- Indĭgo
Indĭgo (Indicum), blauer Farbstoff, kann aus vielen Pflanzen erhalten werden, findet sich aber niemals fertig gebildet in diesen Pflanzen. Die wichtigsten Indigopflanzen sind: Indigofera tinctoria, Anil, articulata, sumatrana, arracta, argentea, hirsuta, leptostachya und andre Arten derselben Gattung (s. Indigofera), Isatis tinctoria, Polygonum tinctorium und Nerium tinctorium; außerdem wird Indigobildung beobachtet bei: Asclepias tingens, Eupatorium tinctorium, Galega tinctoria, Mercurialis annua und perennis und bei mehreren Orchideen, die sich auf frischer Schnittfläche blau färben. Zur Darstellung des Indigos werden namentlich die Indigofera-Arten kultiviert, zur Zeit der Blüte abgeschnitten und in großen Reservoirs mit Wasser der Gärung überlassen. Die abgelassene Flüssigkeit bringt man in einem zweiten Reservoir durch Schlagen mit Stöcken oder Schaufeln in möglichst innige Berührung mit der Luft. Der hierbei abgeschiedene I. wird nach dem Absetzen ausgewaschen und getrocknet. Getrocknete Indigofera-Blätter liefern höchstens 2 Proz. I.
Der feinste I. ist der japanische mit 70–80 Proz. (in neuester Zeit auch mit 55–70 Proz.) Indigblau, am meisten verwendet wird Bengalindigo mit 55–65 Proz. Indigblau. Ihm schließen sich die zahlreichen ostindischen Marken Oudh, Tirhoot, Bimlipatam, Kurpah, Madras, Currachee etc. an, deren Gehalt von 60 Proz. bis zu 30 Proz. hinabgeht. Der einzige amerikanische I., der für den Welthandel Bedeutung hat, der Guatemala, hat 45–60 Proz. Indigblau und verhält sich dem Bengal ähnlich. I. von den Philippinen enthält 10–20 Proz. Indigblau. Versuche, durch Verbesserung der Herstellungsmethode gehaltvollern I. zu erzeugen, scheinen nicht gelungen zu sein, dagegen hat man aus den gewöhnlichen Sorten durch Reduktion und Oxydation Raffinaden mit 92–96 Proz. Indigblau gewonnen. Auch hat man durch rationelles Bewässern und Düngen des Bodens sowie durch sorgsameres Auspressen der Pflanzen die Produktionsverhältnisse wesentlich günstiger gestaltet. Der I. des Handels bildet würfel- oder tafelförmige, meist zerbrochene, tief dunkelblaue, purpurviolette Stücke von erdigem Bruch und nimmt beim Reiben mit einem harten Körper Kupferglanz an. Je stärker dieser Metallglanz ist, je mehr »gefeuert« der I. erscheint, um so besser ist er. Gute Sorten schwimmen auf dem Wasser, solange sie sich noch nicht vollgesogen haben. I. klebt an der Zunge wie Ton, ist geruch- und geschmacklos, nicht giftig, völlig indifferent, unlöslich in allen gewöhnlichen Lösungsmitteln und zersetzt sich beim Erhitzen, ohne zu schmelzen, unter widerwärtigem Geruch und Entwickelung purpurroter Dämpfe. Beim Erhitzen an der Luft brennt er mit Flamme, und beim Einäschern hinterläßt er 4–21, in der Regel 7–9,5 Proz. weißgraue Asche. I. ist ein schwankendes Gemisch verschiedener Stoffe und enthält als wesentlichen Bestandteil Indigblau, Indigotin C16H10N2O2, außerdem als unwichtigere Beimengungen noch Indigrot, Indigbraun, Indigleim, Spuren eines gelben Farbstoffes, kohlensauren Kalk und kohlensaure Magnesia, Tonerde und Eisenoxyd. Diese Beimengungen sind entweder indifferent, oder sie wirken durch Trübung der Farbe schädlich. In Indien wurden in den Jahren 1896–1900 durchschnittlich 1,200,000 Acres mit Indigopflanzen bestellt, 1901–02 nur noch 791,200 u. 1902–03 noch 574,700 Acres. Die Ausfuhr betrug:
Die Gesamtproduktion wird für 1903 auf 3,329,000 kg angegeben. Davon entfielen auf Indien 2,619,000, auf Holländisch-Indien 500,000, auf Mittelamerika 210,000 kg. Deutschland führte
ein und verbrauchte noch Mitte der 90er Jahre des 19. Jahrh. jährlich für etwa 10 Mill. Mk. I.
