Handelspflanzen

Handelspflanzen

Handelspflanzen, Kulturpflanzen, deren Ernteprodukte Rohmaterialien für verschiedene, mit dem Landwirtschaftsbetrieb nicht in Verbindung stehende industrielle Unternehmungen liefern. Der Handelsgewächsbau ist schwieriger und kostspieliger als der Getreidebau, liefert schwankendere Roh-, aber bei günstigen Handelskonjunkturen viel höhere Reinerträge sowie Produkte, die wegen des hohen Wertes leichter transportabel sind. Zur Durchführung des Anbaues der H. sind oft bedeutende Betriebskapitalien und zahlreiche Arbeitskräfte erforderlich. Am geeignetsten für die Großkultur sind von den H. die Ölfrüchte (s. Ölfruchtbau), während die Gespinstpflanzen, die Gewürz-, Farb-, Arznei- und Manufakturpflanzen eher für die Kleinkultur sowie überhaupt für hochintensiven Landwirtschaftsbetrieb passen. Der Bedarf an Produkten, welche die H. bieten, ist mit Ausnahme von Tabak und Hopfen sehr gering und ihr Anbau nur auf solche Gebiete beschränkt, die durch besonders günstige Vegetations- und Absatzverhältnisse dafür geeignet sind.

Von den Gewürzpflanzen, die ätherisches Öl enthaltende Pflanzenteile liefern, werden feldmäßig gebaut: schwarzer und weißer Senf, deren Samen zur Bereitung des Mostrichs (Senf, Moutarde) dienen. Ersterer wird besonders in Südfrankreich, Griechenland, Rußland etc. auf kalkreichem Boden in ähnlicher Weise wie die Ölfrüchte kultiviert. Meerrettich (Kren, Grän) wird am ausgedehntesten bei Bamberg, Rastatt, Offenburg, Erlangen, Nürnberg, Würzburg, Hannover, Liegnitz, Hamburg, um Tulln (Niederösterreich), Malin, Časlau (Böhmen) etc. gebaut. Die Anlage eines Meerrettichfeldes erfolgt auf meist tief gespatetem, sorgfältig gedüngtem, tiefgründigem frischen Boden mit Rhizomstücken (Stangen, Wurzeln, Fechser etc.), die in schräge Pflanzlöcher in 40–80 cm Entfernung gesteckt werden. Über Sommer erfolgt mehrmaliges Behacken, gegen Ende Juli das »Heben« und »Putzen«, um möglichst dicke Stangen zu erhalten. Die Stangen werden im ersten oder zweiten Herbst aus dem Boden genommen und mit wollenen Lappen abgerieben. Das Hektar liefert durchschnittlich 24–26,000 Stangen von 30–35 cm Länge und 2,5–5 cm Dicke. Der Kümmel (Karve, Kümmich), dessen Samen als Gewürz für Brot, Käse und Speisen, als Zugabe zu Mastfutter, zur Herstellung von ätherischem Öl, in der Medizin und der Seifenfabrikation verwendet werden. Der Anbau erfolgt entweder durch Pflanzung oder durch Saat unter einer Überfrucht. Er erhält die Kultur einer Hackfrucht. Am meisten schädigt ihn durch Verhinderung der Samenbildung die Kümmelschabe (Depressaria nervosa) und die Erscheinung der Trotzer, die darin besteht, daß die Pflanzen im zweiten Jahre nicht in Samen schießen wollen. Fenchel, Anis, Koriander sind wie Kümmel Doldengewächse und werden als Hackfrüchte jedoch nur hier und da im großen kultiviert. Safran liefert als nutzbaren Teil die Narbe mit einem Teil des Griffels, die getrocknet als Gewürz und zum Färben von Butter, Käse, Würsten etc. verwendet wird. Die ausgedehntesten Safrangärten finden sich in Niederösterreich, Südtirol, Ungarn, in der Provence und in Loiret. Die Anlage der Safranbeete, die drei Jahre nach Zwischenpausen von 7–10 Jahren zur Safrankultur verwendet werden, geschieht mit jungen Zwiebeln (Kiele), die ältern Pflanzungen entnommen werden. Die Ernte ist sehr mühsam, weil die Narben einzeln vor dem Eintritt der Mittagswärme aus den Blumen ausgelöst und bei gelinder Wärme in Öfen getrocknet werden müssen. Die Zwiebeln werden im Frühjahr und Sommer oft massenhaft von dem Safrantod (Rhizoctonia crocorum) zerstört. In zwei Erntejahren erhält man von einem Hektar 17–30 kg Narben. Zu 1 kg getrockneter Narben sind 40–100,000 Blüten notwendig. Die Zwiebel (Zipolle, Bolle) wird als Küchengewürz und Küchengemüse verwendet. Zum Anbau kommen glattrunde Kopf- oder Apfelzwiebel und längliche oder Birnzwiebel, die je nach der Farbe der Zwiebeln noch weiter unterschieden werden. Der Anbau geschieht mit Samen oder durch Verpflanzen auf gartenmäßig vorbereitete, warme, humusreiche Beete. Unterbleibt das Schwellen der Zwiebeln im Herbste, so werden zur Beförderung des Ausreifens die Stengel eingetreten, geknickt. Das Ausnehmen erfolgt nach dem Abwelken der Stengel im August und September. Die am Felde getrockneten Zwiebeln werden auf Reisen gebunden oder, mit Stroh in Zöpfen geflochten, in frostfreien Räumen aufbewahrt. Geerntet werden vom Hektar 100–150–180 dz. Zwiebelbau wird in Deutschland bei Borna (jährliche Produktion 45,000 Ztr.), Großgottern (Bezirk Erfurt), Frankenthal in der Pfalz, Offenbach (Madeirazwiebeln), Lübbenau etc. getrieben.

