsorgane besonders gegen Diätfehler empfindlich und überhaupt zu Erkrankungen disponiert ist. Deshalb ist K. die häufigste innerliche Krankheit der Pferde, die auch, abgesehen von dem Ausbruch einer Seuchenepidemie, die meisten Verluste bedingt. Von kolikkranken Pferden sterben ca. 12 Proz. In der Armee erkranken trotz der streng geregelten Fütterung jährlich 2–3 Proz. der Pferde an K. Die Kolikschmerzen äußern sich dadurch, daß das Tier unruhig ist, hin und her trippelt, sich nach dem Bauch umsieht, mit den Hinterfüßen gegen den Leib zu schlagen sucht, bei heftigen Schmerzen auch sich hinwirft und wälzt (weshalb für weiche Streu zu sorgen ist). Dabei werden Puls und Atmung beschleunigt, und die Nahrungsaufnahme unterbleibt. Bei schwerer Erkrankung wird der Puls hart, die Nasenschleimhaut dunkelrot, der Blick stier, und das Pferd schwitzt stark. In den meisten Fällen besteht dabei Verstopfung. Die Schmerzen treten meist anfallsweise auf und wechseln mit Ruhepausen. Der Ausgang pflegt sich in 24–48 Stunden zu entscheiden, kann jedoch noch nach 3 und 4 Tagen günstig werden. Nicht selten wiederholen sich bei Pferden Kolikanfälle in kürzern Zwischenräumen (habituelle K.); solche Pferde sind meist mit chronischen unheilbaren Veränderungen behaftet, an denen sie schließlich zugrunde gehen. Ursachen der K. sind Erkältung (rheumatische oder Krampfkolik), Ansammlung von Darmgasen (Windkolik), Diätfehler, insbes. Überladung des Magens (Überfütterungskolik) und Anhäufung des Futters im Dickdarm (Verstopfungskolik). In diesen Fällen ist durch rechtzeitige Behandlung Heilung herbeizuführen. Häufig liegen der K. aber unheilbare Zustände zugrunde, so Berstung des Magens (bei Überladung, besonders mit quellbarem Futter, z. B. Mais, Erbsen), Berstung des Darmes, Zerreißung des Zwerchfells, Abschnürung (Strangulation) und Einklemmung (Inkarzeration) eines Darmstücks in Bruchöffnungen, Löchern im Gekröse und Zwerchfell, sowie durch Verschlingung des Dünndarms und Drehung des Dickdarms um seine Längsachse (Volvulus); ferner Behinderung der Passage durch Geschwülste und Darmsteine, durch Erkrankung, bez. Lähmung einzelner Darmabschnitte und Absterben derselben infolge von Verlegung (Thrombose) des zuführenden Blutgefäßes (s. Wurmaneurysma). In allen diesen Fällen ist die K. in der Regel tödlich. Sandkolik entsteht, wenn Pferde auf sandigen Reitplätzen oder von einer Sandunterlage ihrer Streu Sand fressen (meist, wenn sie nicht genug Heu erhalten). Da sich die spezielle Ursache der K. meist nicht sogleich ermitteln läßt, so ist die Behandlung zunächst eine symptomatische und richtet sich auf Schmerzlinderung und Darmentleerung. Schleunige Zuziehung des Tierarztes ist in jedem Falle ratsam. Vor seiner Ankunft empfiehlt sich warme Einwickelung des Bauches, eventuell vorherige Einreibung mit Spiritus oder Terpentinöl. Nach der Einreibung wird das Pferd eine halbe Stunde umhergeführt (das bisweilen übliche stundenlange Umherführen, um das Pferd am Niederwerfen zu verhindern, schwächt und ist schädlich). Zur Darmentleerung dienen als Hausmittel Glaubersalz, 250 g und mehr mit Leinsamenschleim (Vorsicht beim Eingießen, damit das Pferd sich nicht verschluckt), eine Aloepille, die vorrätig gehalten werden kann (die englischen »Physics« sind Aloepillen), ausgiebige Warmwasserklistiere (mit Gummischlauch einzufüllen). Die Tiermedizin kennt heute einige sehr schnell und intensiv wirkende Mittel, die aber von Laien nicht appliziert werden können. Vgl. Werner, Die K. des Pferdes (Leipz. 1904).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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