Man benutzt I. fast ausschließlich in der Färberei, er gibt auf Seide, Wolle, Leinen, Baumwolle das echteste Blau, wenn man ihn zu Indigweiß reduziert, die Garne oder Gewebe in dessen alkalische Lösung eintaucht und dann zur Oxydation, d. h. zur Rückbildung von Indigblau, an die Luft hängt, so daß sich der Farbstoff im Moment seiner Bildung mit der Faser vereinigen kann (Küpenblau). Bei dieser Küpenfärberei entstehen Verluste, indem ein Teil des Indigos in Körper verwandelt wird, die für die Zwecke der Färberei wertlos sind. Die Ausbildung der Kü penmethoden ist deshalb von großer Wichtigkeit. Zur Ausführung der Küpenfärberei benutzt man Eisenvitriol und Kalk (Vitriolküpe), wobei das gebildete Eisenhydroxydul das Indigblau reduziert; Zinkstaub und Kalk (Zinkstaubküpe), in der Wasserstoff gebildet wird; Zinkstaub und Natriumbisulfit (Hydrosulfitküpe), in der das durch Zink gebildete hydroschwefligsaure Natron reduzierend wirkt; oder leicht vergärende Substanzen, wie Kleie, Krapp, Waid, Sirup, unter Zusatz von Soda und Kalk (Gärungsküpe, Waid-, Bastardküpe, in der Wasserstoff reduzierend wirkt). Die ausgefärbten Stoffe werden mit verdünnter Schwefelsäure aviviert und dann gründlich gewaschen. Im Zeugdruck hat man auch eine Opermentküpe benutzt, erhalten durch Auflösen von Operment (Schwefelarten) und I. in Kali lange, ebenso eine Zinnküpe, die durch Einwirkung einer Lösung von Zinnoxydul in Kalilauge oder durch Kochen von I. mit Ätznatron und Zinn dargestellt wurde. Man druckte auch den I. mit reduzierenden Mitteln auf das Gewebe, vervollständigte die Reduktion durch Ätzkalk-, Eisenvitriol- und alkalische Bäder und oxydierte dann das Indigweiß (Fayenceblau, Englischblau). Nach einem neuern Verfahren druckt man eine Mischung von I. mit Ätznatron und einem Verdickungsmittel auf das mit Traubenzucker geklotzte und gut getrocknete Gewebe und dämpft. Auch wird eine gemischte, aus Indophenol und I. angesetzte Küpe benutzt. Minder echt ist die Färberei mit abgezogenem Blau (Sächsischblaufärberei, s. Indigblauschwefelsäuren). Über abgezogenes Blau, blauen Karmin, Chemischblau s. Indigblauschwefelsäuren. In neuester Zeit hat das künstlich hergestellte Indigblau den I. mehr und mehr zurückgedrängt. I. ist auch als Arzneimittel gegen Epilepsie empfohlen worden.
Die Indigofärberei war bereits in den entlegensten Zeiten des Altertums bekannt und wurde wohl zuerst in Indien, der Heimat der Indigopflanze, wahrscheinlich in der Form einer primären Gärungsküpe geübt. Die Juden bauten I. an, und noch um 1320 n. Chr. blühte die Indigokultur bei Jericho. Plinius berichtet von einem blauen Farbstoff, der nach dem Purpur im höchsten Ansehen stehe und aus Indien komme; er kennt auch den roten Dampf, den der I. beim Erhitzen ausstößt, und erzählt, daß der I. in der Malerei und in der Medizin bei Geschwüren etc. angewendet werde. Hiermit stimmen die Angaben des Dioskorides überein. Der I. hieß bei den Alten Indicum, arabische Schriftsteller gebrauchen auch das hindostanische Wort nil (blau). Marco Polo beschreibt um 1300 die Bereitung des Indigos nach eigner Anschauung, und 1516 wurden zuerst größere Mengen von I. nach Europa gebracht. Zuerst benutzten die Italiener den I., als a ver die Holländisch-Ostindische Kompanie durch starke Einfuhr die ausgebreitetere Anwendung des Indigos beförderte, fühlten sich die heimischen Waidfabrikanten bedroht und wußten es durchzusetzen, daß die Einfuhr des Indigos verboten wurde. Dies geschah z. B. in England unter der Regierung Elisabeths, und man vernichtete sogar den im Lande befindlichen I. In Deutschland erfolgte das erste Verbot 1577 von Frankfurt aus und wurde mehrere Male, zuletzt noch 1654 von Ferdinand III., in Erinnerung gebracht. Zum Teil mag zu dieser Verfolgung des Indigos wohl die Unkenntnis der Färber beigetragen haben, die, da sie den neuen Farbstoff nicht kannten, die Haltbarkeit der damit gefärbten Tuche oft durch Anwendung von Vitriolöl u. dgl. beeinträchtigen. Die Nürnberger ließen jeden Färber jährlich schwören, daß er keinen I. gebrauche, und bedrohten ihn im Übertretungsfall mit Todesstrafe. Trotzdem breitete sich die Anwendung des Indigos weiter aus, und 1699 konnte Colbert nur noch befehlen, den I. nie ohne Waid anzuwenden. Die völlige Freigebung des Indigos datiert aber erst von 1737. Nach Amerika wurde die Indigofabrikation in der zweiten Hälfte des 18. Jahrh. gebracht. Die Kunst, Wolle mit in Schwefelsäure aufgelöstem I. zu färben, wurde 1740 von Barth zu Großenhain in Sachsen entdeckt. Vgl. Rudolf, Die gesamte Indigoküpenblaufärberei (Leipz. 1885); Seltner, Die Indigoküpen (das. 1886); Reid, The culture and manufacture of i. (Kalkutta 1888); André, Cultuuren bereiding van I. op. Java (Amsterdam 1891); v. Georgievics, Der I. vom praktischen und theoretischen Standpunkt dargestellt (Wien 1892); Lee, I. manufacture (Lond. 1892); Reissert, Geschichte und Systematik der Indigosynthesen (Berl. 1898); »I. rein B. A. S. F.«, hrsg. von der Badischen Anilin- und Sodafabrik in Ludwigshafen (ohne Jahr).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.