Über die Anbau- u. Ertragsverhältnisse einiger der vorerwähnten Gewürzpflanzen geben folgende Zahlen (nach Kraffts »Pflanzenbaulehre«) Anhaltspunkte:

Tabelle

Den Farbpflanzen kommt unter den H. mit Bezug auf die Ausdehnung des Anbaues die geringste wirtschaftliche Bedeutung zu, seitdem die allgemeinere Verwendung der Farbstoffe tropischer Pflanzen und künstlich hergestellter Farbstoffe den Bedarf an Farbstoffen aus europäischen Farbpflanzen immer mehr eingeschränkt hat. Zu erwähnen sind: die Schwarze Malve (Stockrose, Pappelrose), die im zweiten Jahre rote Farbstoffe enthaltende Blüten liefert, die zum Rotfärben von Wein, Likören, Essig etc. verwendet werden. Man erntet vom Hektar 1,4–7,8 dz Blüten. Safflor (Färbedistel, Falscher Safran), der in den mennigroten Blumenblättern einen roten Farbstoff (Karthamin) und in den Samen Brenn- und Speiseöl liefert. Wau (Gelbkraut, Hornkraut, Färbekraut) wird wegen des in den Blättern und Stengeln vorkommenden gelben Farbstoffes (Luteolin) hier und da im großen angebaut. Der farbstoffreichere französische Wau wird zeitig im Frühjahr, der höhere deutsche Wau im August gesät und letzterer im Juli des nächsten Jahres in voller Blüte geerntet und sorgfältig getrocknet. Waid (deutscher Indigo) wird seit der Verwendung des Indigo zum Blaufärben nur noch in sehr beschränkter Ausdehnung kultiviert, und zwar in Frankreich eine glattblätterige, der Languedocwaid, und in Thüringen eine rauhblätterige Varietät. Geerntet wird 2-, 3-, 4-, 6mal im Jahr, indem man die Blätter bis auf die jedesmal stehenbleibenden Herzblätter abstößt. Krapp (Röte) wird wegen der unterirdischen Stämme besonders im Rhonetal um Avignon, in den Niederlanden, im Elsaß, um Breslau, in der Ukermark, in der Provinz Sachsen, in Österreich, in Italien, am Asowschen Meer etc. kultiviert. Er verlangt tiefgründigen, kräftig bearbeiteten Boden und kann aus Samen oder aus Setzlingen (Fechsern) gezogen werden. Der Ertrag in ein, zwei oder drei Jahren wechselt von 11–20–40 dz trockner Wurzeln vom Hektar. Die Anbau- und Ertragsverhältnisse der Farbpflanzen stellen sich wie folgt:

Tabelle

Von Blattpflanzen kommen Tabak und die Kohlarten in Betracht. Über Arzneipflanzen s. d. Von den Manufakturpflanzen erlangt die Weberkarde gebietsweise größere Bedeutung. S. die Artikel »Tabak, Gemüsebau und Dipsacus«. Vgl. Krafft, Pflanzenbaulehre (6. Aufl., Berl. 1897); Langethal, Handbuch der landwirtschaftlichen Pflanzenkunde (5. Aufl., das. 1879, 3 Bde.); Löbe, Anleitung zum rationellen Anbau der Handelsgewächse (Leipz. 1868, 7 Tle.); Zeeb, Der Handelsgewächsbau (Stuttg. 1880); Neger, Die H. Deutschlands (Wien 1903) und die Karte »Landwirtschaft in Deutschland« (Bd. 4, S. 776).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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